Seite 8 - PERSONALquarterly_2015_01

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 01 / 15
Doch sie sind keine Karrieristen, die mit Scheuklappen durchs
Leben laufen. Sie machen sich Gedanken über die Gesellschaft,
sind bereit, sich für soziale Belange, für die Umwelt zu enga-
gieren. Sie übernehmen Verantwortung, für die Allgemeinheit
und im Privaten. Private Bindungen sind ihnen sehr wichtig,
eine eigene Familie, Freunde, Eltern.
Um dies alles unter einen Hut zu bekommen, wünscht sich die
Mehrheit der jungen Frauen und Männer eine gesunde Balance
zwischen Familie und Beruf. Deshalb gaben die jungen Frauen
an, dass sie mehr Stunden als bisher arbeiten wollen, aber
nicht wie ihre Väter über 50 Stunden in der Woche über ein
langes Erwerbsleben hinweg. Und die jungen Männer ziehen
hier mit, denn sie wünschen geringere Arbeitszeiten, damit
mehr Zeit bleibt für die Familie, Freunde und sich selbst. Wie
gesagt, das sind ihre Wünsche. Wir müssen dafür sorgen, dass
diese realisiert werden können.
PERSONALquarterly:
Die Studie „Liebe, Arbeit, Anerkennung“ hat
in drei Teilprojekten Paare untersucht, bei denen beide hoch
qualifiziert sind und entsprechende Jobs ausüben: Welche
Bedingungen braucht es, damit nicht der Stress regiert?
Allmendinger:
Die Studie zeigt, dass selbst bei Doppelkarriere-
Paaren die traditionelle Rollenaufteilung im Haushalt fortbe-
steht. Bei allen untersuchten Paaren waren es die Mütter, die
nach der Geburt ihrer Kinder ihre Erwerbstätigkeit unterbro-
chen und mehr Haus- und Fürsorgearbeit übernommen haben.
Damit es nicht zu einer dauerhaften Doppelbelastung für die
Mütter kommt, müssen Paare hier möglichst schon vor der
Geburt der Kinder miteinander verabreden, wer wann welche
Aufgaben übernimmt. Sie sollten die Fürsorgeverantwortung
partnerschaftlich untereinander aufteilen und sich wechsel-
seitig in ihrem beruflichen Fortkommen unterstützen. Hier
sind also Planung und Organisation gefragt, aber auch selbst-
bewusstes Einfordern dem Partner gegenüber und Kompro-
missbereitschaft.
PERSONALquarterly:
Im WZB gibt es eine Studie zu steigendem
„väterlichen Familiensinn“ nach der Elternzeit: Wie geduldig
müssen Frauen da noch sein? Welche Rahmenbedingungen
braucht es, damit Väter ihren Part in der Familie ausbauen?
Allmendinger:
Tatsächlich belegt die Studie, dass sich junge Väter
nach der Elternzeit stärker an der Erziehungsarbeit beteiligen
und dafür ihre Arbeitszeit reduzieren. Eine Elternzeit für Väter
trägt also zu einer etwas ausgeglicheneren Arbeitsteilung bei.
Doch die meisten der Väter unterbrechen ihren Job nur kurz für
die Kindererziehung, und zwei Drittel der Väter nehmen nach
wie vor keine Elternzeit.
Einerseits ist dies finanziell begründet. Weil Frauen immer
noch weniger verdienen als Männer, meinen viele Väter, sich
eine Elternzeit nicht leisten zu können. Damit wird der Lohnab-
stand mit der Zeit aber gerade noch größer. Andererseits be-
fürchten die Väter negative Sanktionen durch den Arbeitgeber,
wenn sie Elternzeit nehmen. Hier sind also die Unternehmen
gefragt, das Familienengagement von Vätern besser zu unter-
stützen. Dies gilt auch über die Elternzeit hinaus, denn eine
Anwesenheitskultur mit langen Arbeitszeiten erschwert es
Vätern, sich Zeit für ihre Familie zu nehmen. In vielen Unter-
nehmen richten sich Angebote zur Vereinbarkeit von Familie
und Beruf aber immer noch vor allem an Frauen, sodass Väter
sich davon nicht angesprochen fühlen.
PERSONALquarterly:
Wie stark reagieren Unternehmen – jenseits
wortreicher Imagepolitur – auf das Bedürfnis, neben der Arbeit
noch andere Interessen zu haben?
Allmendinger:
Unternehmen nehmen ihre Rolle bei der Ver-
einbarkeit von Beruf und Familie nicht ernst genug. Die Ent-
wicklung stagniert. So empfinden es jedenfalls die meisten
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nach wie vor mangelt
es insbesondere an Familienfreundlichkeit. Vorbilder in den
Führungsetagen fehlen, sodass viele Mitarbeiter Angst vor
beruflichen Nachteilen haben, sobald sie sich für eine Famili-
enzeit entscheiden. Betriebe müssen umdenken und konkrete
Maßnahmen anbieten, beispielsweise verstärkt auf Teamarbeit
setzen, die temporäre Abwesenheiten leichter auffängt, oder
Führung in hoher Teilzeit oder im Team ermöglichen.
PERSONALquarterly:
Sie plädieren für eine Vollzeit von 32 Stunden.
Ist das auch für Führungskräfte ein Ziel?
Allmendinger:
Es geht nicht darum, Mitarbeiter oder Manager mit
einem Arbeitsvertrag auf 32 Wochenstunden festzulegen. Die-
ser Zeitrahmen für bezahlte Arbeit ist ein gutes Volumen, wenn
man den Beruf über den ganzen Lebensverlauf hinweg bemisst.
Ich plädiere für flexible Lösungen und zwar für alle. Und ich
bin zutiefst überzeugt, dass das in der Wissenschaft wie im
Management, im Büro wie am Band funktionieren kann, wenn
es gewollt wird. Bei jedemMenschen gibt es Lebensabschnitte,
in denen man die meiste Zeit und Kraft in den Beruf stecken
kann und will, und es gibt andere Phasen, in den Kinder klein
sind, Eltern gepflegt werden oder auch die eigene Weiterbil-
dung in den Mittelpunkt rückt. Ich spreche von bezahlter und
nicht bezahlter Arbeit – und für beides muss es Zeit geben. Das
geht bis zum Einstieg in die Rente. Auch da bin ich für eine
Flexibilisierung und gegen rigide Alterseinstiege.
PERSONALquarterly:
Verändern sich die Rechtsgrundlagen schnell
genug, um für Männer wie Frauen die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie besser zu gestalten? Wo fehlt es? Braucht es das
Ende des Ehegatten-Splittings?
Allmendinger:
Mit dem gegenwärtigen rechtlichen Rahmen kom-
men wir schon weit, wenn wir ihn voll ausschöpfen. Nur bei
der Pflege hapert es noch deutlich. Ich denke, wir müssen eher
bei den kulturellen Entwicklungen ansetzen, etwa Stereoty-