Seite 42 - PERSONALquarterly_2013_02

Basic HTML-Version

personalquarterly 02 / 13
42
Neue Forschung
_Fachkräftemangel
und Organisationen, die die Ressourcen kontrollieren, welche
andere Akteure oder Organisationen benötigen, besitzen eine
starke Machtposition, während jene Akteure oder Organisati-
onen, die von den Ressourcen im Besitz anderer abhängig sind,
ressourcenabhängig und damit in einer schwachen Machtpo-
sition sind (Pfeffer/Salancik, 2003:93). Eine starke Machtposi-
tion geht damit einher, dass entsprechende Unternehmen in
einem erhöhten Maße Ansprüche an die von ihnen abhängigen
Organisationen stellen können (ebd.:96). Umgekehrt, je mehr
eine Organisation von Ressourcen, die extern kontrolliert wer-
den, abhängig ist, desto mehr geht sie auf Forderungen der
Ressourcenlieferanten ein (Wolf, 2011:294).
Ihre Ressourcenabhängigkeit versuchen Organisationen
in unterschiedlicher Weise zu reduzieren. Drei Maßnahmen-
strategien werden in der Literatur unterschieden. Zum einen
handelt es sich um die „Vermeidung der Ressourcenabhängig-
keit“ durch Diversifizierung der Ressourcenzufuhr, Aufbau von
Ressourcenpuffern oder Aufkauf von kritischen Unternehmen.
Zum anderen zielen die Maßnahmen auf die „Kooperation“
mit den Akteuren ab, die den Zugang zu wichtigen Ressour-
cen kontrollieren, in Form von langfristigen Verträgen mit den
Lieferanten oder Kooptation von kritischen Akteuren für un-
ternehmensinterne Gremien. Zum Dritten handelt es sich um
„Beeinflussungsversuche“ durch machtvolle Akteure in Form
von Öffentlichkeitsarbeit oder Lobbyismus (Nienhüser, 2004;
Schreyögg, 2008). Die Theorie geht davon aus, dass die organi-
sationale Umwelt und die Ressourcenabhängigkeiten nicht per
se gegeben sind, sondern Ergebnisse sozialer Interpretations-
und Konstruktionsprozesse in Organisationen sind, die allen
voran durch das Management vorgenommen werden (Pfeffer/
Salancik, 2003:13).
Betrachten wir die Thematik des Fachkräftemangels in der
Altenpflege im Lichte dieser Theorie, können wir den Fachkräf-
temangel als eine Form der Ressourcenabhängigkeit auffassen.
Pflegeeinrichtungen sind über die zukünftige Versorgung mit
den personellen Ressourcen verunsichert. Da ohne die Res-
source Personal die Pflegedienstleistung kaum möglich und
die Existenz der betroffenen Betriebe gefährdet ist, kommt dem
Personal die Rolle einer „kritischen Ressource“ zu. Die offen-
sichtliche Abhängigkeit von der Personalzufuhr bedroht die
Machtposition der betroffenen Unternehmen. Die Frage, die
sich nun stellt, ist, wie Pflegeeinrichtungen mit dieser Abhän-
gigkeit umgehen.
Da in der Ressourcenabhängigkeitstheorie den sozialen Kon-
struktionsprozessen eine hohe Relevanz zugesprochen wird,
wollen wir in unserer Untersuchung der Frage nachgehen, wel-
che Bedeutung den Pflegekräften seitens der Entscheidungsträ-
ger in den Pflegeeinrichtungen zugeschrieben wird und woran
die mögliche Relevanz festgemacht wird. Zugleich untersuchen
wir, inwiefern die Befragten den Fachkräftemangel verzeich-
nen. Zuletzt gilt unser Interesse der Frage, welche der theore-
tisch denkbaren Maßnahmen in den Altenpflegeinstitutionen
ergriffen werden, um die Ressourcenabhängigkeiten, die durch
den Fachkräftemangel offensichtlich werden, zu reduzieren.
Empirische Studie: Methodisches Vorgehen
Die empirische Studie wurde mit Hilfe des problemzentrierten
Experteninterviews durchgeführt. Als Experten galten hier
die Leiter der Altenheime. Um die Vergleichbarkeit der Ergeb-
nisse zu gewährleisten, verwendeten wir einen Interviewleit-
faden. Der Zugang zu Altenpflegeeinrichtungen erwies sich
als schwierig. Viele Seniorenzentren hatten keine Zeit, zeigten
kein Interesse oder reagierten erst gar nicht auf eine Kontakt-
aufnahme. Erst die Empfehlungen der bereits interviewten
Heimleiter verhalfen zur gewonnenen Stichprobe.
Innerhalb der empirischen Studie wurden insgesamt sieben
stationäre Altenpflegeeinrichtungen aus verschiedenen Teilen
Sachsens untersucht. Diese Einrichtungen wurden zwischen
1983 und 2006 eröffnet. Die Mitarbeiteranzahl aller Einrich-
tungen liegt zwischen 39 und 112 Beschäftigten, wobei sich die
Quelle: Pfeffer/Salancik, 2003; Schreyögg, 2008; Nienhüser, 2004.
Abb. 1:
Strategien und Maßnahmen zur Reduktion der Ressourcenabhängigkeit
Strategien zur Reduktion von
Ressourcenabhängigkeit
Maßnahmen
Vermeidung von Ressourcen­
abhängigkeit
• Diversifizierung der Ressourcenzufuhr
• Aufbau von Ressourcenpuffern
• Aufkauf von kritischen Unternehmen
Kooperation
• Langfristige Verträge mit den Ressourcen­lieferanten
• Kooptation (z.B. Gewinnung machtvoller Akteure für unternehmensinterne Gremien)
Intervention
• Öffentlichkeitsarbeit
• Lobbyismus