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FÜHRUNG
MANAGEMENT
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halte nur ganz kurz an. Danach werde
sofort eine neue Aktion geplant. Das
könne mehrere Monate so laufen. Das
Personalmanagement bekommt von all-
dem nichts mit.
„Das Phänomen ist in deutschen Un-
ternehmen weitverbreitet“, bestätigt
auch Dr. Norbert Copray von der „Fair-
ness-Stiftung“ in Frankfurt. Die gemein-
nützige GmbH berät Unternehmen, um
eine Kultur der Fairness vor allem Füh-
rungskräften zu vermitteln. „Den Betei-
ligten und dem Team bleibt meist unklar,
warum eine Führungsposition mit einer
bestimmten Person besetzt wird“, sagt
Copray. Es gebe keine Kultur und keine
Regularien, wie bei der Neubesetzung
von Stellen mit den Unterlegenen aus
dem eigenen Haus umgegangen werde.
Dies gelte besonders für Führungskräfte,
„weil die Vorgesetzten ihnen die Wurst
des Chefpostens vor die Nase hängen,
um noch mehr Leistung von ihnen abfor-
dern zu können“.
Meist folgt die Kündigung
So entstehe bei den Stellvertretern die
Annahme, dass sie „die Führungsposi-
tion in natürlicher Erbfolge überneh-
men“. Ihnen werde kein reiner Wein
eingeschenkt, weil man damit das Risi-
ko einginge, einen hochleistungsfähigen
Mitarbeiter zu demotivieren. So entste-
he eine Projektion, heute sehr viel zu
arbeiten und die Belohnung erst in der
Zukunft zu erhalten. Doch es gibt keine
Belohnung. „Sie wollen Genugtuung für
ihre Niederlage, aber letztlich können
sie nur verlieren“, beschreibt Copray die
Folgen solcher Boykotts, „neun von zehn
Betroffenen verlassen nach unserer Er-
fahrung frustriert ihre Unternehmen.“
Copray empfiehlt daher dem Perso-
nalmanagement, von Beginn an faire
Bedingungen zu schaffen: „Die Per-
sonalabteilung sollte schon in den
Arbeitsvertrag eines Stellvertreters hi-
neinschreiben, dass kein Anspruch auf
Übernahme des Chefpostens besteht.“
Zudem sollten die Geeigneten unter
den Stellvertretern langfristig auf die
Übernahme von Führungsaufgaben
vorbereitet werden, etwa mit Weiterbil-
dung. Dann sei denjenigen klar, dass
sie zum Zuge kommen, ohne sich auf
die Stelle ihres Chefs zu fixieren. Das
aber geschehe nur selten: „In unseren
Managementseminaren sitzen immer
die Führungskräfte, aber niemals Stell-
vertreter. Die bleiben im Büro, weil ja
jemand den Laden schmeißen muss.“
Der Respekt geht verloren
Der Wirtschaftspsychologe Dr. Niels
van Quaquebeke von der Erasmus-Uni-
versität Rotterdam, Leiter des Experten-
netzwerks „Respect Research Group“,
beschreibt die schlichte Mitteilung der
Personalabteilung an einen Stellvertre-
ter im Bewerbungsverfahren, „leider
habe man sich für einen externen Bewer-
ber entschieden“, als eine „Kränkung im
klinisch-psychologischen Sinne“.
Dem Stellvertreter werde der nötige
Respekt genommen. Der definiere sich
nach der Selbstbestimmungstheorie aus
den Faktoren Autonomie, Kompetenz
und Verbundenheit. „Dieser Stellvertre-
ter bekommt zurückgemeldet: Du besitzt
keine Autonomie mehr, denn andere ha-
ben über dein Schicksal entschieden.
Deine Kompetenz ist dezimiert, denn du
hast sie fürs Unternehmen voll einge-
setzt, was aber nicht belohnt wird. Die
Verbundenheit mit dem Unternehmen
wird gekappt, denn du hast dich fürs
Team aufgeopfert, ohne dass dies be-
merkt wurde.“ Diese Mitarbeiter fühlen
sich von Vorgesetzten und Personalab-
teilung „wie Dreck behandelt“.
Einige Mitarbeiter reagieren mit Mob-
bing, andere arbeiten noch mehr – oft
weit über ihre persönlichen Grenzen
hinaus. „Sie haben ein gewaltiges An-
fangsinvestment an Zeit, Arbeit und En-
Wenn der Chefsessel frei wird, sollte der bisherige Stellvertreter nicht völlig übergangen werden.
© DIE BILDSTELLE / BLANK ,GERHARD