Seite 27 - PERSONALquarterly_2013_04

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Abstract
Forschungsfrage:
Welche interkulturellen Trainingskonzepte können multinationale
Teams bei einer erfolgreichen Zusammenarbeit unterstützen?
Methodik:
Konzeptioneller Ansatz bezugnehmend auf Erkenntnisse von Sozialpsychologie
und Kommunikationsforschung.
Praktische Implikationen:
Mit der Aufnahme in ein multinationales Team durchlaufen
Mitarbeiter einen kognitiven Anpassungsprozess. Unsere Analyse zeigt, dass Trainings zu
länderspezifischen Kulturen diesem Prozess im Wege stehen können und schlägt kul-
tursensibilisierende Trainings als vielversprechende Alternative vor.
Ungewissheit beschreibt, inwieweit bei Gruppenmitgliedern
Vorstellungen über andere Personen und angemessene Verhal-
tensweisen ausgeprägt sind; Ängstlichkeit ist die emotionale
Dimension der Unsicherheit.
In interkulturellen Settings sollten Gudykunst zufolge
Ängstlichkeit und Ungewissheit in mittlerem Maß ausgeprägt
sein, um wirksam zu kommunizieren. Ein zu hohes Maß an
Ängstlichkeit und Ungewissheit hat zur Folge, dass die Fähig-
keit zur Interpretation des Verhaltens anderer abnimmt und
stattdessen die eigenen kulturellen Muster herangezogen wer-
den, was fehlerhafte Interpretationen zur Folge hat. Hingegen
hat ein zu geringes Maß an Ängstlichkeit und Ungewissheit zur
Folge, dass die vorhandene Interpretation des Verhaltens an-
derer nicht mehr hinterfragt wird und das Interesse abnimmt,
sich durch Kommunizieren neue Informationen zu erschlie-
ßen. Die Effektivität des mittleren Maßes an Ängstlichkeit und
Ungewissheit erklärt Gudykunst damit, dass sie die Aufmerk-
samkeit gegenüber neuen Informationen und alternativen In-
terpretationen fördert.
Unterschiede zwischen eigener und fremder Kultur
Kulturelle Schemata sind mentale Modelle (d. h. Bilder über
die Wirklichkeit), welche Werte, Institutionen, Orientierungs-
systeme und Richtlinien beinhalten, die eine Gruppe zu einem
bestimmten Zeitpunkt nutzt. Diese Modelle bestimmen Wahr-
nehmung und Entscheidung. Wenn sich beispielsweise in
einem deutschsprachigen Arbeitskontext ein Mitarbeiter zum
Meeting verspätet, ist ihm dies unangenehm, er entschul­digt
sich für die Verspätung und das Meeting wird fortgesetzt. Sche-
mata sind mit Verhaltenserwartungen in bestimmten Situati-
onen verbunden.
Mitarbeiter sollten bei Projektmeetings ihr Fehlen kurz ent-
schuldigen und sich dann auf die Tagesordnung konzentrieren.
Wenn sich die Beteiligten auf solche Verhaltenserwartungen
verlassen können, können sie Probleme effizient lösen.
Eine verspätete Person, die ausführlich von ihrem Arztbe-
such, Stau etc. erzählt, wird ermahnt. Dies ist möglich, weil die
mentalen Modelle – ähnlich wie Rezepte – Orientierungshilfen
für die Interpretation von Situationen wie auch für das Ver-
halten in Situationen geben. Sofern man selbst den Rezepten
getreu agiert, kann man die Reaktionen anderer Mitarbeiter
einkalkulieren.
Wird dieses rezeptartige Denken in global agierenden
Teams eingesetzt, kann es jedoch zu Missverständnissen und
kritischen Situationen kommen. Weil die mentalen Modelle
der anderen Gruppenmitglieder nicht vertraut sind (abgese-
hen von oberflächlichen Pauschalannahmen und Vorurteilen),
kann sich der Mitarbeiter nicht mehr auf seine Schablonen ver-
lassen. Unter den Teammitgliedern gibt es höchst unterschied-
liche Vorstellungen, welche Aktivitäten erwartbar und welche
Reaktionen angemessen sind. Damit wird es unmöglich, das
Verhalten der Gruppenmitglieder zu interpretieren oder ab-
zuschätzen. Somit muss der Mitarbeiter vieles infrage stellen,
was ihm bislang als selbstverständlich galt. Stattdessen muss
er Schritt für Schritt herausfinden, inwieweit sich die Verhal-
tensweisen der anderen Teammitglieder zusammenführen und
mit den eigenen Zielen abstimmen lassen.
Grundlagen für gemeinsame Zusammenarbeit entwickeln
Um eine Grundlage für die Zusammenarbeit mit anderen zu
entwickeln, müssen Mitarbeiter einen kognitiven Anpassungs-
prozess durchlaufen (Schütz, 1944). Das Modell der kognitiven
Anpassung in multinationalen Teams (Brandl/Neyer, 2009)
geht davon aus, dass hierzu drei Dinge zu leisten sind:
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Reorganisation der mentalenModelle:
Mitarbeiter müssen
lernen, die Verhaltensmuster der anderen zu interpretieren.
Das bedeutet beispielsweise, sich zu fragen, welche Entspre-
chungen diese Verhaltensweisen in den eigenen Denkmus­
tern haben. Auch wenn man selbst z. B. die Beschäftigung
von Familienangehörigen als Ausdruck der Korruption deu-
tet, kann sie von anderen für besonderes Vertrauen gegen-
über dem Unternehmen stehen. Wenn ein Mitarbeiter die
Bewerbung seines Vetters übermittelt, könnte dies folglich
als Vertrauensbeweis des Mitarbeiters gelten, welche das
Unternehmen vermutlich bestärken möchte. Diese Situation
macht es schwierig, nach den bisherigen Denkmustern zu
reagieren, da der Mitarbeiter mit Dankesworten (und einer
Einstellungszusage) rechnet. Basis einer jeden Zusammen-
arbeit ist es, dass Mitarbeiter sich in die Situation anderer
Teammitglieder hineinversetzen und Vorstellungen entwi-