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              ARBEITSKAMPF
            
            
              Bei Fragen wenden Sie sich bit te an 
            
            
            
              personalmagazin  01 / 09
            
            
              
                ÜBERBLICK
              
            
            
              
                Der Einzelfall
              
            
            
              
                ist maßgeblich
              
            
            
              Das Urteil des LAG Berlin-Branden-
            
            
              burg lässt erkennen, dass nicht jede
            
            
              Flashmob-Aktion zulässig ist.
            
            
              
                Gegenmittel unmöglich?
              
            
            
              Auch nach Auffassung des LAG Berlin-
            
            
              Brandenburg kommt es zu einer Störung
            
            
              der Kampfparität, wenn der Arbeit-
            
            
              geber nicht – wie etwa durch Einsatz
            
            
              von Leiharbeitnehmern – in der Lage
            
            
              ist, die Wirkung des Streiks nachhal-
            
            
              tig einzudämmen. Den betroffenen
            
            
              Unternehmen hilft dies womöglich nur
            
            
              wenig, da die Gewerkschaften nur dann
            
            
              zum Flashmob greifen werden, wenn
            
            
              übliche Streikaktionen in ihrer Wirkung
            
            
              verpuffen.
            
            
              
                Aufruf zu Straftaten?
              
            
            
              Als rechtswidrig dürfte das LAG Berlin-
            
            
              Brandenburg auch solche Aktionen
            
            
              ansehen, bei denen bereits der Aufruf
            
            
              auf die Begehung von Straftaten ab-
            
            
              zielt, wie etwa die Aufforderung zum
            
            
              Einpacken von Frischware. Betroffene
            
            
              Unternehmen sollten daher sämtliche
            
            
              Flugblätter, Internet-Seiten und E-Mails
            
            
              sichten und überprüfen. Auch Aufrufe
            
            
              zu Blockade- und Boykottaktivitäten,
            
            
              die arbeitswillige Mitarbeiter davon
            
            
              abhalten, ihrer Tätigkeit nachzugehen
            
            
              und damit ihre negative Koalitions-
            
            
              freiheit verletzen, sind wohl unstreitig
            
            
              rechtswidrig. Das Gleiche gilt, wenn
            
            
              sich Aufrufe zu Flashmobs an einen
            
            
              völlig unbestimmten Personenkreis
            
            
              richten, wie es beispielsweise bei einer
            
            
              Bekanntgabe von Ort und Zeit des
            
            
              Flashmobs via Internet der Fall ist. Jeg-
            
            
              liche Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich
            
            
              der Teilnehmer, die das LAG bei einer
            
            
              Einladung per SMS noch angenommen
            
            
              hat, bestünde dann nicht mehr.
            
            
              neueren Entscheidungen zum Arbeits-
            
            
              kampfrecht liegt, erweist sie sich aus
            
            
              mehreren Gründen als falsch.
            
            
              So gibt es keine grenzenlose Freiheit
            
            
              der Arbeitskampfmittel. Der Aufruf
            
            
              (auch) außenstehender Dritter zu Blo-
            
            
              ckade- und Sabotageaktionen stellt keine
            
            
              koalitionsspezifische Verhaltensweise
            
            
              dar. Ein Arbeitskampf zeichnet sich da-
            
            
              durch aus, dass Arbeitnehmer, die sich
            
            
              ebenfalls auf den Grundrechtsschutz
            
            
              des Art. 9 Abs. 3 GG berufen können,
            
            
              ihre Arbeit niederlegen. Aktionen von
            
            
              Berufsaktivisten haben damit nichts zu
            
            
              tun. Die betroffenen Arbeitnehmer sind
            
            
              nicht Täter, sondern Opfer einer solchen
            
            
              Maßnahme.
            
            
              
                Es gibt keine garantierte „Sollstärke“
              
            
            
              Die Arbeitskampfparität ist nicht des-
            
            
              halb gestört, weil der Streikaufruf bei
            
            
              den Gewerkschaftsmitgliedern wenig
            
            
              Gehör findet. Beteiligen sich nur wenige
            
            
              Arbeitnehmer an dem Streik, so geben
            
            
              sie damit zu verstehen, dass sie nicht
            
            
              willens oder bereit sind, die gewerk-
            
            
              schaftlichen Ziele durch eigenen Einsatz
            
            
              zu verfolgen.
            
