Seite 6 - PERSONALquarterly_2014_02

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 02 / 14
PERSONALquarterly:
Wie viel Zeit verwenden Sie in der Woche zum
Netzwerken?
Seidl:
Ich weiß, dass ich recht viel Zeit in den Aufbau und die
Pflege meines persönlichen Beziehungsnetzwerks investiere;
wie viel genau, kann ich aber so aus dem Kopf schlecht sagen.
Rein instrumentell betrachtet steht dem Aufwand, den ich be­
treibe, sicherlich kein entsprechender Ertrag gegenüber – aber
in der Regel denke ich beimNetzwerken nicht so instrumentell.
Ricken:
Für das Netzwerken um des Netzwerkens willen inves­
tiere ich eigentlich gar keine Zeit. Meine sozialen Beziehungen
ergeben sich vielmehr aus gemeinsamen persönlichen oder
fachlichen Interessen. Einige Beziehungen sind dabei im Sinne
von „starken Verbindungen“ über mehrere Jahre gewachsen,
bei anderen findet eher sporadischer Kontakt statt. Gerade
Letztere bringen aber oftmals Neuigkeiten, da sie vielfach in
entferntere Netzwerkregionen hineinreichen, in denen man
sonst nicht täglich „unterwegs“ ist.
PERSONALquarterly:
Wie würden Sie Ihr Netzwerk oder Ihre Netz-
werke beschreiben? Welche Merkmale kennzeichnen sie?
Ricken:
Ich würde hier nicht von „einem“ Netzwerk, sondern
je nach Beziehungsinhalt wie beispielsweise Familienbande,
Freundschaft, Arbeitsbeziehungen, Wissensaustausch oder
Kommunikation von vielen verschiedenen Netzwerken spre­
chen. Diese überschneiden sich natürlich teilweise. Für mich
persönlich ist wichtig, dass der richtige Mix zwischen diesen
Netzwerken stimmt und man sich bspw. nicht einseitig zweck­
orientiert auf die Pflege professioneller Beziehungen fokussiert.
Seidl:
Dem kann ich mich anschließen. Ich denke, jeder von uns
ist in unterschiedlichen Netzwerken aktiv, die man auch selbst
gedanklich klar differenziert.
PERSONALquarterly:
Was zeichnet einen guten Netzwerker aus?
Gibt es wichtige Aspekte, auf die man beim Netzwerken achten
muss?
Ricken:
Sicherlich nicht, dass er möglichst viele Visitenkarten
oder Social Network Kontakte sammelt. Vielmehr zeichnet sich
ein guter Netzwerker durch folgende Aspekte aus:
Erstens: Eine interessante Persönlichkeit, sei es sozialer oder
fachlicher Natur, mit der andere Personen gerne interagieren.
Netzwerke erhöhen die Effzienz
Das Interview mit
Prof. Dr. David Seidl
und
Dr. Boris Ricken
führte Prof. Dr. Simone Kauffeld (TU Braunschweig)
Zweitens: Er oder sie gibt erst und fordert nicht gleich Gefäl­
ligkeiten ein. Ein guter Netzwerker bringt vermutlich einen
gewissen Hang Altruismus mit und ist ehrlich an sozialen Be­
ziehungen interessiert, anstatt rein zweckoptimiert seinen ei­
genen Nutzen zu maximieren. Letzteres wird langfristig durch
andere Netzwerkteilnehmer nicht honoriert. Drittens, sie oder
er diversifiziert sein soziales Netzwerk. Schlussendlich ist die
Umwelt äußerst dynamisch und die Zukunft nicht vorherseh­
bar. Ein tolles Netzwerk von heute kann morgen wertlos sein.
Insofern sollte man auch bei der Auswahl seiner Kontakte nicht
rein instrumentell vorgehen. Gerade Beziehungen in Bereiche,
in denen man vielleicht nicht unmittelbar tätig ist, können ir­
gendwann einmal relevant werden. Beispielsweise investieren
einige Manager fast ausschließlich in das unternehmensinter­
ne Netzwerk. Solche Kontakte sind aber oftmals hochredun­
dant. Zudem ist im Falle eines Firmenwechsels ein solches
Netzwerk auf einen Schlag entwertet.
PERSONALquarterly:
Welchen Unterschied gibt es zwischen Netzwer-
ken und dem reinen Aufbau von einer Vielzahl an Kontakten?
Seidl:
Hier ist zu unterscheiden, welcher Beziehungsinhalt dem
Netzwerk zugrunde liegt und wie sich die Intensität und Qua­
lität dieser Beziehung gestaltet. Zu vielen Kontakten unter­
halten wir lediglich relativ lose Beziehungen kommunikativer
Natur. Für den Austausch von Informationen und damit die
Komplexitätsbewältigung können diese sehr hilfreich sein,
insbesondere, weil sie oftmals auch in entlegene „Netzwerk­
regionen“ hineinreichen, nicht-redundant sind und wenig Zeit
und Ressourcen binden. Ein enger Austausch, eine vertrau­
ensvolle Zusammenarbeit oder auch der Transfer von Wissen
setzt hingegen starke und enge Beziehungen voraus. Aufgrund
beschränkter Zeit und Ressourcen lassen sich solche natürlich
nur in begrenzter Anzahl unterhalten.
PERSONALquarterly:
Der Aufbau und die Pflege von Beziehungs-
geflechten haben in der modernen, schnelllebigen Gesellschaft
enorm an Bedeutung gewonnen. Warum war es für den Einzel-
nen noch nie so wichtig wie heute, gut vernetzt zu sein?
Seidl:
Was sich diesbezüglich verändert hat, sind meines Er­
achtens vor allem zwei Aspekte. Erstens: Die Wahrnehmung,