Seite 26 - PERSONALquarterly_2013_04

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personalquarterly 04 / 13
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Schwerpunkt
_Internationales Personalmanagement
D
ie Koordination der lokalen Standorte internationaler
Unternehmen hat sich in den letzten Jahren grundle-
gend gewandelt. Längere Auslandseinsätze einzelner
Mitarbeiter werden zunehmend durch global agie-
rende Teams abgelöst, die zeitlich befristet an komplexen Auf-
gabenstellungen arbeiten. In multinationalen Teams arbeiten
Mitarbeiter verschiedener Standorte zusammen, möglicher-
weise ohne jemals im Herkunftsland der anderen Teammit-
glieder gewesen zu sein.
Da die Relevanz von landesspezifischem Wissen in diesen
Settings in den Hintergrund rückt und die Zusammenarbeit
zudem von zusätzlichen Herausforderungen (unterschiedliche
kulturelle Hintergründe der Mitglieder, virtuelle Zusammen-
arbeit …) geprägt ist, muss hinterfragt werden, ob bisherige
Trainingskonzepte den Anforderungen der Vorbereitung auf
eine effektive Zusammenarbeit noch gerecht werden.
Vor diesem Hintergrund diskutiert der vorliegende Beitrag
1
,
welche Trainingskonzepte dazu beitragen können, Mitglieder
multinationaler Teams bei einer effektiven Zusammenarbeit
untereinander zu unterstützen.
Wir erläutern zunächst, was Mitglieder multinationaler
Teams „können“ sollten, um sich untereinander zu verständi-
gen. Anschließend analysieren wir zwei populäre Trainings-
konzepte – kulturvermittelnde (= informationsorientierte)
Trainings und kultursensibilisierende (= erfahrungsorien-
tierte) Trainings – auf ihr Potenzial zur Vermittlung dieser
Fähigkeiten.
In der Gegenüberstellung der Trainingskonzepte stellen sich
kultursensibilisierende Trainings als effektiver heraus. Es ist
zu vermuten, dass kulturvermittelnde Trainings mitunter so-
gar nachteilig für die Zusammenarbeit sein können. Insofern
legt der Beitrag Unternehmen Trainings nahe, welche die Fä-
higkeiten von Mitarbeitern stärken, sich auf Neues einzulas-
sen, statt inhaltliches Wissen über typische Verhaltensweisen
von Angehörigen anderer Kulturkreise zu vermitteln.
Wir stützen uns auf Erkenntnisse der AUM-Theorie aus der
Kommunikationsforschung, um Voraussetzungen für die Zu-
Hilfreich oder hinderlich? Kulturvorbereitungs­
trainings für multinationale Teamarbeit
Von
Prof. Dr. Julia Brandl
(Universität Innsbruck) und
Dr. Anne-Katrin Neyer
(Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
sammenarbeit in global agierenden Teams zu beschreiben. Die
von W. B. Gudykunst (1998) entwickelte AUM-Theorie (= Anxi-
ety and Uncertainty Management Theorie) erklärt die Effekti-
vität der Kommunikation in Gruppen mit der Ängstlichkeit und
Ungewissheit der Beteiligten.
1 Anmerkung: Der Beitrag ist eine adaptierte Fassung eines in der Zeitschrift „Human Resource Ma-
nagement“ erschienenen englischsprachigen Beitrags:
Brandl, J./ Neyer, A.K. (2009). Applying cognitive adjustment theory to cross-cultural trainings for
globalvirtual teams. Human Resource Management, Vol. 48 (3), S. 341-353.
Kulturvermittelnde
Trainings
Kultursensibilisierende
Trainings
Lernansatz
A priori Wissen über
andere Kulturen ver-
mittelt Sicherheit
Wissen, wie ungewisse
Situationen zu meistern
sind, kompensiert die
fehlende Sicherheit
Lerninhalt
Werte, Institutionen,
Richtlinien der ande-
ren Kultur
Flexibilität in der eigenen
Einstellung und die Fähigkeit
mit Unsicherheit umzugehen
Zugrundeliegende
Annahmen über
andere Kulturen
Vorhersehbar; Pass-
genauigkeit mit den
gelernten Konzepten
wird erwartet
Nicht vorhersehbar;
Unsicherheit wird erwartet
Bezugspunkte für
die Handlungs­
orientierung
Gelernte Stereotype Interaktion mit anderen
und die darin gesammelten
Erfahrungen
Umgang mit
Unsicherheit und
Ängstlichkeit
Keine Regeln vor-
handen
Aktive Reorganisation der
mentalen Modelle sowie
Exploration mit Verhaltens-
anpassungen
Anpassungs­
prozess
Immer wiederkeh-
rende Aufhebungen
von zuvor gelerntem
Wissen aufgrund
von Fehlschlägen
(negativ)
Kontinuierliche Sammlung
von neuem Wissen durch
die Reflexion der eigenen
Erfahrungen in der Interakti-
on mit anderen (positiv)
Nahegelegte
Effektivität
Niedrig
Hoch
Quelle: In Anlehnung an Brandl/Neyer (2009)
Abb. 1:
Unterschiede zwischen kulturvermittelnden
und kultursensibilisierenden Trainings