Seite 37 - PERSONALquarterly_2013_02

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legten einen höheren Wert auf die Sicherheit (6,01/5,68), die
Offenheit gegenüber anderen Kulturen (5,93/5,60), die Inte-
grationsaktivitäten (5,40/5,05), das Klima (5,00/4,65) oder die
Entfernung zur Heimat (4,17/3,72). Einzig hinsichtlich der all-
gemeinen Infrastruktur hatten Frauen niedrigere Erwartungen
als Männer (5,51/5,56). Für angehende Ingenieure waren die
Arbeitsbedingungen der wichtigste Attraktivitätsfaktor (6,18);
für Ökonomen lag der entsprechende Mittelwert bei 5,95 und
damit deutlich niedriger als der höchste Vergleichswert, der
sich auf die Bedeutung der Menschen (6,19) bezog.
Stellt man die Bedeutung der Attraktivitätsdeterminanten
der entsprechenden Einschätzung Deutschlands durch die
jungen Europäer gegenüber, wird deutlich, dass die Bundes-
republik bei potenziellen Emigranten keine Imagevorteile hin-
sichtlich der Aspekte besitzt, die die Attraktivität eines Landes
am intensivsten beeinflussen. Die in Deutschland lebenden
Menschen können nicht als Attraktor dienen, auch nicht die
Offenheit gegenüber anderen Kulturen oder die Bemühungen
zur Integration von Ausländern. Relative Stärken Deutschlands
sind die Arbeitsbedingungen und die wahrgenommene Sicher-
heit. Interessant ist, dass diejenigen Befragten, die bereits
einmal in der Bundesrepublik waren, die Arbeitsbedingun-
gen etwas schlechter einstuften als die, die noch nicht vor Ort
waren (5,42/5,60).
Vor dem Hintergrund all dieser Erkenntnisse ist das Modell
der Determinanten der Arbeitgeberattraktivität (Schwaab, 2008)
zu erweitern. Neben dem Branchen-, Unternehmens-, Produkt-,
Standort- und/oder Arbeitgeberimage gilt es zusätzlich das An-
sehen eines Beschäftigungslandes zu berücksichtigen. Schreckt
dieses Image eher ab oder zieht es Arbeitskräfte zumindest nicht
an, dann müssen sich dort angesiedelte Firmen besonders ins
Zeug legen, um den Imagenachteil zu kompensieren.
International rekrutierende Unternehmen müssen sich also
einer ganzen Reihe attraktivitätsrelevanter Faktoren bewusst
sein, bevor sie firmenspezifische Akzente setzen können (Mo-
ser/Zempel, 2006). Will einUnternehmen imAusland Personal-
marketingmaßnahmen ergreifen, um die relevante Zielgruppe
auf sich aufmerksam zu machen, muss es unbedingt seine
Ausgangssituation kennen. Hier stellt sich auch die Frage, in-
wieweit bei den Attraktivitätsdeterminanten landesspezifische
Besonderheiten zu beachten sind. Bezogen auf die Länder, aus
denen zuletzt die meisten Menschen nach Deutschland einge-
wandert sind, zeigte sich in der Studie (vgl. Abb. 2), dass für
Spanier und Polen die Menschen der wichtigste Attraktor wa-
ren. Die Bulgaren, Griechen und Rumänen legten am meisten
Wert auf die Arbeitsbedingungen. Die Integrationsaktivitäten
für Ausländer und die Entfernung des Beschäftigungsorts zur
Heimat waren den befragten Studierenden aus Rumänien und
Bulgarien im Vergleich zu anderen Befragten besonders wich-
tig. Die genannten Aspekte sollten von Unternehmen in den
jeweiligen Ländern bei ihren Personalmarketingaktivitäten be-
rücksichtigt werden, um die relevanten Hochschulabsolventen
gezielt anzusprechen.
Wie wird Deutschland nun hinsichtlich der unterschied-
lichen Gesichtspunkte eingeschätzt? Die wichtigste Deter-
minante der Attraktivität eines Landes, die dort lebenden
Menschen, wurde von den Griechen und Polen vergleichsweise
niedrig eingestuft. Rumänen und Spanier schätzten die Deut-
schen (auch im Vergleich zu anderen Europäern) und deren
Offenheit gegenüber anderen Kulturen etwas höher ein. Doch
in Relation zu anderen Attraktivitätsfaktoren stellt die Bevöl-
kerung mit Sicherheit keinen Aspekt dar, der Ausländer nach
Deutschland locken würde. Einig waren sich die Befragten aus
den Zuwandererstaaten, dass die Arbeitsbedingungen in der
Bundesrepublik besonders reizvoll sind. Die Polen schätzten
vor allem auch die Nähe des Nachbarlandes und die guten
Verkehrsanbindungen.
Für die Unternehmen bedeuten diese Erkenntnisse, dass sie
ihre Kommunikationsstrategie in doppelter Hinsicht länderspe-
zifisch ausgestalten müssen. Sie haben zum einen darauf zu
achten, dass sie die Attraktivitätsdimensionen ansprechen, die
für die Zielgruppe des jeweiligen Landes von Bedeutung sind.
Zum anderen müssen sie aber auch in ihre Überlegungen mit
aufnehmen, wie diese Personen Deutschland bislang wahrneh-
men. So kann entweder auf den existierenden Stärken aufgebaut
oder aber versucht werden, mit landesspezifischer Werbung ge-
gen vorhandene Imagedefizite anzugehen. Sinnvoll wäre eine
firmenübergreifende, koordinierte Vorgehensweise. Denn ein
einzelner Arbeitgeber wird kaum den Aufwand betreiben kön-
nen, der für eine imageprägende Werbekampagne notwendig ist.
Determinanten der Arbeitgeberattraktivität
Die Gesichtspunkte, die letztlich die Attraktivität eines spezi-
fischen Arbeitgebers ausmachen (vgl. hierzu auch Trost, 2009),
zeigt die Abbildung 3. Es wird deutlich, dass das wahrgenom-
mene Betriebsklima und damit die Art und Weise der Zusam-
menarbeit die mit Abstand wichtigste Determinante für die
Anziehungskraft eines Unternehmens darstellt. Diese Erkennt-
nis passt zu dem anderen Ergebnis dieser Studie, wonach die
Einwohner und deren Verhalten wesentlich die Attraktivität
eines Landes ausmachen. Auf den Punkt gebracht: Die Deut-
schen haben nicht nur auf die Attraktivität Deutschlands als
Beschäftigungsort einen großen Einfluss, sondern auch auf
die Attraktivität der deutschen Unternehmen als Arbeitgeber.
Bemerkenswert ist, dass die Einschätzungen der Befragten
über die Dauer der Studie weitgehend stabil waren. Die Bedeu-
tung interessanter Tätigkeiten, aber auch der Karrierechan-
cen und der Vergütung sind nahezu unverändert geblieben.
Es fällt auf, dass Aspekte wie die Work-Life-Balance oder die
Arbeitszeitregelungen in ihrer Bedeutung seit 2010 etwas
abgenommen haben. Man könnte daraus den vorsichtigen
Schluss ziehen, dass in wirtschaftlich unsicheren Zeiten die