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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 01 / 15
I
n Deutschland ist es, nach Angaben des World Manage-
ment Survey, cirka 45% der Angestellten erlaubt, ihre
Arbeit von zu Hause zu erledigen. Dieser Anteil ist in
den letzten Jahren deutlich angestiegen. Allerdings beste-
hen immer noch Zweifel an der Wirksamkeit des sogenannten
„Home Office“, sodass ein beträchtlicher Anteil von Führungs-
kräften die Möglichkeit der Mitarbeiter, von zu Hause aus zu
arbeiten, mittlerweile auch als „shirking from home“ bezeich-
net. Das soll bedeuten, dass viele Mitarbeiter die Möglichkeit
des „Home Office“ nutzen, um weniger zu leisten.
In einer Studie bei einem chinesischen Reiseunternehmen,
vergleichbar mit z.B. Expedia, untersuchten die Forscher die
Wirkungen und Folgen der Heimarbeit in einem bislang ein-
zigartigen Experiment. Das Unternehmen wählte zufällig Mit-
arbeiter des Call Centers der Firma aus, die für einen Zeitraum
von neun Monaten ihre Arbeit an vier von fünf Tagen von zu
Hause aus erledigen mussten. Das Unternehmen stellte für
diesen Zweck für jeden Mitarbeiter, der ausgewählt wurde,
einen speziellen Arbeitsrechner zur Verfügung, den das Un-
ternehmen installieren ließ.
Die Ergebnisse sind beeindruckend. Die Leistung der Mit-
arbeiter, denen es erlaubt war, von zu Hause aus zu arbeiten,
stieg um 13% an. Dieser Anstieg speist sich aus zwei Quel-
len: Erstens befanden sich die Mitarbeiter zu Hause länger am
Telefon mit jedem einzelnen Kunden. Mitarbeiter zu Hause
nahmen weniger Pausen und Urlaubstage und waren seltener
krank als ihre Kollegen im Büro. Zweitens konnten die Mitar-
beiter auch mehr Kunden bearbeiten als die Mitarbeiter, die
in der Firmenzentrale arbeiten mussten. Die Mitarbeiter im
„Home Office“ berichteten in Interviews nach dem Experiment
davon, dass sie ruhiger arbeiten und Pausen effizienter und
schneller wahrnehmen konnten. Außerdem berichteten sie
über eine signifikant höhere Arbeitszufriedenheit als die Kol-
legen. Aufgrund dieser Ergebnisse entschloss sich die Firma
nach dem Experiment, es allen Mitarbeitern des Call Centers
freizustellen, ob sie von zu Hause aus oder im Büro arbeiten.
Eine interessante Beobachtung machten die Forscher, nach-
dem das Experiment abgeschlossen war. 50% der Heimarbeiter
kehrten wieder ins Büro zurück und nur ein kleiner Teil derer,
die nicht zufällig ausgewählt wurden, entschlossen sich, von zu
Hause aus zu arbeiten. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig.
Vom positiven Effekt des
„Home Office“
Nicholas Bloom
,
James Liang
,
John Roberts
and
Zhichun Jenny
Ying
,
Uri Gneezy
and
George Lowenstein
: „Does Working from
Home Work? Evidence from a Chinese Experiment.“ Quarterly
Journal of Economics, 130(1), forthcoming.
In Befragungen fanden die Forscher heraus, dass ein Großteil
der Rückkehrer sich zu Hause zu alleine fühlt und Nachteile
bei zukünftigen Beförderungen fürchtet. Übrigens: Nach dem
Experiment hat sich die Firma entschlossen, für den gesam­
ten Bereich des Unternehmens die „Home Office“-Möglichkeit
anzubieten.
Besprochen von
Rainer Michael Rilke
, Seminar für ABWL, Unter-
nehmensentwicklung und Wirtschaftsethik, Universität zu Köln
U
m den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen,
bedarf es einer gewissen Risikobereitschaft. Darauf
weisen metaanalytische Befunde hin. Allerdings ist
bisher unklar, wie dieser Zusammenhang zustan-
de kommt. Wagen risikofreudige Personen sich eher in die
Selbstständigkeit? Und wie wirkt sich Risikobereitschaft in der
Selbstständigkeit aus? Möglicherweise besteht hier ab einem be-
stimmten Maß „Zu viel des Guten“, sodass Risikobereitschaft
eher schadet als nützt.
Um diesen Fragen nachzugehen, haben Nieß und Biemann Da-
ten aus dem deutschen sozioökonomischen Panel (SOEP) für die
Jahre 2004 bis 2010 ausgewertet. Dieser Fragebogen erfasst, ob
Personen selbstständig oder angestellt sind und enthält u.a. auch
Fragen zur individuellen Risikobereitschaft in unterschiedlichen
Lebensbereichen (z.B. Gesundheit, Finanzen etc.). 141 Personen
entschieden sich erstmals für die Selbstständigkeit (imVergleich
zu 4275 befragten Personen im Angestelltenverhältnis); 524 Per-
sonen waren erfolgreich selbstständig und 160 Personen muss-
ten die Selbstständigkeit aus finanziellenGründen aufgeben. Wie
erwartet entschieden sich risikofreudige Personen eher für die
Selbstständigkeit. Zwischen der individuellen Risikobereitschaft
und dem Erfolg bzw. „Überleben“ in der Selbstständigkeit zeigen
die Ergebnisse einen umgekehrt u-förmigen Zusammenhang auf:
Eine sehr geringe oder sehr hohe Risikobereitschaft war schäd-
lich, während sich ein „gesundes Mittelmaß“ an Risikobereit-
schaft positiv auf den Erfolg auswirkte. Für die Praxis ergeben
sich Hinweise für Karriereberatung und Coaching. Karrierebera-
ter sollten ein besonderes Augenmerk auf die individuelle Risiko-
bereitschaft legen, wenn eine Person mit dem Gedanken an die
Selbstständigkeit und die
Rolle der Risikobereitschaft
Christiane Nieß
(Universität zu Köln) &
Torsten Biemann
(Univer-
sität Mannheim): „The role of risk propensity in predicting self-em-
ployment.“ Journal of Applied Psychology, 99 (2014), 1000-1009.