Seite 57 - PERSONALquarterly_2013_04

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Eine weitere Erkenntnis bringt die BIBB-Übergangsstudie
2011: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, die Ausbildung
habe ihnen nicht zugesagt.
Ob Probleme mit Ausbildern oder Kollegen, mit Lehrern
oder Mitschülern, als Auslöser für die Beendigung der Lehre
verantwortlich sind, bleibt offen. Außerdem genannt werden
persönliche, finanzielle und gesundheitliche Gründe sowie bei
jungen Frauen Schwangerschaft und Kindererziehung. Für so
manche Situation gäbe es Lösungen, etwa seit 2005 die Teil-
zeitausbildung. Doch Günter Walden sieht trotz der kleineren
Zahl an Abbrechern weiteren Handlungsbedarf: „Sowohl die
Betriebe als auch die Auszubildenden sollten bei Schwierig-
keiten frühzeitig Rat suchen“, sagt er.
Ein stärkeres Aufeinander-Zugehen der Betriebe und Be-
rufsstarter könnte die Vertragsauflösungsquote senken, meint
auch Karl Brenke, Referent im Deutschen Institut für Wirt-
schaftsforschung (DIW) Berlin: „Die jungen Leute gehen zu
idealistisch an ihre Berufe heran und die Unternehmen müs-
sen sich stärker öffnen.“ Dazu könnte man schon die Schulzeit
nutzen – auch um mehr Jugendliche zu motivieren, überhaupt
einen Schulabschluss zu machen. Denn das DIW hat bei Un-
tersuchungen zur Jugendarbeitslosigkeit einen deutlichen
Zusammenhang zwischen Schulabschluss und Ausbildungs-
kündigung bewiesen.
In jedem Fall wäre es gut, die Zahl derer, die einen Umweg
machen, zu senken. Das würde den Betrieben die Kosten des
Ressourcenverlustes ersparen, der nach einer BIBB-Modell-
rechnung aus dem vergangenen Jahr für 2007 immerhin 580
Mio. EUR betrug.
Wie die Bundeswehr Personal gewinnen möchte
Ein ressourcenschonender Umgang mit Steuergeldern ist si-
cher auch ein Motiv für die Bundeswehr, ihre 24,7 % hohe
Abbrecherquote unter den freiwilligen Wehrdienstleistenden
plus der weiteren 6 %, von denen sich die Armee trennte, zu
V. l. n. r.: Prof. Walter Krämer (TU Dortmund), Günter Walden (BIBB), Karl Brenke (DIW)
senken. Anders als die vielen privatwirtschaftlichen Unter-
nehmen bei ihren Auszubildenden hat die Bundeswehr nach
Einrichtung der Freiwilligenarmee systematisch verfolgt, wa-
rum fast ein Viertel der freiwillig Wehrdienstleistenden noch
in der Probezeit von dannen zog. Die Gruppe Wehrpsychologie
im Streitkräfteamt sendet seit 2011 kontinuierlich denjenigen,
die früher ausscheiden, einen Fragebogen. Die Auswertung soll
Rekrutierung und Personalmarketing verbessern.
Insgesamt wurden bis März 2013 beinahe 1.000 Fragebögen
ausgewertet. Bei 28 vorgegebenen Abbruchgründen waren
Mehrfachnennungen möglich. 58 % nannten zivilberufliche
Alternativen als Grund dafür, das Soldatenleben zu beenden.
54 % gelangten zu der Ansicht, dass sie in einer militärischen
Verwendung fehlplatziert waren, weitere 35 % hatten eine ab-
weichende Vorstellung von der Tätigkeit als Soldat.
Bei diesen hohen Werten überrascht eine andere Zahl: 67 %
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der ausgeschiedenen freiwilligen Wehrdienstler würden den
Dienst in der Bundeswehr weiterempfehlen. Dazu passt, dass
die Ex-Freiwilligen zu 57 % positiv vermerken, eine Hori-
zonterweiterung durch ihr Soldatendasein erfahren zu haben.
Auch diese Abbrüche lassen also nicht ausschließlich negative
Schlüsse zu. Möglicherweise haben einige mit den Monaten bei
der Bundeswehr die Zeit überbrückt, bis es mit dem Studium
oder einem zivilen Ausbildungsplatz geklappt hat.
Dennoch will die Bundeswehr in Personalgewinnung und
-bindung investieren: durch bessere Information und Praxis-
nähe.
Neben die Tage der offenen Tür könnten vermehrt Kurzprak-
tika treten. Die Kandidaten würden erleben, was es bedeutet,
um 6 Uhr aufzustehen, den Tagesdienst zu machen und in
der Truppenkantine zu essen. Die Truppe vor Ort entscheidet
eigenverantwortlich über die Anwerbemaßnahmen – aber Er-
kenntnisse aus der Befragung interessieren die Personalprofis
der Bundeswehr sicher ebenso sehr wie die BIBB-Studien die
Personaler in der privaten Wirtschaft.
© jürgen huhn