Seite 31 - PERSONALquarterly_2013_02

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Deutsche verlassen sich weniger als Schweizer auf die non-
verbalen Signale in der Diskussion, sondern unterstreichen
und klären ihre Äußerungen mit sozio-emotionalen verbalen
Äußerungen. Sie scheuen sich nicht, Ablehnung zumAusdruck
zu bringen, auch wenn damit mangelnde Wertschätzung zum
Ausdruck gebracht wird. Dies ist in Deutschland - im Gegen-
satz zu vielen anderen Kulturen - weitgehend sozial akzeptiert,
es dient der Wahrheitsfindung.
Frage 3A
: Haben deutsche Teams in ihren Sitzungen relativ
zu den Gesamtaussagen signifikant mehr positive soziale
Interaktionen als Schweizer Teams?
Frage 3B
: Haben deutsche Teams in ihren Sitzungen relativ
zu den Gesamtaussagen signifikant mehr negative soziale
Interaktionen als Schweizer Teams?
Interaktionsunterschiede untersuchen und aufdecken
Um die Frage der Interaktionsunterschiede zu beantworten,
wurden die deutschen und schweizerischen Gruppen in Be-
sprechungen untersucht. Die Diskussionen wurden mit Video
aufgezeichnet. Für die Videoaufzeichnungen stellten sich 163
Studenten zur Verfügung. Es wurden je 15 Studentengruppen
aus der Deutschschweiz und Norddeutschland mit jeweils drei
bis fünf Teilnehmern gebildet. Diese diskutierten im Schnitt 20
Minuten die Fragestellung: „An welcher Hochschule soll eine
Bachelorstudentin der Betriebswirtschaft ihr Masterstudium
absolvieren?“ Die Aufgabe mit der Entscheidung für eine Hoch-
schule entspricht einem Themenkreis, den die Studenten aus
ihremAlltag kennen, was die Diskussion anregte. Es waren un-
terschiedliche Problemlösungen möglich, d. h. für die Lösung
der Aufgabe gab es keine ideale Antwort. Die Mitglieder der
Gruppe mussten sich zusammen auf eine Lösung einigen. Dies
entspricht im beruflichen Alltag einer Entscheidungssituation,
in der ein Team gezwungen ist, eine Lösung zu einem Pro-
blem zu finden, mit welcher anschließend gearbeitet werden
kann. Die aufgezeichneten Videoaufnahmen wurden mit dem
act4teams®-Kodierschema (Kauffeld, 2012) ausgewertet. Bei
der Kodierung wird jeder geäußerter Satz in der Besprechung
jeweils einer Kategorie zugeordnet. In Abbildung 1 werden
die Kategorien beschrieben. Durch Auszählen der Kategorien
und das einheitliche Hochrechnen auf eine Stunde Diskussions-
zeit konnten die deutschen und schweizerischen Gruppen ver-
glichen werden. Für die Signifikanzprüfung der Daten wurden
die deutschen und Schweizer Teams als zwei unabhängige Stich-
proben behandelt. Es wurde der parameterfreie Wilcoxon-U-Test
verwendet, da u. a. aufgrund der kleinen Stichprobengröße nicht
von einer Normalverteilung ausgegangen werden konnte.
Wie erwartet wurden in den Schweizer Gruppen signifikant
mehr Fragen gestellt als in den deutschen Gruppen. Weiterhin
wurden in den Schweizer Gruppen signifikant mehr Sollent-
würfe erstellt als in den deutschen Gruppen. Die Schweizer
Gruppen stimmten sich ab und erarbeiten zunächst eine Visi-
on, die alle mittragen konnten. Zudem vernetzten die schwei-
zerischen Gruppen die Probleme stärker als die deutschen
Gruppen. Sie zeigten Ursachen und Folgen von Problemen auf.
Die Schweizer Gruppen nahmen häufig den Inhalt von Kolle-
gen auf und führten aufbauend auf diesem die Probleme weiter
aus. So entstand ein gemeinsames Problemverständnis in der
Gruppe. Diese Art von Vernetzung von Problemen ließ sich bei
Deutschen weniger beobachten. Ihre Äußerungen bezogen sich
jeweils auf eigene Aussagen.
Deutsche und Schweizer Gruppen unterschieden sich nicht
in der Anzahl der genannten Lösungen während der Diskussi-
on, Deutsche führten ihre Lösungen jedoch öfters aus, indem
sie diese ausführlicher darlegten. Insgesamt diskutierten die
Schweizer eine Problemlösung später als die Deutschen. Erst
im letzten Drittel der Diskussion wurde der erste Vorschlag
von den Schweizern eingebracht. Die Deutschen benannten
klare Lösungen in den ersten drei Minuten der Diskussion.
Abbildung 2 veranschaulicht, zu welchem Zeitpunkt die erste
Lösung im Sitzungsverlauf jeweils genannt wurde.
Zur Berechnung wurden sämtliche Sinneinheiten des Mee-
tings gezählt (= 100 %) und die erste Sinneinheit mit einer
Lösungsnennung in Prozenten angegeben. Wie erwartet zeigt
sich, dass deutsche Gruppen relativ zu ihren Gesamtäuße-
rungen signifikant mehr positive Interaktionen einbringen als
Schweizer Gruppen. Gleichzeitig bringen die deutschen Grup-
pen wie erwartet relativ zu ihren Gesamtäußerungen signifi-
kant mehr negative Interaktionen ein als Schweizer Gruppen.
Wegen der geringen Anzahl der negativen Interaktionen, die
auf den mangelnden „Realitätsdruck“ der Gruppen bei der Be-
arbeitung der Aufgabenstellung zurückgeführt werden kann,
und der kleinen Stichprobe ist dieser Wert jedoch mit Vorsicht
zu interpretieren.
Fazit
Deutsche agieren in Meetings offen und konfrontativ. Dies er-
laubt eine klare (Führungs)-Struktur und Orientierung auf-
zubauen. Der Schweizer Interaktionsstil zielt demgegenüber
auf den Zusammenhalt in der Gruppe und das Erarbeiten ge-
meinsamer Vorstellungen ab. Damit erreichen die Schweizer
auf individueller Ebene die Vertretung ihrer eigenen Position
und eine Entscheidungsbasis, die ihnen später ein autonomes
Handeln erlaubt, während sich Deutsche von Beginn der Dis-
kussion an stärker durchsetzen, um Klarheit über einen Ar-
beitsauftrag zu erlangen. Dabei ist typisch, dass in Schweizer
Gruppen bei Problemlösungsprozessen lange keine konkreten
Lösungen genannt werden. Dieser Befund deckt sich mit den
Ergebnissen von Jarren/Ohemer/Wassmer (2010) und Niehr/
Böke (2000) in deutschen und Schweizer Parlamenten. Jarren/
Ohemer/Wassmer (2010) beschreiben den Schweizer Stil wie
folgt: „Man macht erst eine Auslegeordnung und begrüßt je-