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PERSONALquarterly 02 / 14
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NEUE FORSCHUNG
_FÜHRUNG
D
ie transformationale Führung ist das in der Forschung
und Praxis mit amhäufigsten untersuchte und verwen­
dete Führungsmodell. Transformationale Führungs­
kräfte verändern langfristig die Werte und Motive der
Geführten dadurch, dass sie eine überzeugende gemeinsame
Vision vorgeben, als Vorbild wahrgenommen werden, zu neuen
Ideen und zur Reflexion anregen sowie die Entwicklung des
einzelnen Mitarbeiters voranbringen (Bass, 1985; Felfe, 2006).
Damit unterstützt diese Führungsform nachhaltige überge­
ordnete Ziele, die imGegensatz stehen zu rein individuellen Ziel­
vereinbarungen zwischen Führungskraft und Geführten, wie sie
durch die sogenannte transaktionale Führung gefördert werden.
Mehrere Hundert Studien in den vergangenen 20 Jahren haben
gezeigt, dass sich transformationale Führung scheinbar positiv
auf die Leistungsfähigkeit von Individuen, Arbeitsgruppen und
auch ganzen Unternehmen auswirkt (vgl. Wang/Oh/Courtright/
Colbert, 2011).
Dies hat dazu geführt, dass das Training von transforma­
tionalem Führungsverhalten ein fester Bestandteil von Füh­
rungskräfteentwicklungsprogrammen in vielen Unternehmen
geworden ist.
In letzter Zeit gibt es allerdings in der Führungsforschung
verstärkt Stimmen, die die einseitig positive Wirkung von
transformationaler Führung anzweifeln. Besonders wird der
zu breite Inhalt des transformationalen Führungskonstrukts,
Von
Prof. Dr. Florian Kunze
(Universität St. Gallen) und
Prof. Dr. Simon Barend de Jong
(University of Bath)
Transformationale Führung:
Empathie kann Gruppenleistung gefährden
das aus bis zu sechs verschiedenen Unterdimensionen besteht
(Individuelle Beachtung und Förderung der Mitarbeiter, Intel­
lektuelle Anregung der Mitarbeiter, Vorbildhandeln der Füh­
rungskraft, Höchste Leistungserwartung an die Mitarbeiter,
Formulieren und Verbreiten einer kollektiven Vision, das Ver­
breiten und Fördern von kollektiven Zielen), kritisiert.
Diese Unterdimensionen werden fast nie auf ihre separate
Wirkung getestet und zumeist unreflektiert zu einer übergeord­
neten Führungsvariable zusammengefasst (Van Knippenberg/
Sitkin, 2013). Insbesondere hat sich im Zuge dieser Diskus­
sion in den letzen Jahren ein Forschungsstrang entwickelt,
der zwischen „individuellen“ Dimensionen und „kollektiven“
Dimensionen von transformationaler Führung unterscheidet
und der negative und positive empirische Effekte dieser ver­
schiedenen Dimensionen auf Gruppen und Unternehmens­
ebene untersucht.
Ziel dieses Artikels ist es, die aktuelle Forschung in die­
sem Bereich anhand zweier aktueller Studien (Kunze/De Jong/
Bruch, 2013; Wu/Tsui/Kinicki, 2010) zu beschreiben und da­
raus zentrale Implikationen für Führungskräfte in Unterneh­
men abzuleiten.
Individuelle und kollektive transformationale Führung
Die Idee, dass es zwei unterschiedliche Subdimensionen von
transformationaler Führung geben könnte, geht auf einen the­
Quelle: Kunze/De Jong/Bruch, 2013
Abb. 1:
Dimensionen der individuell- und kollektiv-orientierten transformationalen Führung
Individuell-orientierte Dimensionen von
transformationaler Führung
Kollektiv-orientierte Dimensionen von
transformationaler Führung
Individuelle Beachtung und Förderung
Formulieren und Verbreiten einer kollektiven Vision
Individuelle intellektuelle Stimulation
Verbreiten und Fördern von kollektiven Zielen