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Essentials
_Rezensionen
personalquarterly 02/ 13
E
ine Person wird häufig als Führungskraft wahrgenom-
men, wenn andere ihr viel Erfahrung und Kompetenz
zuschreiben. Die Rolle von Emotionen wurde dabei
allerdings bislang nicht beleuchtet. Die Autorinnen
untersuchen, inwiefern spezifische Emotionen, nämlich der
Ausdruck von Verachtung oder Mitgefühl, die Wahrnehmung
von Führungseinfluss steuern. Sie argumentieren, dass bei-
de Emotionen einen höheren Status signalisieren können:
Wer Verachtung ausdrückt, stellt sich selbst über andere;
wer Mitgefühl zeigt, ist als Mitfühlender in einer besseren
oder sichereren Position als der zu bedauernde andere. Zur
Überprüfung dieser Annahmen untersuchen die Autorinnen,
wie der Ausdruck der beiden Emotionen mit dem wahrgenom-
menen Führungsverhalten zusammenhängt. 100 untersuchte
Wie Emotion die Führungs
wahrnehmung steuert
Shimul Melwani
(University of North Carolina at Chapel Hill),
Jennifer S. Mueller
(University of Pennsylvania) &
Jennifer R.
Overbeck
(University of Utah): “Looking down: The influence of
contempt and compassion on emergent leadership categoriza-
tions”. Journal of Applied Psychology, 97, (2012), 1171-1185.
Studierende wurden von Beobachtern umso wahrscheinlicher
als Führungskraft wahrgenommen, je häufiger sie die Emoti-
onen Verachtung oder Mitgefühl zeigten. Das Ergebnis wurde
in einer zweiten Studie bestätigt, in der elf Gruppen von Stu-
dierenden über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiteten
und sich gegenseitig einschätzten. In einer dritten Studie mit
Studierenden wurde der mögliche Störeinfluss von Persönlich-
keit, Studienleistung, Alter, Geschlecht und anderer Emotionen
wie Neid oder Bewunderung kontrolliert – das Ergebnis blieb
bestehen: Dabei wirkte die wahrgenommene Intelligenz als
vermittelnde Variable: Je mehr Verachtung oder Mitgefühl eine
Person ausdrückte, als desto intelligenter schätzten die anderen
sie ein, und desto eher wurde sie in der Folge als Führungskraft
gesehen. Dass der Ausdruck von Verachtung wahrgenommene
Führung begünstigt, ist nicht überraschend – Verachtung steht
für Selbstaufwertung und Dominanz über andere. Überraschen-
der ist der durchgängige Befund, dass in gleichem Ausmaß der
Ausdruck von Mitgefühl positiv dazu beiträgt, dass jemand als
Führungskraft gesehen wird. Das bedeutet: 1. Auch prosoziales
Verhalten (Hilfsbereitschaft, Anteilnahme) kann zum Erfolg füh-
ren; 2. Führung ist möglich, ohne sich über andere zu erheben.
Besprochen von
Dr. rer. nat. Nale Lehmann-Willenbrock
,
Department of Social and Organizational Psychology, Vrije
Universiteit Amsterdam
D
ie bisherigen Forschungsergebnisse zur Altersdi-
versität und den daraus resultierenden Vor- und
Nachteilen auf Individual- oder Teamebene sind wi-
dersprüchlich. Ob und unter welchen Bedingungen
Altersdiversität positive Effekte auf die Unternehmensproduk-
tivität haben kann, untersuchen die Autoren. Die Studie basiert
auf Längsschnittdaten (Erhebung zu mehreren Zeitpunkten)
des "Linked Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung"
(Basis: 18.000 deutsche Unternehmen, die dazugehörigen
knapp zwei Mio. Mitarbeiter, über eine Zeitspanne von zehn
Jahren).
Jung und innovativ –
ein Trugschluss?
Uschi Backes-Gellner
(University of Zurich) &
Stephan Veen
(Disney Research Zurich). „Positive Effects of Ageing and Age Di-
versity in Innovative Companies – Large-Scaled Empirical Evidence
on Company Productivity“. Human Resource Management Journal
(2012, in press).
Die Argumente der Autoren: 1. Altersdiversität verursacht
Nutzen (Wissens-, Erfahrungs- und Wertevielfalt) und Kosten
(Probleme der Kommunikation, sozialen Integration und von
Wertekonflikten) und kann nur dann positive Effekte entfal-
ten, wenn eine positive Balance zwischen Kosten und Nutzen
erzielt wird. 2. Altersdiversität hat negative Effekte auf die
Unternehmensproduktivität, wenn in Unternehmen haupt-
sächlich Routineaufgaben zu erledigen sind. Umgekehrt sollte
Altersdiversität positive Effekte zeigen, wenn in Unternehmen
vorwiegend kreative Aufgaben zu bewältigen sind. Die Ergeb-
nisse zeigen, dass in innovativen, kreativen Branchen eine
größere Vielfalt an Jungen und Älteren mit einer Steigerung
der Produktivität einhergeht. Dies überrascht; die Begrün-
dung dieses positiven Effekts lautet: Bei kreativen Aufgaben
vergrößert Altersdiversität den Wissenspool, durch den eher
innovative Lösungen gefunden werden. Im Gegensatz dazu
kann dieser Nutzen der Altersdiversität in einer standardi-
sierten Arbeitsumgebung mit Routineaufgaben kaum erzielt
werden.
Besprochen von
Marius Wehner,
Personalmanagement, Mittel-
stand und Entrepreneurship, Justus-Liebig-Universität Gießen