Seite 30 - PERSONALquarterly_2014_02

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PERSONALquarterly 02 / 14
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SCHWERPUNKT
_NETZWERKEN
I
n der heutigen Wissensgesellschaft spielt projektbasierte
Arbeit eine große Rolle, die in Zukunft weiter wachsen
wird. Teams arbeiten oft ortsunabhängig und über meh-
rere Zeitzonen hinweg. Mobile und flexible Arbeitsformen
werden dadurch immer wichtiger.
Für Unternehmen ergeben sich daraus neue Herausforde-
rungen, zum Beispiel Teams schnell und bedarfsgerecht zu-
sammenzustellen und Kooperationsfähigkeit zu gewährleisten.
Die neuen Arbeitsformen stellen zudem hohe Anforderungen
an die Mitarbeiter, die immer häufiger die Aufgabe haben, ei-
gene Projekte zu definieren, diese gemeinsam mit anderen
zu lancieren und in hoher Eigenverantwortung zu bearbeiten.
Künftig werden Mitarbeiter noch stärker gefordert sein, sich
flexibel zwischen Arbeitskontexten zu bewegen; besonders bei
Projekten in der Forschung und Entwicklung, wo es darum
geht, sich schnell wandelnden Marktbedingungen anzupassen.
Informellen Netzwerken zwischen Funktionen, Bereichen oder
Standorten kommt hier eine besonders große Bedeutung zu.
Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie sich Netzwerke
bei der Initiierung interdisziplinärer Projekte über die Zeit
verändern. Dabei wird dem Vermittlungspotenzial einzelner
Personen besondere Beachtung geschenkt. Anhand einer Fall-
studie werden verschiedene Schritte der Vernetzung und der
Einfluss von Vermittlung illustriert; es werden allgemeine
Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie die Vermittlung mit
einfachen Maßnahmen gefördert werden kann, um die Anpas-
sungsfähigkeit von Unternehmen langfristig zu erhöhen.
Netzwerkpositionen und Vermittlungspotenzial
Von individuellen Karrieren bis zur erfolgreichen Zusammen-
arbeit in Unternehmen sind Netzwerke essenzielle Bestandteile
des Berufsalltags. Jeden Tag werden neue Kontakte geknüpft,
alte Kontakte aufgefrischt oder verblassen mit der Zeit.
Netzwerke sind entscheidende Strukturen für Kommuni-
kation und Zusammenarbeit und sie entwickeln sich ständig
weiter. In Unternehmen können große Unterschiede zwischen
Organigramm und informellen Netzwerken bestehen (Cross/
Thomas, 2009). Während formale Strukturen oft über Monate
oder sogar Jahre stabil bleiben, können sich unternehmensin-
terne Kommunikationsnetzwerke täglich verändern.
Von
Dr. Sebastian Ulbrich
(ETH und Universität Zürich)
Die stille Macht der Vermittlung:
Netzwerkdynamik in neuen Projekten
Dabei kommt der Vermittlung in Netzwerken eine besondere
Bedeutung zu. Vermittlung tritt beispielsweise auf, wenn eine
Person zwei Kontakte einander vorstellt oder eine Anfrage eines
Kontakts weiterleitet. Diese einfache Verhaltensweise kann in
Netzwerken mit der Zeit wertvolle Effekte erzielen. Indem Per-
sonen miteinander ins Gespräch gebracht werden, steigert sich
die Effizienz der unternehmensinternen Kommunikation und
die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter aus unterschiedlichen
Bereichen ihr Wissen miteinander teilen (Hansen, 1999). Zwar
kann jede Person zwischen ihren Kontakten vermitteln, doch
je nach Netzwerkposition ergibt sich ein unterschiedliches Ver-
mittlungspotenzial, gemessen an der Zahl der Möglichkeiten,
zwei Kontakte miteinander zu vernetzen.
Allgemein wird zwischen zentralen und peripheren Netz-
werkpositionen, Netzwerkpositionen zwischen Gruppen und
der Einbindung in Gruppen oder Communities unterschieden
(siehe Abb.1).
Dabei haben Personen in zentralen Positionen, sogenannte
Hubs, sehr große Netzwerke und ein höheres Vermittlungs-
potenzial als Personen mit wenigen Kontakten. Die Hub-Positi-
on hat den Nachteil, dass die Pflege der Beziehungen aufwendig
ist, sodass die Intensität der Verbindungen schwächer ausfällt
als bei Personen mit wenigen Kontakten.
Personen, die ausgewählte Kontakte zu unterschiedlichen
Gruppen, zum Beispiel zu verschiedenen Abteilungen, besit-
zen, haben ein geringeres Vermittlungspotenzial als Hubs.
Diese Personen, im Netzwerkjargon auch Connectors genannt,
besetzen Schnittstellen in Unternehmen, pflegen einen inten-
siveren Austausch und können Kontakte gezielter miteinander
ins Gespräch zu bringen.
Die Netzwerkpositionen mit dem geringsten Vermittlungs-
potenzial finden sich in dicht vernetzten Communities. Hier
haben die meisten Mitglieder ohnehin häufig Kontakt, sodass
Vermittlung keinen Mehrwert bietet.
Generell gilt: Wer sich mit vielen Personen aus unterschied-
lichen Gruppen oder Bereichen vernetzt, verfügt über ein grö-
ßeres Vermittlungspotenzial als Personen, die sich bevorzugt
innerhalb ihrer eigenen Community vernetzen. Studien zum
Sozialkapital belegen, dass aus einer Vermittlungsposition
heraus der Blick über den Tellerrand leichter gelingt, denn