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PORTRÄT
SZENE
09 / 10 personalmagazin
Niedergangs der Monarchie aus Afgha-
nistan geflohen. Er verhalf ihr zusammen
mit Amnesty International zu einer Auf-
enthaltsgenehmigung in Deutschland.
Mit einer kleinen Tasche und oh-
ne Deutschkenntnisse kam sie an und
wurde sofort aktiv. „Ich wollte nie von
Sozialhilfe leben, wenn ich arbeiten
dürfte“, erklärt sie. „Ich dachte, Zahlen
sind universal, ich kann gut mit Zahlen
und Geld arbeiten, dann werde ich eben
Kassiererin in einem Supermarkt.“ Ne-
benher besuchte sie eine Sprachschule,
ging putzen und bekam bald zwei Kin-
der. Schließlich gründete sie ihr eigenes
Unternehmen: den QR-Reinigungs-Mei-
sterbetrieb. Dabei traf sie auf eine ältere
Frau, die Afghanistan gut kannte und um
Hilfe in der Pflege bat. So kam Qani die
Idee zum kultursensiblen Pflegedienst.
Inzwischen hat der ambulante Pfle-
gedienst 45 Mitarbeiter, davon etwa 19
Deutsche. Auf den hundert Quadratme-
tern Bürofläche arbeiten Menschen aus
19 Nationen mit 35 Sprachen – darunter
Algerisch, Rumänisch und Französisch.
Statt der anfänglich zwei vorgeschrie-
benen Pflegedienstleiter hat Qani inzwi-
schen sechs. „Das habe ich nur über die
Personalentwicklung erreicht“, erklärt
sie stolz. „Es gibt keinen einzigen Mit-
arbeiter, der nicht eine Ausbildung oder
Weiterbildung bei AHP bekommen hat.“
Personalentwicklung ist der Grundstein
Die Personalentwicklung von Nadia Qani
fängt häufig bei null an. Sie stellt zum
Beispiel Frauen ein, die bisher Haus-
frauen waren und aus demAusland nach
Deutschland gekommen sind. Diese er-
halten den Sprachkurs „Deutsch in der
Pflege“. Den hat die Geschäftsführerin
persönlich zusammen mit der Initiative
„Beramí“, die Migranten ins Berufsleben
hilft, entwickelt. Dann gehen die nicht
ausgebildeten Mitarbeiter berufsbeglei-
tend in die Pflegeschule. Dort können
sie in sechs Monaten Pflegeassistent, in
einem Jahr Pflegehelfer oder in drei Jah-
ren Pflegefachkraft werden.
Auch ausländische Ärzte, deren Doku-
mente in Deutschland nicht anerkannt
werden, finden bei AHP eine Anlaufstel-
le. Die Geschäftsführerin kümmert sich
dann um eine Arbeit in der Pflege und
zahlt das Gehalt auch weiter, während
die Mitarbeiter ein sechs- bis zwölfmona-
tiges Praktikum im Krankenhaus absol-
vieren, das zur Anerkennung nötig ist.
„Ich versuche die Menschen da abzuho-
len, wo sie stehen, damit sie ihren in-
dividuellen Beitrag für die Gesellschaft
leisten können“, erklärt Qani. Das gilt
auch für alleinerziehende Mütter, die
sonst keine Ausbildungsstelle erhalten
haben, oder junge Männer, die sich bis-
her nur schwer in die Gesellschaft ein-
gliedern konnten.
Doch Nadia Qani ist kein idealistischer
Gutmensch. Wenn die Mitarbeiter immer
wieder unpünktlich oder unzuverlässig
sind, mahnt sie ab und kündigt auch,
wenn sie keine andere Möglichkeit mehr
sieht. „Das ist ein Geben und Nehmen“,
meint sie. Ihr Führungsstil entspricht
diesem Bild. „Ich bin locker im Umgang
mit meinen Mitarbeitern. Aber ich fordere
sie auch. Ich sage, was wir brauchen und
erkläre, dass wir kein Sozialamt sind.“ Sie
motiviert ihre Mitarbeiter über Kleinig-
keiten, die Wirkung zeigen. Zum Geburts-
tag gibt es ein persönliches Geschenk und
eine Karte mit den Unterschriften aller
Mitarbeiter. Jeder bringt am Geburtstag
ein traditionelles Gericht aus der Hei-
mat mit, erzählt von der Kultur dort und
tauscht sich mit den Kollegen aus. „Das ist
ein einfaches Mittel, das mich nicht viel
Geld kostet, aber viel Kulturaustausch be-
wirkt“, erklärt Qani lachend. „Schließlich
läuft das nicht auf Arbeitszeit.“
Zur Arbeitszeit zählt dagegen die täg-
liche „seelische Entfaltung“, wie Qani
das nennt. Die Mitarbeiter kommen nach
ihremArbeitstag in das Büro zurück und
setzen sich in die Kaffeeküche, um ihren
Pflegealltag bei Kerzenlicht und Kaffee
zu verarbeiten. Sie tauschen sich über
ihre Erfahrungen aus und müssen so
keine Sorgen mit nach Hause nehmen.
Qualitätsmanagement eingeführt
Auch die Personalentwicklung überlässt
sie nicht dem Zufall. Sie hat ein offizi-
elles Qualitätsmanagement eingeführt.
Dabei vergleicht sie mit ihren Mitar-
beitern in Tagungen das eigene Pflege-
handbuch mit den Standards, passt sie
an oder übernimmt neue. So entsteht
auch ein Bild davon, welche Qualifikati-
onen im Unternehmen noch fehlen und
welche weitergebildet werden müssen.
Die entsprechenden Mitarbeiter werden
dann zu Schulungen geschickt.
Die Schulungen laufen meist über die
Landesarbeitsgemeinschaft Hauskran-
kenpflege Hessen. „Da sind wir Mitglied,
damit uns das nicht so viel kostet“, so die
Geschäftsfrau. Das spiegelt ihre Philoso-
phie wieder, die Grundlage für ihr un-
ternehmerisches Handeln ist: Soziales
Engagement und Wirtschaftlichkeit in
Einklang bringen.
Auch ausländische Ärzte, deren Dokumente in
Deutschland nicht anerkannt werden, finden bei
Nadia Qani eine Anlaufstelle.
Nadia Qani
ist Geschäftsführerin des ambulanten
Pflegedienstes AHP, den sie selbst
gegründet hat. Sie betreut vor allem
Menschen mit Migrationshintergrund
und stellt dafür vorwiegend Frauen mit
Migrationshintergrund ein. Für diese
Verbindung vom Sozialem und Wirt-
schaftlichem hat sie schon zahlreiche
Auszeichnungen erhalten – zuletzt das
Bundesverdienstkreuz am Bande.