Seite 48 - PERSONALquarterly_2013_03

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State of the art
_Alter und Produktivität
Ältere Kollegen zeigen ebenso – möglicherweise vermittelt
über Erfahrungen oder veränderte Werthaltungen – höhere Zu-
friedenheit mit Kollegen, deutlich verbesserte Zufriedenheit mit
Führungskräften, ein höheres Maß an Unternehmensbindung
(unterschiedlich abgestuft über einzelne Dimensionen) und ein
gesteigertes Vertrauen ins eigene Unternehmen im Vergleich
zu ihren jüngeren Kollegen. Eine wesentliche Abweichung von
diesem positiven Muster stellt der altersabhängige Verlauf der
Zufriedenheit mit Beförderungsmöglichkeiten in Unternehmen
dar: Mit zunehmendem Alter sinkt diese arbeitsrelevante Ein-
stellung, was eine Folge der einleitend dargestellten subjektiven
Überzeugungen im Hinblick auf Leistungs- und Entwicklungs-
potenzial älterer Arbeitnehmer sein könnte.
Altersakzeptanz fördern, Stereotypen entgegenwirken
Betrachtet man die mit dem Alter einhergehende Entwicklung
der Produktivität von Erwerbstätigen als eine Mischung aus
tatsächlich gezeigten Arbeitsleistungen und Arbeitseinstel-
lungen, ist ein grundsätzlich positives Resümee zu ziehen:
Entgegen weit verbreiteter Altersstereotype, die im Hinblick
auf die Entwicklung von Leistungspotenzialen von Defizitan-
nahmen geprägt sind, zeigt die wissenschaftlich fundierte
Faktenlage, dass Lebensalter im Großen und Ganzen keine ne-
gativen Effekte auf die Voraussetzungen der Produktivität hat.
Im Gegensatz zu dieser auf als sehr solide zu bewertender
Basis aufbauenden Befundlage stehen allerdings die subjek-
tiven Wahrnehmungen und offenkundigen Klischees, die von
altersstereotypen Vorstellungen geprägt sind. Diese Diskrepanz
zwischen fragwürdigen Vorstellungen, die tatsächliches Ver-
halten und (Personal-)Entscheidungen erheblich beeinflussen
und objektiver Faktenlage birgt substanzielle Implikationen
für Erwerbstätige und Unternehmen: Zum einen sind Unter-
nehmen in Zeiten alternder Belegschaften darauf angewiesen,
auch ältere Mitarbeiter als tragende Säulen im Unternehmen
zu integrieren und diese entsprechend zu fördern und weiter-
zuentwickeln. Die latent wirkende Überzeugung, dass ältere
Mitarbeiter weder über entsprechendes Potenzial verfügen,
noch gewillt sind, steht diesen Anforderungen jedoch hemmend
gegenüber. Ältere Mitarbeiter bleiben auf diese Art systema-
tisch und zunehmend bei Personalentwicklungsmaßnahmen
unberücksichtigt. Die Folge solcher, von falschen Annahmen
ausgehender Personalpolitik, kann tatsächlich eine einge-
schränkte Produktivität für Unternehmen sein. Zum anderen
werden objektiv vorhandene, aber verkannte Potenziale nicht
ausgeschöpft und bleiben so dem Unternehmen vorenthalten.
Die hier beschriebene personalwirtschaftliche Ebene wird
ergänzt durch entsprechende Folgen auf individueller Ebene
– also den einzelnen Mitarbeiter betreffend. Durch personal-
politische Maßnahmen, die alternde Mitarbeiter einschrän-
kend behandeln, z. B. durch abnehmende Möglichkeiten, an
Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen, oder durch einge-
schränkte Beförderungsmöglichkeiten wird betroffenen Mitar-
beiterkreisen subtil aber deutlich mitgeteilt, dass hinsichtlich
ihrer persönlichen Entwicklung das „Ende der Fahnenstange“
erreicht ist (Grant/Wade-Benzoni, 2009). Die wissenschaftlich
gut belegte Folge einer solchen Wahrnehmung ist der Rückzug
älterer Mitarbeiter aus dem beruflichen Leben hin zum Pri-
vaten (Charles/Carstensen, 2010; Gross et al., 1997).
„Ältere“ als Zielgruppe des Personalmanagements
Der regelmäßige Leser dieser Rubrik kennt den Rückgriff auf
Metaanalysen. Diese stellen die beste verfügbare wissenschaft-
liche Faktenlage zusammen. Die Metastudie zur Arbeitsleis­
tung von Ng und Feldman umfasst 380 Einzelstudien, die vor
2006 publiziert wurden (56 % nach 2000). Die untersuchten Ar-
beitnehmer haben ein Durchschnittsalter von 36,6 Jahren (Ng/
Feldman 2008: 398); ca. 95% der untersuchten Beschäftigten
sind zwischen 20 und 54 Jahren. Der Anteil der über 55-Jäh-
rigen in diesen Untersuchungen ist somit sehr gering und die
Ergebnisse für diese Altersgruppe haben nahezu keinen Ein-
fluss auf die durchschnittlichen Zusammenhänge. Verstärkend
kommt hinzu, dass Selbstselektionseffekte zu vermuten sind,
d. h. dass ältere Arbeitnehmer mit geringerer Produktivität
Quelle: nach NG/Feldmann, 2008
Abb. 2:
Zusammenhang zwischen Alter und
Arbeitseinstellungen
(a) (b)
r
c
(c)
Aufgabenbezogene Arbeitseinstellungen
Allgemeine Arbeitszufriedenheit
.12
Zufriedenheit mit Bezahlung
.05
Zufriedenheit mit Beförderung
-.18
Intrinsische Arbeitsmotivation
.17
Zufriedenheit mit Arbeitsbeteiligung
.22
Personenbezogene Arbeitseinstellungen
Zufriedenheit mit Kollegen
.09
Zufriedenheit mit Führungskräften
.25
Unternehmensbezogene Arbeitseinstellungen
emotionale/affektive Unternehmensbindung
.17
normative/moralische Unternehmensbindung
.11
abwägende Unternehmensbindung
.05
Vertrauen gegenüber Unternehmen
.12
(a) Die Berechnung der Effektstärken basierte auf insgesamt bis zu n=70.449
Untersuchungsteilnehmern und k=171 einzelnen Stichproben
(b) Betriebszugehörigkeit wurde in den vorliegenden Ergebnissen kontrolliert
(c) r
c
= nach Stichprobengröße gewichtete, korrigierte Korrelation. Korrelationen bemessen die
Stärke des Zusammenhangs zweier Variablen und können Ausprägungen zwischen -1 und +1
annehmen: „1“ (bzw. „-1“) repräsentiert einen perfekten (bzw. perfekt negativen) Zusammen-
hang; „0“ steht für „kein Zusammenhang.“