Seite 33 - PERSONALquarterly_2013_04

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Um diese Kulturstandards zu identifizieren, wurden im ers­
ten Schritt Interviews mit zwölf österreichischen Managern
aus verschiedenen Branchen – insbesondere Banken und
Versicherungen, Handel und Bauwesen – geführt. Die In-
terviewpartner wurden auf der Basis von Informationen der
Wirtschaftskammer Österreich ermittelt, sie verfügten über
mindestens zwei Jahre Erfahrung mit dem Geschäftsleben in
Bosnien und konnten sich an „kritische“ Situationen im oben
beschriebenen Sinne erinnern. Im Rahmen der Interviews, die
im Durchschnitt knapp zwei Stunden dauerten, wurden die
Manager aufgefordert, eine für ihre Erfahrungen typische Situ-
ation, in der bosnische Geschäftspartner auf eine unerwartete
Weise reagiert hatten und die deshalb konfliktträchtig war,
zu beschreiben. Den Empfehlungen von Fink/Kölling/Neyer
(2005) folgend wurden die Interviews von einer Person, die
mehrere Jahre jeweils in Bosnien wie auch in Österreich ge-
lebt hat und daher mit beiden Kulturräumen sehr gut vertraut
war, durchgeführt
1
. Üblicherweise fördert ein bi-kultureller
Hintergrund der Interview führenden Person eine kompetente
und vertrauensvolle Gesprächsführung, und Verzerrungen, die
im Fall von kulturell einseitig geprägten Interviewpersonen
auftreten können, werden minimiert.
Im zweiten Schritt wurden die Interviews transkribiert –
das heißt, die mittels Diktiergerät aufgezeichneten Gespräche
wurden nach einem einheitlichen Schema verschriftlicht –
und nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach
Mayring (2010) analysiert. Dafür wurden die Texte zunächst
zusammengefasst und auf ihre wesentlichen Inhalte reduziert.
Nicht nachvollziehbare Textpassagen wurden unter Rückgriff
auf weitere Informationen aus den Interviews ergänzt. Durch
mehrmaliges Lesen der Transkripte wurden mehrere Kate-
gorien aus wiederkehrenden, ähnlichen Themengebieten im
Zusammenhang mit den Situationsbeschreibungen gebildet.
Inhaltliches Strukturieren dieser Kategorien und Umstruktu-
Themenbereich
Zentrale Merkmale
Lösungsansatz
Verhandlungsorientierung
– Laute und emotional starke Reaktionen
– Offenheit für neue Themen
– Streitkultur und „Stereo Talking“
– Nicht alles Gesagte persönlich nehmen
– Erlernen der Landessprache empfohlen
– Beziehungsnetzwerk aufbauen
Bürokratie und
Beziehungsorientierung
– Gegenseitige Gefälligkeiten
– Problemlösung über Beziehungsnetzwerk
– Langsame, ineffiziente Bürokratie
– Persönliche Beziehung zu Geschäftspartner aufbauen
– Formellen Weg zuerst befolgen
– Verbindungsperson einschalten
Freundlichkeit als Schwäche
– Starker Interventionismus
– Keine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben
– Freundlichkeit als Bereitschaft für Ausnahmen und spezielle
Vereinbarungen verstanden
– Verständnis zeigen, aber Distanz halten
– Klare Spielregeln aufstellen
– Keine Ausnahmen machen, um guten Ruf zu bewahren
Flexibler Umgang
mit Zeit
– Kurzfristige Terminvereinbarungen
– Geringes Planungsbedürfnis
– Terminüberschreitungen
– Flexible, offene Zeitplanung mit Spielraum
– Back-up-Pläne vorbereiten
– Verspätungen als Normalfall akzeptieren und nicht als
schlechtes Benehmen werten
Entscheidungen und
Verantwortungsübernahme
– Delegieren von Entscheidungen an höhere Organisations-
ebenen
– Geringe Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme
– Angst vor „falschen“ Entscheidungen
– Zuständigkeiten klar definieren
– Verantwortliche Personen namentlich bekanntgeben
– Einheitliches Berichtwesen und Standardformulare einführen
Kunden- und Serviceorientierung – Geringe Serviceorientierung
– Insbesondere im öffentlichen Bereich
– Schulungen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz
– Leistungsabhängige Belohnung einführen
Geselligkeit
– Kontaktfreudigkeit und Gastfreundschaft
– Soziale Kontakte als Diffusion von Beruflichem und Privatem
– Außerberufliche Einladungen annehmen
– Themen wie Krieg und Politik meiden, wenn mit Geschäfts-
partner nicht sehr gut bekannt
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Übersicht über die empirisch ermittelten Kulturstandards für Bosnien
1 Wir danken Amela Imamovic´ sehr für ihre Unterstützung.