Seite 34 - PERSONALquarterly_2013_04

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personalquarterly 04 / 13
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Schwerpunkt
_Internationales Personalmanagement
rieren, falls weitere Situationsbeschreibungen eine Spezifizie-
rung erlaubten, führte schließlich zu einem überschaubaren
Katalog von „kritischen“ Interaktionssituationen.
Dieser Katalog wurde im dritten Schritt auf Plausibilität so-
wie auf inhaltliche Klarheit und Vollständigkeit hin überprüft.
Dafür wurden die Kategorien zum einen mit bisherigen For-
schungsergebnissen zur interkulturellen Interaktion in Süd-
osteuropa abgeglichen. Zum anderen wurden weitere Experten
mit mehrjähriger Erfahrung in Österreich und Bosnien um ihre
Einschätzung der Situationsbeschreibungen gebeten.
Diese Kommentare und Interpretationen wurden sodann an
die ursprünglich interviewten zwölf österreichischen Manager
zurückgekoppelt, und die österreichischen Manager konnten
diese wiederum kommentieren. Zusätzlich wurden in diesem
Schritt Interviews mit 30 weiteren bosnischen Wirtschafts-
Experten (Manager, Unternehmensberater sowie Vertreter der
Botschaft und der Handelskammer) geführt. Diese Personen,
die ebenfalls über Erfahrung mit österreichischen Geschäfts-
partnern verfügten, gaben wichtige Hinweise für die Interpreta-
tion der Situationsbeschreibungen. Außerdem beurteilten sie,
ob das Verhalten der bosnischen Interaktionspartner typisch
für das Geschäftsleben in Bosnien ist. Es gab allerdings auch
Situationsbeschreibungen und entsprechende Verhaltenswei-
sen der Beteiligten, deren Bedeutung nicht übereinstimmend
geklärt werden konnte. Diese wurden in der weiteren Analyse
nicht mehr berücksichtigt.
Auf Basis der übrigen Situationsbeschreibungen, bei denen
die Interpretationen und Verhaltens-Erklärungen durch die
verschiedenen Experten übereinstimmten, wurden im vierten
Schritt insgesamt sieben Kulturstandards abgeleitet. In Abbil-
dung 2 sind diese sieben Kulturstandards zusammenfassend
beschrieben.
In Abbildung 2 sind neben den Themenbereichen, auf die
sich die Kulturstandards beziehen und deren zentrale Merk-
male in der Spalte ganz rechts, Lösungsansätze genannt. Diese
Empfehlungen basieren sowohl auf den ursprünglichen Situa-
tionsbeschreibungen wie auf den späteren Interviews mit den
weiteren Experten. Es handelt sich also auch hier um das Er-
fahrungswissen von Personen, die mit dem Geschäftsleben in
Bosnien und mit Interaktionen zwischen Menschen aus beiden
Kulturräumen vertraut sind.
Praktische Implikationen
Wie lässt sich das Wissen, das mittels der Kulturstandardme-
thode generiert wurde, nun im Internationalen Personalma-
nagement nutzen? Wie eingangs bereits erläutert, bieten die
ermittelten Kulturstandards eine solide Informationsgrundla-
ge für Weiterbildungskonzepte. Die Informationen lassen sich
insbesondere in Trainingsprogrammen zur Vorbereitung von
Auslandsentsendungen oder auch für die Zusammenarbeit in
kulturell gemischte Teams einbetten.
In unserem Beispiel der Kulturstandards in Bosnien kom-
men hierfür je nach konkreter Arbeitsaufgabe neben Trai-
ningsprogrammen auch arbeitsorganisatorische Maßnahmen
in Betracht. So kann etwa zum Umgang mit den Kulturstan-
dards im Themenbereich „Entscheidungen und Verantwor-
tungsübernahme“ einerseits in Trainings vermittelt werden,
dass die betreffenden Mitarbeiter die Zuständigkeiten klar de-
finieren, verantwortliche Personen namentlich bekanntgeben
oder ein einheitliches Berichtwesen und Standardformulare
einführen sollen. Andererseits kann dies aber auch im Fall von
Tochter-Unternehmen in Bosnien bereits durch das Stamm-
haus organisatorisch veranlasst oder im Fall von andersartigen
Geschäftsbeziehungen vorab vertraglich fixiert werden. Auf
diese Weise können potenziell „kritische“ Interaktionssituati-
onen, die durch diese Kulturstandards hervorgerufen werden,
von vornherein vermieden werden.
Über das Bereitstellen einer Informationsgrundlage zur Vor-
bereitung von interkultureller Zusammenarbeit hinaus ver-
mag der Einsatz der Kulturstandardmethode allerdings noch
mehr zu leisten – und dies halten wir für ein besonders inte-
ressantes Einsatzgebiet: Indem den Mitarbeitern im Rahmen
der Interviews bewusst Gehör geschenkt wird und diese ihre
konfliktreichen Erfahrungen so schildern können, dass es ih-
ren Kollegen und demUnternehmen nützt, kann den von Adler
(2002, S. 272 ff.) aufgezeigten demotivierenden Effekten bei
Managern im Zuge des Repatriierungsprozesses entgegenge-
wirkt werden. Brislin (1995, S.69) spricht in diesem Zusam-
menhang auch von „Kriegsgeschichten“, deren Mitteilung den
Betroffenen ein großes Bedürfnis ist, da sie daran aktiv teilge-
nommen und Fehler gemacht haben bzw. durch Missverständ-
nisse ihre Aufgaben nicht erfüllen konnten.
Weil mit der Kulturstandardmethode gerade solche Si-
tuationen in den Blick genommen werden, die zwar für die
Beteiligten problematisch waren, für Außenstehende aber üb-
licherweise nicht interessant sind, bietet der Einsatz der Me-
thode im Internationalen Personalmanagement ein gewisses
Forum für eine konstruktive Diskussion dieser Probleme und
entsprechender Bewältigungsstrategien.
Gleichzeitig kann dabei auch das Interesse für andere Kul-
turen geweckt werden, sowohl bei den künftigen, aktuellen
oder ehemaligen Expatriates als auch bei allen anderen Mit-
arbeitern, die in kulturell gemischten Teams arbeiten. Denn
gerade durch die intensive Auseinandersetzung mit Kultur-
standards, mit Problemen und Bewältigungsstrategien können
Synergiepotenziale aufgedeckt werden, die für eine künftige
interkulturelle Zusammenarbeit genutzt werden können. Da-
durch, dass es bei der Ermittlung von Kulturstandards weniger
um die Beschreibung von kulturellen Unterschieden geht, son-
dern um die in konkreten Situationen beobachteten fremden
Verhaltensweisen, deren Interpretation und die eigene Reaktion
darauf, sind die mit dieser Methode gewonnenen Informationen