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TARIFBINDUNG
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triebserwerber nicht tarifgebunden, so
liegt an sich ein Fall der Beendigung des
Tarifvertrags vor mit der Folge, dass eine
Nachwirkung eintreten müsste. Hier hat
aber § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB ein ei-
genständiges Regelungswerk getroffen.
Danach werden die beim Betriebsveräu-
ßerer geltenden Tarifnormen Inhalt des
Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des
Betriebsübergangs. Sie können inner-
halb eines Jahres nach dem Übergang
nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers
geändert werden.
Bezugnahme auf den Tarifvertrag
Nimmt der Arbeitsvertrag auf einen
Tarifvertrag Bezug, so wird hierdurch
keine Tarifbindung herbeigeführt. Viel-
mehr wird die tarifliche Regelung zum
Inhalt des Arbeitsvertrags. Verweist der
Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag in
einer bestimmten Fassung, so spricht
man von einer statischen Verweisung.
Bei der dynamischen Verweisung wird
die jeweilige Fassung eines bestimmten
Tarifvertrags (kleine dynamische Ver-
weisung) oder die jeweilige Fassung
der einschlägigen Tarifverträge (große
dynamische Verweisung) in Bezug ge-
nommen.
In der Vergangenheit hat das BAG ei-
ne dynamische Verweisung im Zweifel
als Gleichstellungsabrede verstanden.
Die Klausel soll eine Gleichbehandlung
der organisierten und nicht organisier-
ten Arbeitnehmer desselben Arbeitge-
bers bewirken und somit aus Sicht des
Arbeitgebers keinen Anreiz zum Ge-
werkschaftsbeitritt bieten. Im Zuge der
Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle dif-
ferenziert das BAG.
Eine in einem vor dem 1. Januar 2002
geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbar-
te dynamische Verweisung kann jetzt
nur dann noch als wirksame Gleichstel-
lungsabrede bewertet werden, wenn der
Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses an diese Tarifverträge gemäß
§ 3 TVG gebunden war. Für nach diesem
Zeitpunkt vereinbarte Bezugnahme-
klauseln geht das Bundesarbeitsgericht
von einer unbedingten zeitdynamischen
Verweisung aus, wenn die Tarifgebun-
denheit des Arbeitgebers an den im
Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag
nicht in einer für den Arbeitnehmer er-
kennbarenWeise zur auflösenden Bedin-
gung der Vereinbarung gemacht worden
ist (BAG Urteil vom 22. Oktober 2008, 4
AZR 793/07).
Will der Arbeitgeber also mit der Be-
zugnahme eine Gleichstellung der nicht
organisierten mit den organisierten Ar-
beitnehmern erreichen, so ist es erfor-
derlich, die entsprechende Klausel im
Arbeitsvertrag nach den Anforderungen
des BAG auszugestalten (Formulierungs-
beispiel siehe Kasten).
ist Rechtsanwalt
Partner, Lovells LLP,
Frankfurt.
Dr. Hans-Peter Löw
MUSTERTEXT
Bezugnahmeklauseln sorgfältig formulieren
Eine Bezugnahmeklausel als sogenannte „Gleichstellungsklausel“ ist weiterhin möglich und sichert, dass nach einem Verbandsaustritt
Arbeitsverträge gestaltbar werden. Für eine rechtssichere Formulierung sind aber die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts zu beachten.
§ 3 Geltung von Tarifverträgen
(1)
Auf das Arbeitsverhältnis finden die
im Bereich geltenden Tarifverträge in ihrer
jeweiligen Fassung Anwendung. Dies sind
nach Kenntnis der Gesellschaft derzeit die
Tarifverträge für _____ (Spezifizierung),
abgeschlossen zwischen ____ (Arbeitgeber/
Arbeitgeberverband) und ____ (Gewerk-
schaft).
(2)
Gelten im Betrieb Tarifverträge mit
unterschiedlichen Gewerkschaften, so finden
auf das Arbeitsverhältnis im Zweifel die
Tarifverträge Anwendung, die spezieller sind.
Dies sind die Tarifverträge, die dem Betrieb
räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich
am nächsten stehen und deshalb den Erfor-
dernissen und Eigenarten des Betriebs und
der Arbeitnehmer am besten gerecht werden.
(3)
Die Gesellschaft kann aus wirtschaft-
lichen Gründen die Anwendung der nach
Abs. (1) und (2) geltenden Tarifverträge
auf das Arbeitsverhältnis durch schriftliche
Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter auf die
zum Zeitpunkt der Erklärung geltende
Fassung beschränken.
(4)
Von der Beendigung jeglicher Tarifbin-
dung der Gesellschaft oder der Nachwirkung
der Tarifverträge an gelten die zu diesem
Zeitpunkt nach Abs. (1) und (2) anwendbaren
Tarifverträge statisch in der zuletzt gültigen
Fassung fort, soweit sie nicht durch andere
Abmachungen ersetzt werden.
(5)
Im Falle eines Betriebsübergangs gilt
Abs. (4) entsprechend, sofern der neue
Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Ist der
neue Arbeitgeber tarifgebunden, findet
Abs. (2) entsprechend Anwendung.
(6)
Die vorstehenden Abs. (1) bis (5) gelten
nicht, soweit auf das Arbeitsverhältnis Tarif-
verträge aufgrund einer Tarifgebundenheit
des Mitarbeiters oder gesetzlicher Anord-
nungen anzuwenden sind.