            
              Mit diesemVerhaltenmachen sie letzt-
            
            
              lich von ihrem Grundrecht nach Art. 9
            
            
              Abs. 3 GG Gebrauch. Führt die fehlende
            
            
              Streikbereitschaft dazu, dass die Arbeit-
            
            
              geberseite in der Lage ist, die schädi-
            
            
              gende Wirkung des Arbeitskampfs mit
            
            
              einfachen Mitteln (Leiharbeitereinsatz)
            
            
              zu verhindern, liegt keine Störung der
            
            
              Kampfparität vor. Es gibt keine garan-
            
            
              tierte „Sollstärke“ eines jeden Streiks,
            
            
              bei deren Unterschreitung andere Mittel
            
            
              zulässig sind. Die Durchsetzungskraft
            
            
              eines jeden Streiks ist vielmehr vom
            
            
              Einsatzwillen der streikbereiten Arbeit-
            
            
              nehmer abhängig.
            
            
              Das von der Gewerkschaft angeregte
            
            
              Verhalten der Aktionsteilnehmer kann
            
            
              nicht mit „erlaubtem Kundenverhalten“
            
            
              gleichgesetzt werden. Zwar ist es dem
            
            
              einzelnen Kunden grundsätzlich nicht
            
            
              verboten, nur Pfennigartikel zu kaufen
            
            
              oder einen vollgepackten Einkaufswagen
            
            
              stehen zu lassen. Wird ein solches Ver-
            
            
              halten aber planvoll und massenweise
            
            
              ausgeübt, ist die Grenze zur Rechtswid-
            
            
              rigkeit schnell überschritten. Wer sich
            
            
              an Flashmob-Aktionen beteiligt, läuft im
            
            
              Übrigen leicht Gefahr, hierbei Straftaten
            
            
              zu begehen, und zwar auch dann, wenn
            
            
              er sich entsprechend dem gewerkschaft-
            
            
              lichen Aufruf verhält. Spätestens dann,
            
            
              wenn der Aktivist aufgefordert wird, die
            
            
              Filiale zu verlassen, er dieser Aufforde-
            
            
              rung aber nicht nachkommt (weil der
            
            
              gewerkschaftliche Aufruf hierzu nichts
            
            
              sagt), begeht er einen Hausfriedens-
            
            
              bruch. Erklärt er nach Durchlaufen der
            
            
              Ware an der Kasse, er habe kein Geld da-
            
            
              bei, kann dies als Betrug geahndet wer-
            
            
              den. Die an der Tarifauseinandersetzung
            
            
              unbeteiligten Flashmob-Teilnehmer kön-
            
            
              nen sich im Rahmen eines Strafverfah-
            
            
              rens nicht auf die Rechtfertigung ihres
            
            
              Handelns nach Art. 9 Abs. 3 GG berufen.
            
            
              Entsprechend können Aufrufe von unbe-
            
            
              teiligten Dritten zu Aktionen, die straf-
            
            
              rechtlich relevant werden können, nicht
            
            
              durch die Koalitionsfreiheit gerechtfer-
            
            
              tigt werden.
            
            
              
                Unkontrollierbare Exzesse drohen
              
            
            
              Überdies sind Exzesse bei jedem Flash-
            
            
              mob-Aufruf vorprogrammiert. Das Ar-
            
            
              gument, die Gewerkschaft steuere den
            
            
              Teilnehmerkreis der Aktion, indem sie
            
            
              darüber entscheide, wen und wie viele
            
            
              Personen sie per SMS einlade, kann
            
            
              nicht überzeugen. Zum einen ist nicht
            
            
              sichergestellt, dass die Eingeladenen
            
            
              nicht noch zahlreiche weitere Personen
            
            
              mitbringen. Zum anderen kann die Ge-
            
            
              werkschaft nicht allein durch die Handy-
            
            
              nummern gewährleisten, dass sich die
            
            
              Teilnehmer an ihre Weisungen halten.
            
            
              Die Erfahrungen haben gezeigt, dass
            
            
              sich der Mob nicht steuern lässt. Im Ge-
            
            
              gensatz zu streikenden Arbeitnehmern
            
            
              drohen unbeteiligten Dritten keine (ar-
            
            
              beitsrechtlichen) Sanktionen. Unter dem
            
            
              Deckmantel der Anonymität und durch
            
            
              den Gruppendruck lassen sie sich leicht
            
            
              zur Überschreitung rechtlich zulässiger
            
            
              Maßnahmen verleiten, die spätestens
            
            
              dann als Hausfriedensbruch, Betrug,