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PERSONALquarterly 01 / 15
SCHWERPUNKT
_WORK-LIFE-BALANCE
D
ie Flexibilisierung der Organisation, regelmäßig
begründet mit gestiegenem Wettbewerbsdruck
und gefordert aufgrund zunehmender Internati-
onalisierung, impliziert die Flexibilisierung der
Arbeits- und Lebenszeit der Beschäftigten (Sennett 2010).
Die Differenzierung von Beschäftigung jenseits des Normal-
arbeitsverhältnisses wird allerdings nicht nur in peripheren
Formen von Arbeit belastend wirksam (SOFI et al. 2005). Auch
im Kontext des Normalarbeitsverhältnisses induzieren flexible
Arbeitszeitmodelle Stress, insbesondere wenn betriebliche Fle-
xibilisierungsanforderungen mit Leistungsverdichtungen ein-
hergehen oder mit anderen Lebensbereichen kollidieren. Die
Erhöhung der Verfügbarkeit für den Betrieb kann Einschrän-
kungen des Soziallebens, verminderte Erholungsphasen und
Probleme wie Schlaflosigkeit zur Folge haben. Stress kann,
wenn er dauerhaft besteht, zu gesundheitlichen Störungen füh-
ren. Auf diese Problemlage reagierte Arbeitsministerin Andrea
Nahles kürzlich mit der Ankündigung, dass das BMAS an einer
Anti-Stress-Verordnung arbeitet, die Richtlinien zum Schutz
der Arbeitnehmer vor psychischer Belastung im Arbeitsleben
implementieren soll.
Rufbereitschaft –
Belastend trotz Formalisierung
Von
Prof. Dr. Wenzel Matiaske
(Helmut-Schmidt-Universität) und
Mandy Schult
(Helmut-Schmidt-Universität)
Eine bislang sowohl von der sozialwissenschaftlichen als
auch von der arbeitspsychologischen Forschung vernachlässig
te Flexibilisierungsform ist die Rufbereitschaft. Diese bietet
BetriebenMöglichkeiten, bei relativ geringen Kosten sowohl Si-
cherheits- und Instandhaltungserfordernisse zu gewährleisten
als auch rund um die Uhr auf Kundenwünsche zu reagieren
(Langhoff et al. 2006, S. 3). Zwar bietet die IuK-Technologie
in Verbindung mit einem hinreichenden psychologischen
Commitment vielfältige Möglichkeiten, Mitarbeiter perma-
nent in das betriebliche Geschehen zu involvieren. Jedoch sind
diese Formen der Verpflichtung in der Praxis nicht immer ver-
lässlich genug, beispielsweise im Zusammenhang von „high
reliable organizations“, und darüber hinaus sind informelle
Formen der Flexibilisierung der standardisierenden Sozialfor-
schung nur schwer zugänglich. Wenn sich allerdings in der for-
malisierten Form der Rufbereitschaft Hinweise auf belastende
Momente zeigen, sollte dies auch für die schwerer quantifizier-
baren Situationen informeller Verfügbarkeit gelten, lautet die
Leitannahme unserer Überlegungen.
Grundsätzlich bezeichnet Rufbereitschaft (engl. „on-call“ oder
„on-duty“) eine temporär befristete Arbeitstätigkeit. Allerdings
Abb. 1:
Effort-Reward-Imbalance nach Arbeitszeitform
Quelle: Eigene Darstellung
Effort-Reward-Imbalance
Vergleichsstichprobe
Effort-Reward-Imbalance
Rufbereitschaft
0,6
1
2,40
4,22
0,7
1
2,72
4,17