Seite 16 - PERSONALquarterly_2013_02

Basic HTML-Version

personalquarterly 02 / 13
16
Schwerpunkt
_meetings
I
n Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind Face-
to-Face-Meetings das am häufigsten genutzte Kommuni-
kationsinstrument in Unternehmen (Dynamic Markets
Limited, 2004). Das liegt unter anderem daran, dass Ma-
nager empirischen Studien zufolge den mündlichen, insbe-
sondere Face-to-Face-Informationsaustausch gegenüber der
schriftlichen und/oder elektronischen Information bevorzu-
gen, und das unabhängig von der Branche, der Unternehmens-
größe, dem Ausbildungsniveau und dem Alter (Schaulinski,
2003). Im internationalen Vergleich wird in Deutschland der
größteWert auf die persönliche Begegnung gelegt (RoperASW/
Tandberg, 2003). Die meisten Meetings pro Mitarbeiter gibt es
allerdings in den USA. Die Anzahl formeller Meetings wird in
den USA auf 11 Mio. pro Tag geschätzt, das sind hochgerechnet
3 Mrd. Meetings pro Jahr. Das heißt, durchschnittlich sind US-
Manager und leitende Angestellte 12-20 Stunden pro Woche
in Meetings (Horton, 2010). In Europa sind es im Schnitt etwas
weniger, nämlich rund 560 Meetings pro Kopf und Jahr. Von
den folglich ca. zwölf Meetings pro Woche finden 73 % face-to-
face statt. Europäische Manager verbringen somit immerhin
20-40 % der Arbeitszeit in Meetings, wobei Anzahl und Dauer
der Meetings mit einemAufstieg in der Führungsebene zuneh-
men (Daoust, 2010). Bei Top-Managern kann die Meeting- und
Konferenzzeit sogar bis zu 90 % der Arbeitszeit betragen, bei
Managern der mittleren Führungsebene zumindest 50-60 %
(Siegert, 2007). Woran liegt es, dass Manager so viel Zeit für
Face-to-Face-Meetings aufwenden? Wie kann der so große Stel-
lenwert von Meetings im Unternehmens- und insbesondere
Managementalltag begründet werden?
Bedeutung von Meetings für den Unternehmenserfolg
Face-to-Face-Meetings werden ausmehreren Gründen so häufig
eingesetzt. Sie bieten die Möglichkeit, Informationen in relativ
kurzer Zeit weiterzugeben. Gegenüber anderen Kommunika-
tionsformen wie beispielsweise Telefonieren, das Verschicken
von Textnachrichten, die schriftliche Korrespondenz per Post
oder E-Mail, Faxen, Chatten und Bloggen haben Face-to-Face-
Meetings den Vorteil, dass sie reichhaltiger und facettenreicher
sind (Mast, 2007; Rasberry/Lindsay, 1994). Sie stellen mehr-
seitige Kommunikationswege bereit. Das bedeutet, Kommuni-
Über die (Un)produktivität von Meetings –
Wie Kostenbewusstsein Nutzen schafft
Von
Alexandra Rausch
(Universität Klagenfurt)
kationspartner können ihre Rolle als Sender und Empfänger
ständig wechseln, sich gegenseitig in der direkten Interakti-
on wahrnehmen und unvermittelt wechselseitig aufein­an­der
einwirken. Die zeitgleiche Präsenz von Entscheidungsträgern
und Informationsquellen im selben Raum ermöglicht es den
Kommunikationspartnern, Ziele, Hintergründe und Konse-
quenzen zu hinterfragen, dadurch wirklich zu verstehen und
dort, wo sie direkt betroffen sind, Einfluss zu nehmen. In Face-
to-Face-Meetings können unterschiedliche Perspektiven und
Meinungen der Teilnehmer einbezogen und eine höhere Ge-
samtleistung erzielt werden, denn Gruppenleistungen werden
als qualitativ und quantitativ höherwertiger eingeschätzt als
die Leistung des durchschnittlichen Einzelnen. Der integrative
Charakter von Face-to-Face-Meetings lässt daher besonders gu-
te Entscheidungen erwarten (Rasberry/Lindsay, 1994).
Weil die Face-to-Face-Kommunikation gleichzeitig Infor-
mation, Interaktion, Interpretation und Beeinflussung er-
möglicht, gilt sie als die überzeugendste und effizienteste
Kommunikationsform (Mast, 2007). Nicht überraschend ist
daher, dass Studien zufolge 40 % der Unternehmensziele
durch Face-to-Face-Kommunikation erreicht werden können
(RoperASW/Tandberg, 2003). Ein starker Zusammenhang
zwischen der Rentabilität eines Unternehmens und der Qua-
lität der Kommunikation in Meetings wird darüber hinaus
auch deshalb vermutet, weil die Kommunikation innerhalb
eines Unternehmens externe Kommunikationsstrukturen
und -abläufe widerspiegelt. Das heißt, wie im Unternehmen
kommuniziert wird, so kommunizieren Unternehmen tenden-
ziell ebenso mit unternehmensexternen Interessengruppen
(Berghoff, 2000).
Wie bereits aufgezeigt wurde, nehmen Meetings viel Zeit in
Anspruch. Ihre Bedeutung für eine effektive Unternehmens-
führung wird aber nach wie vor häufig verkannt. Insbesondere
wird übersehen, dass Meetings nicht nur zum Erfolg, sondern
auch zum Misserfolg von Unternehmen beitragen, nämlich
dann, wenn sie nicht gut geführt und damit unproduktiv sind.
Die Gefahr, dass Meetings zum strategischen Misserfolgsfaktor
werden, ist nicht zu unterschätzen, zumal Kommunikations-
prozesse im Allgemeinen und in Meetings im Speziellen in
der Praxis häufig vielschichtig und ungeplant verlaufen und