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RECHT
09 / 09 personalmagazin
BETRIEBSVERFASSUNGSRECHT
Sensibles Thema Betriebsratswahl
NEUWAHLEN. Personalverantwortliche sollten wissen, wann die Grenze zwischen
erlaubter Meinung und unzulässiger Wahlbeeinflussung überschritten ist.
I
m Vorfeld der Betriebsratswahl fra-
gen sich Arbeitgeber immer wieder,
ob sie dem Wahlgeschehen tatenlos
zusehen müssen oder aber aktiven
Einfluss darauf nehmen dürfen. Dürfen
sie der Belegschaft etwa deutlich ma-
chen, wer aus ihrer Sicht der geeignete
Wahlbewerber ist? Dürfen sie einen
geeignet erscheinenden Mitarbeiter
animieren, sich zur Wahl zu stellen?
Rechtsprechung zu diesen Themen,
insbesondere obergerichtliche Recht-
sprechung, ist rar. In der Literatur wird
angesichts der drastischen Folgen einer
möglichen Wahlbeeinflussung überwie-
gend formelhaft empfohlen, strikte Neu-
tralität zu wahren. Tatsächlich bewegen
sich solche Handlungen in einer recht-
lichen Grauzone.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Behinderung vonBetriebsratswahlen
und eine unzulässige Beeinflussung
zu verhindern, ist Sinn und Zweck des
§ 20 Betriebsverfassungsgesetz (Be-
trVG). Während nach § 20 Abs. 1 Be-
trVG niemand die Wahl des Betriebsrats
behindern darf, darf nach Absatz 2 nie-
mand die Wahl des Betriebsrats durch
Zufügung oder Androhung von Nachtei-
len oder durch Gewährung oder Verspre-
chen von Vorteilen beeinflussen.
Ein Verstoß gegen die Vorschrift des
§ 20 BetrVG kann zur Anfechtung der
Betriebsratswahl gemäß § 19 BetrVG
berechtigen. Besonders grobe Verstö-
ße können sogar zur Nichtigkeit der
Betriebsratswahl führen. Bei groben
Verstößen kann dem Arbeitgeber nach
§ 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gerichtlich
Unterlassung auferlegt werden. Erleidet
ein Arbeitnehmer durch eine Wahlbeein-
flussung einen Schaden, drohen Scha-
densersatzansprüche.
Schließlich kann eine vorsätzliche
Wahlbeeinflussung gemäß § 119 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG als Straftat verfolgt und mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
mit Geldstrafe bestraft werden. Die Straf-
vorschriften der §§ 107 bis 108 Straf-
gesetzbuch (StGB), insbesondere zur
Wahlbehinderung, Wahlfälschung und
Wahltäuschung, gelten gemäß § 108 d
StGB hingegen nicht für Betriebsrats-
wahlen.
Der Katalog der verbotenen
Handlungen nach § 20 BetrVG
Neben der Behinderung der Wahl selbst
ist nach § 20 Abs. 2 BetrVG die Beein-
flussung derWahl des Betriebsrats durch
Zufügung oder Androhung von Nachtei-
len oder durch Gewährung oder Verspre-
chen von Vorteilen untersagt. Verboten
sind also vier Handlungsalternativen.
Die Zufügung eines Nachteils setzt
in Abgrenzung zur Androhung den tat-
sächlichen Eintritt eines Nachteils vo-
raus. Verboten nach § 20 Abs. 2 BetrVG
sind damit alle Maßnahmen, die einen
Dritten tatsächlich benachteiligen. Wird
ein Arbeitnehmer auf einen schlechteren
Arbeitsplatz versetzt oder gekündigt, um
zu verhindern, dass er an der Betriebs-
ratswahl teilnimmt oder sich zur Wahl
stellt, bedeutet die Versetzung oder
Kündigung einen Nachteil und ist damit
verboten. Die Versetzung auf einen bes-
seren Arbeitsplatz stellt zwar keine Zu-
fügung eines Nachteils dar, wäre jedoch
als Gewährung eines Vorteils nach der
dritten Handlungsalternative verboten,
wenn die Versetzung ausschließlich er-
folgt, um die Wahl zu manipulieren. Dem
Wortlaut nicht unmittelbar unterfällt ei-
ne Versetzung auf einen gleichwertigen
Arbeitsplatz, da dadurch nicht ohne
Weiteres ein Nachteil eintritt. Auch eine
solche Versetzung ist jedoch verboten,
wenn sie der Beeinflussung der Wahl
dient.
Die Androhung von Nachteilen setzt
voraus, dass der Drohende vorgibt, auf
die Herbeiführung des vorhergesagten
Nachteils Einfluss zu haben. Weist der
Arbeitgeber einen Mitarbeiter darauf
hin, dass es mit der Karriere vorbei sei,
wenn dieser sich als Kandidat zur Wahl
aufstellen lasse, liegt eine Einflussnah-
memöglichkeit auf die Herbeiführung
des Nachteils, nämlich das Ende der Kar-
riere, durch den Arbeitgeber vor. Damit
Von
Burkhard Fabritius
Auch eine Versetzung auf einen gleichwertigen
Arbeitsplatz kann als unzulässige Beeinflussung
der Betriebsratswahl ausgelegt werden.