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PERSONALquarterly 02 / 14
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STATE OF THE ART
_MENTORING
D
er Begriff des Mentors geht auf die griechische My-
thologie zurück und leitet sich aus der Beziehung
zwischen Mentor, einem Freund des Odysseus, und
dem jüngeren Telemachos ab. Odysseus zog in den
trojanischen Krieg und benötigte jemanden, der während sei-
ner Irrfahrten seinen Sohn beschützte und erzog.
Heute gibt es in fast allen größeren Unternehmen Mentoren,
die sich um ihre Mentees (auch Protégés genannt) kümmern.
Bei diesem Mentoring soll vor allem – ähnlich wie schon da-
mals – der Mentee durch die persönliche Beziehung zu dem
erfahreneren Mentor Unterstützung bei der eigenen Entwick-
lung finden. Zudem könnte auch der Mentor von der Beziehung
profitieren, beispielsweise, indem dieser über die Mentees Al-
lierte im Unternehmen aufbauen kann oder neue Führungs-
qualitäten entwickelt.
Mentoringprogramme sind sowohl bei Teilnehmern als auch
bei Personalverantwortlichen beliebt und ihnen wird mithin
ein immenser Nutzen für die Karriere- und Personalentwick-
lung zugeschrieben. In einer Befragung weiblicher Topmana-
ger in den USA gaben schon Ende der 1990er-Jahre 91 % der
Befragten an, einen Mentor gehabt zu haben und 81 % schrei-
ben diesem die entscheidende oder zumindest eine erfolgskri-
tische Funktion für den eigenen Karriereerfolg zu: „Mentoring
is mandatory“ folgert das Autorenteam um Belle R. Raggins
(1998, S. 32). Zudem verursacht das Instrument im Vergleich
zu klassischenWeiterbildungsmaßnahmen geringere (direkte)
Kosten und ihm werden positive Nebeneffekte, z. B. bezüglich
der Organisationsentwicklung und der Entwicklung der Men-
toren zugesprochen: „Wenn man Aufwand und Ertrag betrach-
tet, ist das Verhältnis unschlagbar“, wird Michel Gastreich von
der E-Plus Gruppe zitiert (Pauleweit, 2012, S. 25).
Während die grundlegende Idee des Mentoring einleuch-
tend klingt, bleibt trotzdem die Frage, ob und unter welchen
Umständen sich für ein Unternehmen die systematische Um-
setzung dieser Idee lohnt, sich also in der Summe ein Mehr-
wert nicht nur für Mentor und Mentee, sondern auch für das
Unternehmen ergibt.
Im Folgenden möchten wir deshalb nach einer kurzen Be-
griffsabklärung und Abgrenzung zu verwandten Konzepten
einen Überblick zum Stand der Forschung geben und dabei
Mentoring kann sowohl dem Mentee wie auch dem Unternehmen nützen. Die posi-
tiven Folgen von Mentoring sind aber nicht groß und daher kein Garant für Karrieren.
Von
Prof. Dr. Torsten Biemann
(Universität Mannheim) und
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(FOM Bonn)
insbesondere der Frage nachgehen, ob und wie groß der Effekt
von Mentoringprogrammen ist. Anschließend diskutieren wir
Rahmenbedingungen, die einen Einfluss auf den Erfolg von
Mentoring haben können.
Mentoring-Funktionen und Einsatzbereiche
Mentoring ist gekennzeichnet durch eine Beziehung zwischen
einer erfahrenen und einer weniger erfahrenen Person mit
dem Ziel, dem weniger erfahrenen Mentee Hilfestellung und
Unterstützung zu liefern, sich im jeweiligen Kontext (z. B.
Arbeit oder Studium) besser zurechtzufinden und Lernerfah-
rungen zu ermöglichen. Auch wenn Mentoring in verschie-
densten Bereichen Verwendung findet, beschränken wir uns
im Folgenden auf das Mentoring in Unternehmen („Business-
Mentoring“) und klammern andere Bereiche wie z. B. Mento-
ring in Schulen oder an Universitäten aus. In Unternehmen
sind die Mentees in der Regel Berufsanfänger oder Nachwuchs-
führungskräfte, die Mentoren dagegen erfahrenere Mitarbeiter
aus einer höheren Hierarchieebene.
Das Mentoring erfüllt für den Mentee vor allem zwei Funkti-
onen. Erstens sollen sich positive Auswirkungen auf die eigene
Karriere ergeben, zweitens kann der Mentor eine psychosozi-
ale Unterstützung liefern. Bei Letzterem steht im Vordergrund,
dass durch die Mentoren-Mentee-Beziehung die Wahrneh-
mung des Mentees hinsichtlich seiner Kompetenz, Identität
und Effektivität in der Arbeitsrolle gestärkt wird. Diese Unter-
stützung kann beispielsweise durch ein positives Rollenmodell
des Mentors oder ein freundschaftliches Verhältnis gefördert
werden.
Das Mentoring ist somit weniger auf die Ausbildung spezi-
fischer Kompetenzen ausgelegt, als es die meisten Trainings-
oder Entwicklungsprogramme sind, die in der Personalarbeit
Verwendung finden.
Welche Evidenz gibt es für die Wirkung von Mentoring?
Die Wirkung des Mentoring auf die Karriere der Mentees wurde
von Allen und Kollegen (2004) in einer Meta-Analyse unter-
sucht, welche die Ergebnisse von 43 bis dahin publizierten
Studien zusammenfasst. Verglichen werden Karriereverläufe
und Einschätzungen von Beschäftigten, die an einem Mento-
Mentoring: Wann nützt es und wem nützt es?