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CHANGE MANAGEMENT
ORGANISATION
01 / 09 personalmagazin
sen Übertreibungen in beide Richtungen
(positiv wie negativ) – weil unnötig – ver-
mieden werden? Diese Fragen sind für
jedes Unternehmen vomPersonalbereich
in enger Abstimmung mit der Geschäfts-
führung individuell zu beantworten.
Balance finden
Die richtigen Maßnahmen zu ergreifen
sowie unwichtige zu unterlassen, wird
nun besonders wichtig. Auf die nicht
wertschöpfenden Steckenpferde des Per-
sonalbereichs sollte ohnehin verzichtet
werden. Zwei Beispiele: Das weltweit
harmonisierte Prozessmodell („global
template“) wird allenfalls in Einzelfällen
kommen, für die meisten Unternehmen
ist es irrelevant. Die Personalmarketing-
Initiative mit so mancher Universität,
entstanden aus alter Verbundenheit
einzelner Vorstände, wird aufgegeben.
Übrigens: Diese Selbstbeschränkung
hilft nicht erst in der Krise. Wenn diese
Klarheit über erforderliche Aktivitäten
besteht, gilt es bei denen (aber nur bei
denen) solange wie irgendwie möglich
Kurs zu halten und Widerstand gegen
die mit Sicherheit aufflackernden An-
feindungen zu leisten. Ausgangspunkt
kann nur die Strategie sein. Denn diese
bildet den Ursprung der HR-Aktivitäten
und ermöglicht Rückgrat für den Per-
sonalverantwortlichen. Erst in wirklich
krisenhaften Konstellationen, wenn es
um das schiere Überleben des Unterneh-
mens geht, muss härter – also abseits
der Strategie – agiert werden; nicht aber
bereits auf Vorrat.
Bei all den „wetterfesten“ Unterneh-
men, die wir inzwischen haben, bestand
die Krisenprävention in der abgelaufenen
Boomphase imWesentlichen darin, die al-
lergrößtenÜbertreibungenausdenZeiten
vor der Internet-Blase zu vermeiden. Im-
merhin, dies war das „Learning“. Denn
nach jeder Krise kam bislang wieder ein
Aufwärtstrend, bei dem die angerichteten
Schäden in der Substanz, Kompetenz, Mo-
tivation oder Loyalität des „Humankapi-
tals“ nicht allzu groß sein dürfen.
Selbst wenn die nahe Zukunft düster
erscheinen mag. Es werden mit Sicher-
heit auch diesmal wieder bessere Zeiten
kommen. Die entscheidende Frage lautet:
Wann? In diesem Jahr – so sagen sämt-
liche Auguren – sicher nicht. Dann aber
2010, 2011 ... 2015? Und was wird dann
gebraucht? Diese zweite Frage ist viel ent-
scheidender. Auf sie kann sich der Perso-
nalbereich heute schon vorbereiten, um
morgen nicht nur Problembewusstsein,
sondern bereits Lösungen zu besitzen.
Betrachten wir einmal das Positive der
Krise. Man kann sich derzeit zwar we-
niger leisten und muss trotzdem vieles
leisten. Das Notwendige – im Wort-
sinne – ist allerdings ziemlich klar: Ver-
schwendung und Extravaganzen sind zu
vermeiden. Das künftig Erforderliche
lässt noch auf sich warten: Ablenkungen
und Verführungen sind daher gering. Es
gibt endlich wieder genügend Zeit zum
Vordenken und Vorbereiten.
Der Personaler als Change Agent
Die Rolle als „Change Agent“ hat Da-
ve Ulrich den Personalern bereits vor
einem Dutzend Jahren ins Stammbuch
geschrieben. Change Management ist
nicht nur etwas für sonnige Zeiten.
Gerade auch in der Krise ist eine pro-
fessionelle Herangehensweise an den
anstehenden Wandel gefragt. Die „Ge-
staltung der Krise“ kann mittels Chan-
ge Management verbessert werden. Der
Rückgang an Produktivität bei schlecht
gemanagten Veränderungsprozessen
um erschreckende 23 Prozent (Capge-
Mini Consulting Change-Management
Studie 2008) sollte die Entscheider da-
rin bestärken. Diesen Effizienzeinbruch
gilt es deutlich zu vermindern; ganz
vermeiden wird man ihn nicht können.
Aus den zehn Aktionsfeldern des Chan-
ge Managements (siehe Abbildung Seite
46) sollen hier beispielhaft drei heraus-
gegriffen werden. Das Einmaleins des
Change Managements wie Information
und Qualifizierung gehört selbstredend
auch in Krisenzeiten ebenfalls dazu.
Situation und Umfeld analysieren
Startpunkt ist in jedem Fall eine sorg-
fältige Diagnose der Ausgangssituati-
on. Dafür muss auch in der Krise Zeit
sein. So werden Befürchtungen oder
Erwartungen der unterschiedlichen An-
spruchsgruppen deutlich, genau wie die
„Do‘s & Dont‘s“. Die Devise „erst denken,
dann handeln“ wird manchen Fehler aus
Hektik oder Panik vermeiden. Auch spä-
ter ist das Monitoring der Situation im
Dunstkreis des eigenen Unternehmens
gefragt, monatlich, wöchentlich und,
wenn es sein muss, sogar täglich. Gera-
de in der Krise ist die ständige Pulsmes-
sung bei den wichtigsten Stakeholdern
der Schlüssel zur Identifikation von rich-
tigen Maßnahmen. Manches wird über
Nacht schon anders sein als am Tag zu-
vor. Aber irgendwann findet auch diese
Krise ein Ende. Fern vom Business, mer-
ken die meisten Personaler viel zu spät,
ob die Krise noch schlimmer wird oder
schon wieder vorbei ist.
Konflikte und Widerstände reduzieren
In der Krise werden Maßnahmen not-
wendig, die nicht aus dem Schönwetter-
Repertoire des Managements stammen:
Betriebsurlaub und Kurzarbeit, Freiset-
zung der „atmenden“ Belegschaft (Zeit-
arbeit), Aussetzen von Wohlfühl- und
Differenzierungselementen, Verzicht
auf Gehaltsverbesserungen und Kar-
rieresprünge, Kandidatenlisten für Re-
strukturierung und Sozialpläne, Brüche
Die Rolle des Personalers bei Veränderungs-
prozessen in der Krise wird von den in guten
Zeiten erarbeiteten Freiheitsgraden bestimmt.