Seite 47 - PERSONALquarterly_2013_04

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Arbeitszufriedenheit wirkten. Mitarbeiter tendieren bei dieser
Erhebungsmethode dazu, Erfolge auf sich selber (intern) und
Misserfolge auf die Umwelt (extern) zu attribuieren.
In diesem Sinne finden sich unter Herzbergs Motivatoren
vor allem Faktoren, die Mitarbeiter selbst beeinflussen können
(z. B. Erfolgserlebnisse und Anerkennung), bei den Hygiene-
faktoren dagegen Umweltfaktoren, auf die sie keinen Einfluss
haben (Unternehmenspolitik, Kompetenz des Vorgesetzten).
Studien, die andere Methoden benutzten, konnten Herzbergs
Ergebnisse entsprechend nicht replizieren, weswegen diese
Theorie heute eher als überholt gilt.
Neuere wissenschaftliche Ansätze unterscheiden nicht mehr
zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsunzufriedenheit im
Sinne zweier voneinander unabhängiger Dimensionen.
Frage der Wirkrichtung von Zufriedenheit und Leistung
Bestehen bleibt aber die Frage nach der Wirkrichtung: Beein-
flusst Leistung die Zufriedenheit oder sind zufriedene Mitar-
beiter leistungsstärker?
Diese für das Personalmanagement zentrale Fragestellung
wurde von Timothy Judge und Kollegen (2001) in einer umfas-
senden Meta-Analyse untersucht. Sie fassten die Ergebnisse
von über 300 veröffentlichten Studien zusammen, die sich bis
dahin mit dieser Thematik beschäftigt hatten und verglichen
verschiedene mögliche Wirkmodelle.
Ein erstes wichtiges Ergebnis dieser Arbeit ist die Schätzung
des durchschnittlichen Zusammenhangs von r=0,30
1
zwischen
Arbeitszufriedenheit und Leistung. Es besteht zwar eine posi-
tive Beziehung, jedoch ist diese eher schwach bis mittel und
somit geringer als gerade in der Personalpraxis häufig ange-
nommen.
Michael Riketta (2008) ergänzte dieses Ergebnis mit einer
fokussierten Analyse der Wirkrichtung, indem er Längs-
schnittstudien auswertete, die durch die Mehrzahl von Erhe-
bungszeitpunkten eher erlauben, Ursache und Wirkung zu
unterscheiden. Die Ergebnisse sind in der Summe ernüch-
ternd. Es zeigt sich ein sehr schwacher Effekt von Arbeits-
zufriedenheit auf die spätere Leistung und kein Effekt von
Leistung auf spätere Arbeitszufriedenheit. Es kann also das
in Abbildung 1 dargestellte Modell 1 etwas bestätigt werden,
jedoch ist der Effekt so schwach, dass er kaum als alleinige
Rechtfertigung für personalpolitische Maßnahmen zur Stei-
gerung der Arbeitszufriedenheit gelten kann. Die unterstellte
Leistungssteigerung durch eine höhere Arbeitszufriedenheit
ist vernachlässigbar gering.
Sind „Feel-Good-Manager“ überflüssig?
Müssen „Feel-Good-Manager“ und andere Maßnahmen zur
Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit deshalb wirkungslos
sein? Vor allem aus zwei Gründen ist eine genauere Betrach-
tung notwendig.
Erstens mag sich zwar kein ausgeprägter Motivationseffekt
durch diese Maßnahmen ergeben, der zu höheren Leistungen
bei bestehenden Mitarbeitern führt. Gleichzeitig werden diese
Maßnahmen aber positiv von Mitarbeitern und Bewerbern be-
wertet, wodurch es dem Unternehmen letztlich gelingen kann,
aus einem größeren Bewerberpool besser geeignete Mitarbei-
ter auszuwählen und diese länger an das Unternehmen zu bin-
den. Personalmaßnahmen könnten sich also auch ohne direkte
Produktivitätswirkung auszahlen, indem mittel- bis langfristig
verstärkt leistungsstarke Individuen in das Unternehmen eintre-
ten und längere Zeit bleiben (vergleichbar mit Motivations- und
Selektionsfunktion bei leistungsabhängiger Entlohnung; siehe
Quelle: Eigene verkürzte Darstellung auf Basis von Judge et al. (2001)
Abb. 1:
Vermutete Effekte des Zusammenhangs
­zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistung
Modell 1
Arbeits-
zufriedenheit
Leistung
Modell 2
Arbeits-
zufriedenheit
Leistung
Modell 3
Arbeits-
zufriedenheit
Leistung
Modell 4
Arbeits-
zufriedenheit
Leistung
Drittvariable
(z.B. Selbstbewusstsein)
1 Der Korrelationskoeffizient “r” drückt die Stärke eines Zusammenhangs aus und nimmt
Werte zwischen +/- 1 (perfekter linearer Zusammenhang) und 0 (kein Zusammenhang) an.
Allgemein gelten Werte über 0,3 als mittel und über 0,5 als stark.