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PERSONALquarterly 01 / 15
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NEUE FORSCHUNG
_INTERIM MANAGER
I
nterimManagement ist der zeitlich befristete Einsatz einer
externen Führungskraft in einem Unternehmen zu unter-
schiedlichen Zwecken (Ribbert, 1995, S. 43). Die Tätigkeit
als Interim Manager ist nicht berufsständisch geregelt,
ein einheitliches Berufsbild existiert nicht. Seit etlichen Jahren
nimmt die Zahl selbstständiger Interim Manager kontinuier-
lich zu, auch die Wissenschaft beschäftigt sich zunehmend
mit dem Phänomen (Kabst et al., 2010). Die fehlende Regulie-
rung des Marktes, auf dem Informationen über die Qualität der
Dienstleistungen kaum vorhanden sind, erleichtert es wenig
qualifizierten Managern, „Interim Management“ als Dienst-
leistung anzubieten. Zudem agieren Zeitarbeitsunternehmen,
Senior Expert Services, Investmentbanken, Wirtschaftsprü-
fungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsgesellschaften etc.
als neue Konkurrenten auf dem Markt. Neben diesen Entwick-
lungen ist der Interim Manager ständig im Stand-by-Modus,
hat hohen Leistungsdruck und muss mit einer hohen Erwar-
tungshaltung an die eigene Person umgehen. Ferner führt die
latente Gefahr von Vertragsauflösungen zu einem generellen
Beschäftigungsrisiko und zu unausgewogener Auslastung, wo-
bei das größte Karriererisiko unter Gefährdung der eigenen
Reputation gerade wegen ausdrücklicher Übernahme einer
Verantwortung für Umsetzungsfolgen droht (Johner-Glamsch,
2004, S. 51ff.). Im Ergebnis kennzeichnen die genannten Fak-
toren das Geschäftsmodell „Selbstständiger Interim Manager“
somit zutreffend als instabile und prekäre Erwerbsform, wenn
auch auf hohem Niveau (Guest et al., 2006, S. 107ff.). Um in
einem solchen instabilen Geschäftsmodell langfristig beschäf-
tigungsfähig zu bleiben, ist eine strategischere und langfristig
orientiertere Positionierung notwendig.
Es stellt sich daher für den einzelnen Interim Manager die
Frage, wie er seine Beschäftigungsfähigkeit aufrechterhält und
ausbaut, um gegebenenfalls neue Märkte erschließen zu kön-
nen und sich von der zunehmenden Zahl der Wettbewerber zu
distanzieren. Interessant ist diese Fragestellung in zweierlei
Hinsicht: Zum einen gibt sie Einblick in die zunehmend ty-
pischer werdende Dienstleistungsform „InterimManagement“.
Zum anderen wirft sie das Licht auf ein bekanntes Defizit des
institutionellen Personalmanagements in Unternehmen, das
sich im Regelfall nicht um Interim Manager und ähnlich fle-
Beschäftigungsfähigkeit und
Personalmanagement für Interim Manager
Von
Dr.
Thomas Decker
(Hochschule Neuss für Internationale Wirtschaft) und
Prof. Dr. Stephan Kaiser
(Universität der Bundeswehr München)
xible, moderne Beschäftigungsformen bemüht. Ziel dieses
Beitrags ist es deshalb auch, auf Basis der Befunde konkrete
Implikationen für das Personalmanagement abzuleiten.
Methodik
Die Befunde des vorliegenden Beitrags beruhen auf einer the-
oretisch-konzeptionellen Untersuchung und einer empirischen
Überprüfung der entwickelten Konzepte durch Expertenin-
terviews. Es wurde ein konzeptioneller Bezugsrahmen entwi-
ckelt, der durch Daten aus qualitativen Interviews validiert
wurde und praktische Gestaltungsempfehlungen zulässt. Die
Experteninterviews wurden als problemzentrierte Interviews
geführt. Dies erschien zweckmäßig, da der Forschungsthese
inhärente Fiktionen und Prämissen bereits vorab existierten.
Die Erhebungsphase gestaltete sich iterativ, das heißt entlang
einer nicht im Voraus festgelegten Zahl an Experteninterviews.
Während dieser Phase kristallisierte sich heraus, dass eine
hinreichende Sättigung zur Plausibilisierung der theoretischen
Ansätze nach 20 Interviews erreicht war. Für eine umfassende
Auswertung wurden dabei alle Interviews auf Tonband aufge-
zeichnet und transkribiert. Die anschließende Auswertungs-
phase erfolgte analytisch und interpretativ, das heißt, dass
die wichtigsten Einschätzungen der Experten einzeln heraus-
gearbeitet sowie vergleichbare Gedanken verdichtet und ge-
wichtet wurden.
Die Daten wurden von Januar bis März 2011 erhoben
und bezogen sich auf drei zentrale Dimensionen eines vor-
ab konzipierten theoretischen Bezugsrahmens: Ressourcen,
Wettbewerbsfaktoren und variable Vergütungsmodelle. Der
Interviewleitfaden enthielt insgesamt neun Themenblöcke
mit offenen Einzelfragen und darüber hinaus sechs Katego-
rien dichotomer Begriffspaare zur Präzisierung häufig ge-
nutzter Fachtermini. Von den 20 Interviewpartnern waren
18 auf Geschäftsführungsebene tätig, das heißt, dass sie un-
ternehmerische Verantwortung für die von ihnen vertretene
Unternehmung trugen. Interviewt wurden sieben Interim-
Management-Provider, drei Interim Manager, zwei Verbands-
vertreter, zwei Fachbuchautoren, zwei Vergütungsberater, ein
Insolvenzverwalter, ein Restrukturierungs-, ein Marketing-
und ein Versicherungsexperte.