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KÜNDIGUNG
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RECHT
Abmahnungsrecht bleibt schwierig
BAG-URTEIL. Wer verhaltensbedingt kündigen will, muss im Regelfall vorher ab-
mahnen. Das BAG hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und ausgebaut.
K
ann ein Arbeitgeber von sei-
nem Arbeitnehmer verlangen,
dass dieser sich bei dienst-
lichen Aufträgen in der Öffent-
lichkeit nicht „danebenbenimmt“? Dies
war der Hintergrund einer Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts, die wie so oft
zwei Interpretationen zulässt. Die eine
lautet: Der Arbeitgeber kann verlangen,
dass sich seine Mitarbeiter bei dienst-
lichen Anlässen „angemessen beneh-
men“. Die andere Erkenntnis aus dem
Urteil unterstreicht den altbekannten
Grundsatz, dass verhaltensbedingte
Kündigungen nie ohne Prüfung mög-
licher Abmahnungsvoraussetzungen
ausgesprochen werden sollten.
Dem Urteil des BAG lag folgender
Fall zugrunde: Ein Pressefotograf war
zu einem Unfallort geeilt, um dort im
Auftrag seines Arbeitgebers Fotos zu
schießen. Als Fotojournalist gab er sich
nur mündlich aus und weigerte sich,
den anwesenden Polizisten seinen Pres-
seausweis vorzuzeigen. Das wiederum
brachte die Polizei in Rage und sie erteil-
ten dem renitenten Pressefotografen ein
sogenanntes „Platzverbot“.
Der renitente Pressefotograf
Seinen Auftrag hatte der Pressefotograf
allerdings mittlerweile erfüllt. Die Fo-
tos waren im Kasten und wurden auch
entsprechend veröffentlicht. Als der Ar-
beitgeber Kenntnis von dem Platzverbot
des Pressefotografen bekam, kündigte er
ihm unter anderemmit der Begründung,
dass durch ein solches Verhalten der
Ruf des Arbeitgebers geschädigt werde.
Außerdem habe sich der Arbeitnehmer
auch schon in der Vergangenheit ähnlich
problematisch benommen.
Auch bei Nebenpflichten kann
Korrektheit eingefordert werden
Der Pressefotograf klagte und bekam
in allen Instanzen recht. Zunächst die
gute Nachricht aus Arbeitgebersicht: So-
fern Arbeitnehmer dienstlich unterwegs
sind, kann der Arbeitgeber verlangen,
dass sie in der Öffentlichkeit ein „ange-
messenes Verhalten“ an den Tag legen.
Soweit dies zu den Hauptpflichten ge-
hört, war dies bisher unumstritten. So
kann ein Arbeitgeber selbstverständlich
verlangen, dass Mitarbeiter bei Verhand-
lungen oder Meetings mit Dritten kor-
rekte Umgangsformen wahren. Tun sie
dies nicht, so ist dies sogar möglicher-
weise ein Kündigungsgrund, der ohne
vorherige Abmahnung greifen kann.
Im vorliegenden Fall ging es jedoch
nicht um die Erfüllung einer Haupt-
pflicht, sondern hier war das Verhalten
des Arbeitnehmers, der ja seine Fotos
auftragsgemäß geschossen hatte, „nur“
unter dem Bereich einer Nebenpflicht zu
betrachten. Diese Nebenpflicht aber ist
vom Arbeitnehmer in derartigen Fällen
ebenfalls ernst zu nehmen. Das vom BAG
bestätigte Urteil des LAG Niedersachsen
hatte insofern klar ausgeführt: „Ein
Arbeitnehmer verstößt gegen eine ihm
obliegende Nebenpflicht aus dem Ar-
beitsvertrag, wenn er sich als Presse-
fotograf an einem Unfallort gegenüber
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
Schlechtes Benehmen muss niemand dulden. Vor einer Kündigung ist aber in der Regel abzumahnen.
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