Seite 7 - PERSONALquarterly_2015_01

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PERSONALquarterly:
Wie unterstützen oder behindern neue Kom-
munikationstechnologien und Social Communities die Work-
Life-Balance?
Allmendinger:
Ich würde die neuen Kommunikationstechnolo-
gien nicht verteufeln. Sie erhöhen unsere Handlungsoptionen.
Vieles kann man von zu Hause aus erledigen, zumindest in
einigen Jobs. Und gehört die persönliche Anwesenheit im Be-
trieb zum Job dazu, kann man dennoch mit der Familie Kon-
takt halten, hier und da einen Rat oder Unterstützung geben.
Wege lassen sich verkürzen, so kann man Auslandsreisen oft
durch Videokonferenzen ersetzen, das spart Zeit und ist zudem
umweltfreundlich. Das ist schon eine tolle Entwicklung. Glei-
chermaßen sehe ich natürlich auch Gefahren. Wenn die neuen
Kommunikationstechnologien bedeuten, ständig verfügbar sein
zu müssen, so ist das ein gefährlicher Weg. Wir müssen den
Umgang mit den neuen Medien schulen, uns dazu erziehen,
sie für unsere Zwecke einzusetzen. Die Arbeitgeber müssen ih-
rerseits klar kommunizieren, welche Arbeitsergebnisse sie von
Mitarbeitern erwarten, anstatt nur auf abgeleis­tete Stunden zu
achten. Sind diese Voraussetzungen gegeben, erscheinen mir ri-
gide Regelungen wenig sinnvoll, so auch ein generelles Verbot,
am Wochenende E-Mails zu senden oder zu empfangen. Wenn
es für den Einzelnen besser passt, auch mal amWochenende zu
arbeiten und dafür einen Nachmittag unter der Woche für die
Familie frei zu haben, sollte man das nicht verbieten.
PERSONALquarterly:
Sie untersuchen die Lebensentwürfe junger
Menschen. Stimmen die Vorurteile, dass bei ihnen Spaß groß-
geschrieben wird? Und wo bleiben Ehrgeiz und Leistungswille?
Hat die Generation Y ein anderes Verständnis von Work-Life-
Balance?
Allmendinger:
Ich habe die jungen Frauen und Männer über ei-
nen langen Zeitraum begleitet und sie im Abstand von einigen
Jahren dreimal zu ihren Lebensentwürfen befragt. Eine Spaß-
generation habe ich nicht gefunden. Im Gegenteil. Die jungen
Menschen setzen sich konkrete Ziele und sind bereit, dafür zu
arbeiten. Ein guter Job ist ihnen wichtig, denn sie wollen finan-
ziell auf eigenen Beinen stehen. Frauen wie Männer. Viele von
ihnen wollen in ihrem Job vorankommen, sich eine Karriere
aufbauen. Deshalb planen sie ihre berufliche Zukunft genau.
PROF. JUTTA ALLMENDINGER PH.D.
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung WZB
E-Mail:
Die Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger machte ihr Diplom
in Mannheim und studierte dann im amerikanischen Wisconsin So-
ziologie und Volkswirtschaft. Sie erlangte an der Harvard University
den M.A. und schloss dort 1989 in Sozialwissenschaften mit dem
Ph. D. ab. Es folgte 1993 die Habilitation mit der Lehrberechtigung
für Soziologie an der Freien Universität Berlin. Als wissenschaftliche
Mitarbeiterin, Research Assistent und Fellow verband die Jungwis-
senschaftlerin Forschung und Lehre. 1992 wurde die Soziologin an
die Ludwig-Maximilians-Universität München berufen. Von ihren
Lehrstuhlverpflichtungen ließ sie sich 2003 beurlauben und wech-
selte als Direktorin ans Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
IAB nach Nürnberg. Seit 2007 ist Jutta Allmendinger Präsidentin des
Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung WZB und zugleich
Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der
Humboldt-Universität zu Berlin. 2012 übernahm sie die Honorarpro-
fessur für Soziologie an der Freien Universität Berlin. Die Professorin,
Mutter eines erwachsenen Sohnes, forscht zu sozialer Ungleichheit,
Bildungssoziologie und zur Soziologie des Lebensverlaufs. Seit 2014
ist sie Mitglied in der High Level Group Research, Innovation and
Science Policy Experts (RISE) der Europäischen Kommission und Vor-
sitzende des Beraterkreises „Bildung als nationale Aufgabe“ des nie-
dersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Die jüngste ihrer
zahlreichen Auszeichnungen ist die Ehrendoktorwürde der finnischen
Universität Tampere.
© WZB / DAVID AUSSERHOFER