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NEUE FORSCHUNG
_INTRAPRENEURSHIP
EXIST-Gründungskultur das Ziel verfolgt, eine nachhaltige
Gründungskultur an ausgewählten deutschen Hochschulen
zu etablieren.
Die Daten wurden ausschließlich im Umfeld der Uni-
versität Potsdam und den angrenzenden Forschungsein-
richtungen gewonnen. Die Universität Potsdam wird seit
dem Jahr 2010 im Programm EXIST-IV-Gründungskultur
durch das Bundesministerium für Wirtschaft und En-
ergie gefördert. In verschiedenen Hochschulrankings
zur Gründungsfreundlichkeit erreichte sie regelmäßig
überdurchschnittliche Bewertungen (vgl. Schmude et al.
2009).
Empirischer Forschungskontext II: Die Personengruppe
Zweitens sind die Befragten ohne Ausnahme Naturwis-
senschaftler. Dieser Personengruppe werden charakteris
tische Merkmale unterstellt. Im Allgemeinen besitzen
Wissenschaftler im Durchschnitt ein sehr ausgeprägtes
Pf lichtgefühl sowie Gewissenhaftigkeit, Leistungsbereit-
schaft und den Wunsch nach Ordnung (Feist, 2006). Der
naturwissenschaftliche Gründer differenziert sich durch
seine ehrgeizigere, neugierigere, kreativere, analytischere,
introvertiertere und risikoscheuere Persönlichkeit (Sass,
2011, S. 90). Sass (2011, S. 167-204) identifiziert in seiner
empirischen Studie verschiedene naturwissenschaftliche
Grundertypen (Existenzsicherer, Systemausbrecher, Un-
abhängigkeitsstreber, Herausforderungssuchender, Exper-
tisenutzer, Fähigkeitserweiterer), wobei vor allem deren
Motivation die Gründungsaktivitäten aufzunehmen im
Mittelpunkt seiner Analyse steht. So ist beispielsweise der
Existenzsicherer in erster Linie durch seine empfundene
Unzufriedenheit mit seiner Arbeitssituation an der Hoch-
schule gekennzeichnet. Ein typischer Auslöser für diese
Unzufriedenheit ist etwa die kontinuierliche Verlängerung
seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses mit Ver-
tragslaufzeiten von oftmals weniger als zwölf Monaten.
Dieses Vorgehen des Arbeitgebers kann normalerweise
in einem sogenannten Kettenvertrag resultieren, dessen
Rechtsbestand zweifelhaft ist. Für wissenschaftliches Per-
sonal an Hochschulen ist dieses Vorgehen durch das Wis-
senschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) gedeckt.
Eng verwandt mit dem Existenzsicherer ist der Systemaus-
brecher, der nicht unbedingt aus einem unbefriedigenden
Arbeitsverhältnis ausbrechen möchte, sondern vielmehr das
gesamte akademische System hinter sich lassen möchte. Die
Unabhängigkeitsstreber und die Herausforderungssucher
können aus einer Motivationsperspektive vor allem durch
das Bedürfnis nach persönlicher Veränderung charakterisiert
werden. Für den Expertisenutzer steht im Vordergrund, dass
er keine Möglichkeit sieht, seine über einen langen Zeitraum
entwickelten Fähigkeiten im bestehenden Hochschulkontext
umzusetzen. Mit einer Unternehmensgründung hofft er, die-
se Chance zu erhalten. Der Fähigkeitserweiterer möchte vor
allem herausfinden, ob er im Wirtschaftsumfeld bestehen
kann, was nicht zwangsläufig bedeutet, dass er die Hochschu-
le verlassen möchte.
Ergebnisse
In der folgenden Darstellung der Ergebnisse wird explizit
zwischen den verschiedenen Statusgruppen unterschieden,
da hier aufgrund der unterschiedlichen, individuellen Per-
spektiven und Situationen mit differierenden Ergebnissen zu
rechnen ist. Des Weiteren kann den Postdocs und Arbeitsgrup-
penleitern aufgrund ihrer Führungspositionen, analog zum
mittleren Management im Unternehmenskontext, ein hoher
unmittelbarer Einfluss auf die Gründungskultur zugesprochen
werden.
Alle Interviewten waren sich ohne Ausnahme einig, dass der
Wissenstransfer ihrer Erkenntnisse in die Gesellschaft wichtig
bis sehr wichtig sei.
Diametral entgegengesetzte Resultate wurden erzielt, als an-
schließend nach dem Gründungsinteresse gefragt wurde. 59%
der Promotionsstudenten und 30% der Arbeitsgruppenleiter
verneinten, je über eine Unternehmensgründung nachgedacht
zu haben. Das durchschnittliche individuelle Interesse an einer
Gründung liegt mit dem Durchschnittswert von 2,2 (Likert
Skala: 1= absolut kein Interesse bis 5 = großes Interesse) im
Rahmen der verhaltenen Erwartungen. Hier muss explizit
berücksichtigt werden, dass Naturwissenschaftler insgesamt
risikoscheuer als der Durchschnitt der Bevölkerung sind und
folglich ein geringeres Interesse an einer Unternehmensgrün-
dung aufweisen.
Wahrnehmung von Fördermöglichkeiten und Promotoren
88% der Promotionsstudenten und 90% der Arbeitsgruppen-
leiter und alle Postdocs waren der Überzeugung, dass För-
der- und Unterstutzungsprogramme fur Spin-offs angeboten
werden. 46% der Promotionsstudenten, 25% der Postdocs und
50% der Arbeitsgruppenleiter konnten jedoch keine einzige
Einrichtung bzw. kein Programm zur Förderung nennen. Die
meistgenannte Einrichtung, die mit der Unterstützung für
Spin-offs in Verbindung gebracht und genannt wurde, war die
Technologietransfer-GmbH der Universität Potsdam, die von
46% der Promotionsstudenten und 20% der Arbeitsgruppenlei-
ter benannt wurde.
In den durchgeführten Interviews mit den Arbeitsgruppen-
leitern haben 40% von Spin-offs am eigenen Institut gehört
und wären potenziell in der Lage, grundungsinteressierte Stu-
denten, Doktoranden oder Mitarbeiter an Grundungserfahrene
weiterzuvermitteln. Aus der Perspektive der Promotionsstu-
denten und der Arbeitsgruppenleiter werden zwar durchaus
Grundungsvorbilder wahrgenommen, jedoch ist die Durchdrin-