Seite 6 - PERSONALquarterly_2013_03

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Schwerpunkt
_Interview
personalquarterly 03 / 13
PERSONALquarterly:
Die skandinavischen Länder werden oft als
Vorbilder in Sachen Chancengleichheit genannt – nicht nur bei
der Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben,
sondern auch beispielsweise bei der Integration von Migranten.
Deckt sich dieser Eindruck mit der empirischen Evidenz?
Kunze:
Die Gleichstellung von Mann und Frau und auch die Fa-
milienpolitik haben einen hohen Stellenwert in der skandina-
vischen Politik. Zusammen mit Island, Finnland, Dänemark
und Schweden teilt sich Norwegen die vorderen Plätze im Glo-
bal Gender Gap Ranking. Vergleicht man die durchschnittlichen
Unterschiede wichtiger Arbeitsmarktindikatoren für Männer
und Frauen in z. B. Norwegen mit den Werten für Deutschland,
zeigen sich deutliche Unterschiede. So liegt die Arbeitsmarkt-
beteiligung von Frauen in Norwegen bei 81 %, während sie in
Deutschland nur 71 % beträgt. Der durchschnittliche Einkom-
mensunterschied zwischenMann und Frau liegt in Deutschland
bei 23 %, während er in Norwegen nur 15 % beträgt.
Man kann sagen, dass Norwegen immer noch eine sehr homo-
gene Gesellschaft ist. Der Bevölkerungsanteil der Migranten
beläuft sich erst seit Kurzem auf 9,4 %. 1991 lag dieser Anteil
bei nur 4 %. Migranten haben sich in den vergangen Jahren sehr
gut an den Norwegischen Arbeitsmarkt assimilieren können, da
die Arbeitsmarktsituation bei niedriger Arbeitslosigkeit (3,65 %)
und hohem Lohnwachstum sehr gut war. Wie gut die Integra-
tionspolitik in Norwegen wirklich wirkt, wird sich erst zeigen,
wenn der Arbeitsmarkt nachgibt. Eine große Herausforderung
für Norwegen ist die Eingliederung der Einwanderer in den
Wohlfahrtsstaat. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit
sich das System weiterhin trägt. Zum Beispiel sieht man, dass
die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, die nach Norwegen
migriert sind, im Vergleich zu anderen Ländern relativ hoch
ist. Allerdings sind eingewanderte Frauen, vor allem jene aus
nichteuropäischen Ländern, nach wie vor weniger gut in den
Arbeitsmarkt integriert als norwegische Frauen.
In Norwegen sowie den anderen skandinavischen Ländern
sind die Bedingungen für Frauen, die Arbeit und Familie ver-
einbaren wollen, nahezu traumhaft. Wichtige Faktoren, die
dazu beitragen, sind bezahlte Elternzeit, welche die Quote für
Männer vorsieht, Kinderbetreuung für weitgehend alle Klein-
und Schulkinder sowie attraktive Arbeitsplätze für Frauen, die
Warum wir in Sachen Chancengleichheit
nach Skandinavien schauen sollten
Das Interview mit
Prof. Astrid Kunze
führte Prof. Dr. Dirk Sliwka (Universität zu Köln)
flexible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit ermöglichen. Wenn
man den öffentlichen Sektor und die Politik betrachtet, stellt
man fest, dass Frauen auch in wichtigen Positionen gleichbe-
rechtigt repräsentiert sind. Die skandinavischen Länder wer-
den aber herausgefordert, was die Repräsentation von Frauen
in führenden Positionen in den großen Firmen des privaten
Sektors angeht. Dort entsprechen die Anteile von Frauen mit
5 bis 10 % dem international üblichen, niedrigen Niveau. Da
fragt man sich schon, warum nach so langer und stabiler Ein-
gliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt und generöser Fa-
milienpolitik nicht mehr Frauen in leitenden Positionen sind.
Wenn man sich Zahlen für die angelsächsischen Länder an-
schaut, scheinen die skandinavischen Länder manchmal sogar
schlechter dazustehen.
PERSONALquarterly:
Norwegen hat bereits eine verpflichtende Quo-
te für Frauen in Aufsichtsräten. Wie wirkt sich diese Quote aus?
Kunze:
Seit 2008 müssen alle Aktiengesellschaften mindestens
40 % Frauen imAufsichtsrat haben. Wie wir in den Daten sehen,
ist die Quote erfolgreich und alle Aktiengesellschaften haben
nun die
geforderte Quote. Interessant ist auch, dass die Erhö-
hung des Frauenanteils nicht einer freiwilligen Regelung in
2002 folgte, sondern nachdem das Gesetz letztendlich beschlos-
sen wurde. Aber das ist natürlich nur der direkte Effekt. Span-
nend wird es nun werden herauszufinden, ob sich auch andere
Aspekte hinsichtlich der Gleichstellung von Mann und Frau in
der Wirtschaft, insbesondere im privaten Sektor, ändern. In-
ternational gesehen hat Norwegen seine Politik exportiert und
viele Diskussionen entfacht. Einige Länder sind dem Vorbild
Norwegens gefolgt, Europa diskutiert noch, Deutschland hat
hingegen gegen die Quote gestimmt. Manche Länder bevor-
zugen eine freiwillige Quote und einige Unternehmen sind im
Alleingang dem norwegischen Vorbild gefolgt. Das Problem
ist jedoch, dass freiwillige Quoten schwer zu überprüfen sind
und schnell wieder abgeschafft werden können. Die Quote für
Aufsichtsräte hat auch zu zahlreichen Diskussionen bezüglich
Corporate Governance geführt – nicht nur in der Forschung,
sondern auch in Politik undWirtschaft. Das betrifft z. B. Fragen,
wie CEOs und Aufsichtsräte zusammenwirken und eigentlich
das Kapital der Anteilseigner repräsentieren. Durch die Quote