Seite 9 - PERSONALquarterly_2013_03

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ie Verringerung des Verdienstunterschieds zwischen
Männern und Frauen gehört zu den wichtigsten He-
rausforderungen der Arbeitsmarkt- und Personalpo-
litik in der EU und deren Mitgliedstaaten. In fast allen
EU-Ländern verdienen Frauen immer noch durchschnittlich
deutlich weniger als Männer, über alle EU-27-Länder hinweg
betrug der (unbereinigte) geschlechtsspezifische Verdienstun-
terschied im Jahr 2010 rund 16 % (siehe Abb. 1). Zwar sollten
die Länderunterschiede aus methodischen Gründen nicht
überinterpretiert werden.
1
Dennoch fällt auf, dass Deutschland
mit einer geschlechtsspezifischen Verdienstlücke von 22 % klar
über dem EU-Durchschnitt liegt.
Geschlechterlohnlücke:
Gerechtfertigt oder diskriminierend?
Von
Dr. Boris Hirsch
und
Prof. Dr. Claus Schnabel
(Universität Erlangen-Nürnberg)
Eine genauere Betrachtung der Daten von 2010 für Deutsch-
land zeigt, dass der Verdienstabstand zwischen den Ge-
schlechtern in Führungspositionen, bei Technikern und in
akademischen Berufen mit rund 30 % am größten ist. Die ge-
ringste Verdienstdifferenz findet sich mit nur 4 % bei Bürokräf-
ten und verwandten Berufen.
Die ausgewiesenen Verdienstunterschiede wurden von Euro-
stat und vom Statistischen Bundesamt mithilfe der europaweit
einheitlichen Verdienststrukturerhebung 2010 ermittelt. Be-
rechnet wird der Unterschied zwischen den durchschnittlichen
Bruttostundenverdiensten der männlichen und der weiblichen
Beschäftigten, der in Prozent der Männerverdienste ausge-
drückt wird.
Nicht berücksichtigt wird dabei jedoch, dass Frauen und Män-
ner oft in verschiedenen Branchen, Berufen und Betrieben tätig
sind, unterschiedliche Arbeitszeiten aufweisen und sich in ihren
typischen Erwerbsbiografien unterscheiden.
Abb. 1:
Geschlechtsspezifischer Verdienstunterschied in der EU im Jahr 2010
(in Prozent des Männerverdienstes)
Quelle: Eurostat (Betriebe mit mindestens 10 Beschäftigten im privaten Sektor, ohne öffentliche
Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung)
0
5
10
15
20
30
25
SI
PL
IT
MT
LU RO BE
PT
BG IE
LT
SE
LV FR NO DK EU-27 ES
CY HU NL
CH GB SK
FI
DE
AT
CZ
EE
1 Wie Olivetti/Petrongolo (2008) aufzeigen, ist der Vergleich von Verdienstlücken über verschiedene
Länder hinweg nur dann sinnvoll, wenn der unterschiedlichen Erwerbsneigung von Frauen in den je-
weiligen Ländern Rechnung getragen wird. Da davon auszugehen ist, dass besonders diejenigen Frauen
mit hohen Verdienstmöglichkeiten sich für die Erwerbstätigkeit entscheiden, ist bei einer niedrigen
Erwerbsquote von Frauen eine geringere Verdienstlücke zu erwarten. In diesem Fall werden nämlich
nur Frauen mit besonders hohem Verdienstpotenzial mit den erwerbstätigen Männern verglichen. Dies
mag auch die überraschend niedrigen Verdienstlücken für Länder wie Italien oder Malta, in denen
Frauen eine besonders geringe Erwerbsneigung aufweisen, erklären.
Schwerpunkt
_chancengleichheit