Seite 15 - PERSONALquarterly_2013_04

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Abstract
Forschungsfrage:
Unter welchen Bedingungen sprechen chinesische Mitarbeiter in
internationalen Unternehmen in China Beobachtungen, Bedenken und Ideen gegenüber
westlichen Vorgesetzten aus?
Methodik:
Grounded Theory und Aktionsforschung - zwei Interviewreihen, Brainstor-
mings, Analyse von Unternehmensdaten, Beobachtungen im spezifischen Unternehmens-
kontext in China.
Praktische Implikationen:
Die
persönliche Identifikation des chinesischen Mitarbeiters
mit der westlichen Führungskraft ist Vorbedingung für das Entstehen von Voice-Verhalten.
Neben kooperativer Führung helfen Guanxi-Voice-Führungspraktiken.
wird (Tajfel/Turner, 1979; Stryker, 1980; Pratt, 1998). Bezüglich
der Epistemologie liegt die vorliegende Studie im Konstrukti-
vismus eingebettet (Crotty, 1998). Gemäß dieser Sichtweise
wird Bedeutung konstruiert und daher zielt das Forschungs-
projekt mit einem qualitativen Forschungsansatz auf das Ver-
stehen und die Interpretation des Forschungsthemas ab.
Durchführung der empirischen Studie in China
Um das Voice-Verhalten chinesischer Mitarbeiter gegenüber
westlichen Führungskräften besser zu verstehen, wird die
Grounded-Theory-Methode (Glaser/Strauss, 2010, Original-
ausgabe, 1967) mit Ansätzen der Aktionsforschung (Lewin,
1948) verbunden, da beide Ansätze erlauben, dieses wenig un-
tersuchte interkulturelle Feld in einem zirkulären Ansatz mit
kontinuierlichen Rückkopplungen zu durchdringen. Ziel ist,
einen Beitrag zur theoriegenerierenden Forschung zu leisten.
Den Untersuchungskontext stellen Einzelpersonen dar (chi-
nesische und westliche Führungskräfte/Mitarbeiter), die für
Unternehmen mit deutschen/westlichen Mutterhäusern ver-
schiedener Industrien in den oberen drei Hierarchieebenen der
jeweiligen Unternehmenseinheit in Mainland China tätig sind.
Durch Datentriangulation wurden fünf sich ergänzende Da-
tenerhebungen im genannten Untersuchungskontext in Main-
land China miteinander verbunden. Als Grundstock an Daten
wurden im ersten Schritt Unternehmensdokumente von 15
Unternehmen analysiert, die die gewünschte Unternehmens-
kultur beschreiben (z. B. Guidelines for Leadership, Culture
and Core Values). Im Anschluss wurden mit zehn chinesisch-
westlichen Experten Einzelinterviews durchgeführt, das heißt
mit Personen, die meist beide Kulturkreise als ihre eigene Kul-
tur betrachten. Die sich daraus ergebenen Ergebnisse wurden
in Brainstorming-Sessions mit chinesischen und westlichen
Führungskräften im Rahmen von Führungskräftetrainings ge-
gengespiegelt und weiterentwickelt. Um die sich daraus erge-
benen Ergebnisse weiter zu verfeinern, wurden im Anschluss
neun identifizierte westliche Best-Practice-Voice-Manager in-
terviewt. Dabei handelt es sich um Führungskräfte, die im För-
dern von Voice-Verhalten bei ihren chinesischen Mitarbeitern
besonders erfolgreich sind. Ergänzend zu diesen Daten sind
in die Studie Beobachtungen und Erfahrungen, die eine der
Autorinnen (die seit 2004 in China lebt und als HR-Beraterin
tätig ist) gemacht hat, eingeflossen (z. B. in Leadership Trai-
nings/Workshop/Coachings, Unternehmensbesprechungen,
Upwards-Feedback-Sessions, Talentprogrammen, Austausch
mit anderen Beratern/Trainern/Coaches und chinesischen
Studenten).
Identifikation mit der Führungskraft ist entscheidend
Die Analyse der untersuchten offiziellen Unternehmensdo-
kumente zeigt zusammenfassend, dass alle 15 Unternehmen
einen offenen Austausch mit den Mitarbeitern, ein Einbinden
derer Ideen und ein entsprechend initiatives Verhalten von
Seiten der Mitarbeiter wünschen.
In dem internationalen Umfeld in China ist die Zusammen-
arbeit zwischen chinesischem Mitarbeiter und westlicher
Führungskraft zeitlich häufig begrenzt, da viele Expatriates
für zwei bis drei Jahre nach China entsandt sind und darü-
ber hinaus die Neigung chinesischer Mitarbeiter zum Wechsel
des Arbeitsplatzes relativ hoch ist. Das führt in der Praxis zu
häufig wechselnden Mitarbeiter-Vorgesetzten-Kombinationen.
Somit erscheint vor allem der Entstehungsprozess der in den
Unternehmensdokumenten genannten Erwartungen wie „Aus-
tausch“ und „Einbinden“ von Interesse.
In der Analyse der Interviews mit den chinesisch-westlichen
Experten zeigt sich, dass der Beziehungsaufbau Zeit erfordert,
da der chinesische Mitarbeiter sich zunächst häufig abgrenzt,
den Vorgesetzten sehr genau beobachtet und dann auf Signale
der Öffnung von ihmwartet, Wertschätzung und Anerkennung
spüren muss, bevor er sich weiter öffnet.
Die dabei entstehende teilweise persönliche Identifikation
des chinesischen Mitarbeiters mit dem westlichen Vorgesetz-
ten scheint eine wichtige Vorbedingung für Voice-Verhalten
darzustellen.
In den Brainstorming-Sessions mit chinesischen und west-
lichen Führungskräften wurde der Zusammenhang zwischen
Voice und Identifikation stärker herausgearbeitet.
Dabei zeigte sich, dass sich zwischen Voice und Identifikation
ein sich selbst verstärkender Kreislauf ergibt: Der Vorgesetzte
sieht den Mitarbeiter durch dessen Voice-Verhalten positiver,
daher betont er das „Wir“, sodass sich der Mitarbeiter dem