Seite 10 - PERSONALquarterly_2014_02

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PERSONALquarterly 02 / 14
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SCHWERPUNKT
_NETZWERKEN
W
enn Mitarbeiter Informationen oder Rat in Bezug
auf ein arbeitsbezogenes Problem suchen, wen-
den sie sich in vielen Fällen als Erstes an ihre
Kollegen. Auf diese Weise entstehen informelle
Netzwerke in Unternehmen, in denen Erfahrungen undWissen
weitergegeben werden.
Zwischen solchen Netzwerken und den formalen Aufbau-
und Ablaufstrukturen des Unternehmens liegen dabei nicht
selten Welten. Die tatsächliche Weitergabe von Wissen findet
häufig abseits der formal vorgesehenen Wege statt und folgt
einer eigenen strukturellen Logik (Cross/Parker, 2004; Rank/
Robins/Pattison, 2010). Während Führungskräfte die formalen
Wege dank Organigramm bestens kennen, haben sie, wenn
überhaupt, höchstens eine grobe (und häufig verzerrte) Vor-
stellung davon, wie die informellen Kommunikationswege in
ihrem Unternehmen aussehen (Cross/Thomas, 2009). Noch
weniger sind sie vertraut damit, welche impliziten Regeln den
informellen Austausch zwischen Mitarbeitern bestimmen.
Die Auseinandersetzung mit informellen Netzwerken und
den Regeln des sozialen Austauschs kann Führungskräften
dabei helfen, interne Abläufe zu verstehen und zu optimieren.
Informelle Netzwerke beeinflussen nicht nur die Leistungs-
und Innovationsfähigkeit von Unternehmen, sondern auch
die Zufriedenheit von Mitarbeitern (Brass, 2012). Vor allem
in wissensintensiven Branchen, in denen nur selten alles
benötigte Fachwissen in den Händen eines einzelnen Mitar-
beiters vorhanden ist, kann über gezielten informellen Aus-
tausch die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation gesteigert
werden (Cross/Thomas 2009). Die Kenntnis des informellen
Beziehungsgeflechts zwischen Mitarbeitern ist in diesem Zu-
sammenhang der erste Ansatzpunkt zur Reflexion und Opti-
mierung des Austauschverhaltens im Unternehmen.
Netzwerke als „Röntgenblick“ des Wissensaustauschs
Soziale Netzwerkanalyse als Instrument der Organisations­
analyse ermöglicht es, informelle Netzwerke in Unternehmen
aufzudecken und zu erklären. Erste Aha-Effekte aufseiten der
Führungskräfte können dadurch erzielt werden, Unterneh-
mensnetzwerke zu visualisieren und anhand von Kennzahlen
zu beschreiben.
Von
Dr. Julia Brennecke
(Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
Informelle Netzwerke im Unternehmen:
Risiken erkennen, Potenziale nutzen
Darüber hinaus vermitteln komplexere statistische Verfahren
einen tieferen Einblick in die strukturelle Logik informeller
Beziehungsgeflechte. Es kann eine Art „Röntgenbild“ des Wis-
sensaustauschs erstellt werden, das Führungskräften dabei
hilft, möglicherweise bisher verborgene Abläufe im eigenen
Unternehmen zu erkennen, zu bewerten und gegebenenfalls
zu verändern (Zenk/Behrend, 2010). Indem nach spezifischen
Strukturmus­tern (siehe Abb. 1) im Netzwerk gesucht wird,
kann analysiert werden, wie informeller Austausch in einem
Unternehmen funktioniert.
Die Strukturmuster beschreiben beispielsweise, ob Aus-
tausch wechselseitig (reziprok) erfolgt. Oder sie zeigen, ob
es einzelne „Stars“ im Netzwerk gibt, die weit mehr Wissen
weitergeben als ihre Kollegen. Vom Auftreten derartiger
Strukturmuster lässt sich auf die häufig impliziten Regeln und
Normen schließen, die den Austausch in einem Unternehmen
bestimmen, und es lassen sich gezielt Ansatzpunkte zur An-
passung des Austauschverhaltens an die Unternehmensanfor-
derungen ableiten.
Im Folgenden werden zunächst typische implizite Regeln
diskutiert, auf denen informeller Austausch basiert. Die Re-
geln werden mit Strukturmustern verknüpft, die informelle
Netzwerke prägen. Anhand einer Fallstudie wird anschließend
empirisch aufgezeigt, wie mittels sozialer Netzwerkanalyse die
strukturelle Logik eines Unternehmensnetzwerks analysiert
werden kann und welche praktischen Implikationen sich aus
den aufgedeckten Strukturmustern ableiten lassen.
Direkter versus generalisierter Austausch
Informeller Austausch in Unternehmen kann von direkten oder
generalisierten Austauschnormen geprägt sein (Rank/Robins/
Pattison, 2010).
Erfolgt Austausch weitgehend reziprok, lässt dies auf direkte
Austauschnormen schließen, die auf rationalem Kalkül basie-
ren. Jedes Geben einer Information verlangt eine mehr oder
weniger unmittelbare Gegenleistung, wodurch der informelle
Austausch von Mitarbeitern als besonders fair wahrgenommen
wird. Direkte Austauschnormen können jedoch dazu führen,
dass Wissen aus Kalkül nicht allen Mitarbeitern zur Verfü-
gung gestellt wird, wenn eine adäquate Gegenleistung nicht