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TITEL
01 / 09 personalmagazin
DEMOGRAFIE
erläutert er. Außerdem spare das Unter-
nehmen Einarbeitungskosten für neue
Mitarbeiter, die etwa ein Jahr benötigten,
bevor sie sich in der Wertschöpfung be-
merkbar machten. ProMitarbeiter mache
dies bis zu 50.000Euro aus – bei rund 300
Neueinstellungen im Jahr eine stattliche
Summe. Schließlich steige noch die Kri-
senfestigkeit, sagt er. Einmal erworbenes
Know-how bleibe dem Unternehmen län-
ger erhalten. Komme es mal wieder hart
auf hart, werde bei Sick keinesfalls an
der Weiterbildung gespart. „Wir werden
dann einfach noch kreativer.“
Kreativität entwickelte auch Uwe Jäger,
Geschäftsführer der Eichenbaum GmbH
im thüringischen Gotha. Der Beratungs-
und Bildungsspezialist widerlegt das
Vorurteil, dass nur große Unternehmen
erfolgreich ältere Arbeitnehmer qualifi-
zieren könnten. Das spezielle Qualifizie-
rungskonzept zum Kundenberater im
Handwerk setzt auf berufsbegleitendes,
selbst gesteuertes Lernen. 14Handwerks-
betriebe mit exakt 17 über 45-jährigen
Teilnehmern beteiligten sich an der Ent-
wicklung des mittlerweile anerkannten
Qualifikationsnachweises. „Ein Erfolg
war nur möglich“, so Jäger, „weil die
Arbeitgeber erkannten, dass sie so ihre
älteren Mitarbeiter enger an den Betrieb
binden konnten und durch deren kun-
denorientierte Zusatzqualifikation auch
eine persönliche Entlastung erfuhren.“
Vorsicht vor Stigmatisierung
Dennoch, sagt Birgit Weber, Geschäfts-
führerin des Instituts für Arbeitssystem-
gestaltung und Personalmanagement
GmbH (IAP) an der Hochschule Nieder-
rhein Mönchengladbach, sei es nicht ein-
fach, die Arbeitgeber gerade in kleinen
und mittleren Unternehmen davon zu
überzeugen, ältere Mitarbeiter zu trainie-
ren. Die Kostenfrage spiele dabei häufig
nicht einmal die entscheidende Rolle.
Das IAP entwickelte unter dem Begriff
„Goldie“ ein modulares Konzept zur Qua-
lifizierung erfahrener Beschäftigter im
Sanitär-, Heizungs- und Klima-Handwerk.
„Schnell wurde aber klar“, erläutert Birgit
Weber, „dass mit der Konzentration auf
bestimmte Altersgruppen eine Stigmati-
sierung einherging.“ Sinnvoller als eine
Antwort auf die Formel „Weiterbildung
älterer Arbeitnehmer gleich Defizitbe-
hebung“ sei der Aufbau eines systema-
tischenWissenstransfers imBetrieb. Dies
könne mithilfe interner Trainingsmaß-
nahmen erfolgen oder durch den Aufbau
von Tandems, bestehend aus älteren und
jüngeren Beschäftigten.
INTERVIEW
„Gehirn-Jogging im Tandem“
personalmagazin:
Bieten Unternehmen älteren
Mitarbeitern ausreichend Möglichkeiten der beruf-
lichen Weiterbildung?
Reinhold Weiß:
Ehrlicherweise muss man sagen,
dass die Unternehmen nicht genug tun. Im inter-
nationalen Vergleich schneidet Deutschland nur
unterdurchschnittlich ab.
personalmagazin:
Warum nehmen ältere Mitarbei-
ter so wenig an beruflicher Weiterbildung teil?
Weiß:
Zum einen haben ältere Arbeitnehmer in der
Regel ihre Positionen im Unternehmen gefunden,
Qualifikationsbemühungen im Zusammenhang mit
Aufgabenwechsel werden deshalb kaum nach-
gefragt. Zum anderen gibt es bei vielen Älteren
Ängste oder zumindest eine Scheu, gemeinsam
mit jüngeren Kollegen die Schulbank drücken
zu müssen. Aber man sollte vorsichtig bei der Ursachenforschung sein. Die Gruppe der
Älteren gibt es nur in der Statistik. Für viele Menschen ist Lernen schon immer selbst-
verständlich, und nicht nur eine Karrierestrategie. Sie betreiben „Gehirn-Jogging“ und
wollen einfach geistig fit bleiben. Das hat mit dem Alter nichts zu tun.Wir befürworten
das betriebliche Lernen Älterer, möglichst gemeinsam mit Jüngeren. Attraktive Lösungen
wären etwa Tandems oder gemischte Lerngruppen mit individuellem Mentoring.
personalmagazin:
Werden angesichts der Krise die Unternehmen bei Weiterbildungsan-
geboten für Ältere auf die Bremse treten?
Weiß:
Ganz sicher fällt vieles, was unter dem Stichwort Belohnungsstrategie läuft, dem
Rotstift zum Opfer. Aber alles, was unverzichtbar ist für die Wettbewerbsfähigkeit, wird fort-
gesetzt. Die Unternehmen sehen bereits deutlich, dass die demografische Wende eingesetzt
hat. Der Fachkräftebedarf kann künftig nur noch zu einem Teil durch Absolventen des Bil-
dungssystems gedeckt werden. Da tut man als Arbeitgeber gut daran, die Älteren möglichst
lange im Beschäftigungssystem zu halten – und Qualifikationsangebote sind eine besonders
attraktive Kombination aus Wertschätzung und dem Erhalt von betrieblichem Know-how.
Das Interview führte
Reinhard Myritz.
Prof. Dr. Reinhold Weiß
ist Forschungsdirektor des
Bundesinstituts für Berufs-
bildung (BIBB) in Bonn.
Reinhard Myritz
ist freier Journalist in Bergheim
bei Köln.