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Neue Forschung
_Fachkräftemangel
sonal durch normative Anreize an das Unternehmen zu binden.
Des Weiteren berichteten die Heimleiter aller sieben befragten
Einrichtungen von der Ausbildung für Nachwuchskräfte sowie
der intensiven Öffentlichkeitsarbeit, mit deren Hilfe sie den
personellen Engpässen und dem befürchteten Fachkräfteman-
gel beizukommen versuchen.
Diskussion der Ergebnisse
Wie ernst ist der überall beschworene Fachkräftemangel im
Bereich Altenpflege, war die Frage, der die vorliegende Studie
nachging. Die gewonnenen Ergebnisse sind durchmischt. Einer-
seits scheint das Thema Fachkräftemangel in den untersuchten
ostdeutschen Altenpflegeeinrichtungen allgegenwärtig zu sein,
sodass die Frage nach der Existenz des Fachkräftemangels mit
einer reflexartigen Zustimmung beantwortet wird. Auch die
Frage, wie wichtig denn die Ressource Personal für die Al-
tenpflegeinstitutionen sei, wird mit zahlreichen Beteuerungen
über die Relevanz und Unersetzbarkeit des Personals erwi-
dert. Eingehendere Erkundungen ergeben jedoch, dass von den
sieben Einrichtungen lediglich zwei von einem länger anhal-
tenden Personalmangel betroffen sind. Dieser schlägt sich hier
auch in der Unfähigkeit nieder, die gesetzlich vorgeschriebene
Fachkräftequote einzuhalten. Andere Pflegeeinrichtungen sind
hingegen zunächst von keinen oder nur von temporären Perso-
nalengpässen betroffen, wie kurzfristige Kündigung, Schwan-
gerschaft oder Krankheitsfälle.
Wir können schlussfolgern, dass unter dem Deckmantel des
Fachkräftemangels mitunter durchaus gewöhnliche personelle
Engpässe subsumiert werden, die kein strukturelles Problem
darstellen, sondern möglicherweise vielmehr Folgen enger
oder wenig kompetenter Personalplanung sind. Während die
befragten Einrichtungsleiter der Ressource Personal eine hohe
Relevanz zuschrieben und ihr den Status der „kritischen Res-
source“ zusprachen, thematisierten sie auch Maßnahmen, die
im Umgang mit den Ressourcenengpässen eingesetzt werden.
Zur Sprache kam vielfach die Verwendung von „Puffern“,
was in der Regel die Mehrleistung von Mitarbeitern im Fall von
personellen Engpässen bedeutet, oder der Einsatz von „Sprin-
gern“, die allerdings nur bedingt eine Entlastung ermöglichen,
da diese oftmals mit den anderen Pflegeeinrichtungen geteilt
werden müssen. Im Sinne der Ressourcenabhängigkeitstheo-
rie handelt es sich hierbei vor allem um die Maßnahmen zur
Vermeidung der Ressourcenabhängigkeit.
Die Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung, seien es Massage-
gutscheine oder Gesundheitskurse, enthalten nur einmalige
Anreize und bezwecken keine strukturellen und langfristigen
Änderungen von Arbeits- oder Beschäftigungsbedingungen,
wie höhere Bezahlung oder kürzere Arbeitszeit. Damit die-
nen sie zwar der Kooperation mit den Inhabern der kritischen
Ressource „Fachkraft“, allerdings in temporärer Form. Die
ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit mitsamt den politisch dis-
kutierten Vorschlägen zur Umschulung von „Schlecker“-Mitar-
beiterinnen sowie die erleichterte Beschäftigung ausländischer
Pflegekräfte entsprechen hingegen der Interventionsstrategie,
die vor allem auf die Diversifizierung der Zufuhr der Personal-
ressource abzielt.
Auch wenn das Personal im Bereich Altenpflege von den
Einrichtungsleitern als eine kritische Ressource angesehen
wird, folgen dem keine strukturellen Personalmaßnahmen, wie
die Schaffung der Vollzeitstellen oder die Erhöhung der Gehäl-
ter. Statt die Arbeitsbedingungen in den Pflegeeinrichtungen
langfristig zu verbessern, konzentrieren sich die befragten
Pflegeeinrichtungen vielmehr darauf, ihre gegenwärtigen Mit-
arbeiter auszulasten, was nicht selten in eine monatelange
Mehrarbeit mündet, sie mithilfe von einmaligen, nicht einklag-
baren Angeboten an sich zu binden oder aber die Öffentlichkeit
von der prekären Personalsituation in der Pflege zu überzeu-
gen. Auf diese Art versuchen die Arbeitgeber ihre Abhängig-
keit von der Ressource Personal zu reduzieren und die eigene
Machtposition gegenüber dem Personal aufrechtzuerhalten.
Die starke mediale Präsenz des Fachkräftemangels, die, wie
gezeigt, nur bedingt die tatsächliche Situation in der Altenpfle-
ge abbildet, dient aus ressourcenabhängigkeitstheoretischer
Sicht dem Ziel, die Diversifizierung der Personalressource,
z.B. in Form von ausländischen Arbeitnehmern oder einhei-
mischen Arbeitslosen, gesellschaftlich zu legitimieren und da-
mit die gegebenenfalls auftretenden Forderungen seitens der
Arbeitnehmer im Altenpflegebereich zu vermeiden bzw. diese
erst gar nicht auftreten zu lassen.
Implikationen für die Praxis
Angesichts der Ergebnisse ist den Altenpflegeeinrichtungen
zu empfehlen, ihre bisherigen Strategien im Umgang mit der
Ressource Personal konsequent auszubauen:
Quelle: Eigene Darstellung.
Abb. 3:
Reduktion der Abhängigkeit von personellen Res-
sourcen in den untersuchten Pflegeeinrichtungen
Strategien zur Reduktion von
Ressourcenabhängigkeit
Maßnahmen
Vermeidung von Ressourcen
abhängigkeit
• Aufbau von Ressourcenpuffern: Mehrleistung
von Mitarbeitern, „Springer“, „Pools“
Kooperation
• Temporäre Anreize für Mitarbeiter: Massa
gegutscheine, Gesundheitskurse, einmalige
Prämien
Intervention
• Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyismus mit
starkem Fokus auf die Diversifizierung der
Ressourcenzufuhr: ausländische Mitarbeiter,
Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose
(„Schlecker-Mitarbeiter“)