Seite 31 - PERSONALquarterly_2013_03

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er demografische Wandel ist eine der größten He­
rausforderungen für Unternehmen in der heutigen
Zeit. Schon heute, und noch verstärkt in den nächs­ten
Jahren, sind sie damit konfrontiert, dass ihre Beleg­
schaften ein höheres Durchschnittsalter und damit auch eine
immer höhere Altersvielfalt aufweist. Während zu Beginn des
letzten Jahrzehnts noch viele Unternehmen eine stark jugend­
zentrierte Belegschaft hatten und mehr als 50 % der deutschen
Unternehmen keine Mitarbeiter älter als 50 Jahre beschäftigt
haben (Buck/Dworschack, 2003), hat heute die Quote älterer
Beschäftigter in allen Unternehmen drastisch zugenommen.
Dadurch werden altersgemischte Belegschaften zum Standard
in fast allen Unternehmen. Dieser Beitrag stellt deshalb zwei ak­
tuelle Studien vor (Kunze/Boehm/Bruch, 2011; Kunze/­Boehm/
Bruch, 2013), die den Zusammenhang zwischen Altersvielfalt
und Unternehmensleistung genauer untersucht haben. Neben
besseren Erkenntnissen zu Prozessen, die in altersgemischten
Belegschaften stattfinden, geht es auch darum, konkrete Pra­
xisinterventionen aufzuzeigen, durch die es gelingen kann, als
Unternehmen und Führungskraft erfolgreich mit einer alters­
diversen Belegschaft umzugehen.
Bisher gibt es nur wenige empirische Studien, die den Zu­
sammenhang zwischen Altersvielfalt und Unternehmensleis­
tung untersuchen. Die Forschung im Bereich Management und
Organisationspsychologie hat sich bisher mehrheitlich auf die
Untersuchung von altersdiversen Teams konzentriert. Wie die
Metaanalyse von Joshi und Rho (2009) als Zusammenfassung
aller bisherigen Studien zeigt, hat dabei Altersvielfalt haupt­
sächlich negative Auswirkungen auf Gruppenprozesse und Lei­
stungsfähigkeit. Mit den beiden vorliegenden Studien haben
wir untersucht, ob sich solche Zusammenhänge zwischen Al­
tersdiversität und Leistung auch bei der Untersuchung ganzer
Unternehmen finden lassen.
In der ersten Studie (Kunze/Boehm/Bruch, 2011) ging es
darum Prozesse zu untersuchen, die den Zusammenhang
zwischen Altersvielfalt und Unternehmensleistung besser er­
klären können. Wie in Abbildung 1 dargestellt, vermuteten
wir, dass Altersvielfalt zu einer vermehrten Altersdiskriminie­
rung in Unternehmen führt. In einem zweiten Schritt dürfte
sich eine stark wahrgenommene Altersdiskriminierung der
Altersdiversität kann die Leistung
des Unternehmens schmälern
Von
Dr. Florian Kunze
(Universität St. Gallen)
Mitarbeiter negativ auf die emotionale Identifikation und das
Commitment mit der Organisation auswirken, was schlussend­
lich negativ für die Gesamtunternehmensleistung sein dürfte.
Insgesamt nahmen wir also einen negativen Zusammenhang
zwischen Altersdiversität und Unternehmensleistung an, der
sich durch die beiden Prozessfaktoren Altersdiversitätsklima
und emotionales Commitment besser erklären lassen sollte.
Mitarbeiter unterschiedlichen Alters grenzen sich ab
Zur Erklärung, warum es in altersdiversen Belegschaften zu
mehr Diskriminierung und letztendlich zu schlechteren Leis­
tungen kommt, gibt es zwei Ansätze.
Als Erstes können soziale Identitäts- und Kategorisierungs­
prozesse (Tajfel/Turner, 1986; Turner, 1985) als Erklärung
herangezogen werden. Dies sind klassische Ansätze aus der
sozialpsychologischen Forschung, die besagen, dass es inner­
halb sozialer Gruppen schnell zu Abgrenzungsprozessen und
Untergruppenbildungen aufgrund einfach wahrnehmbarer so­
zialer Kriterien, wie zum Beispiel Alter, kommt.
In unserem Fall ist zu vermuten, dass die Altersverteilung
eine entscheidende Rolle spielt, wie sich informelle Netzwerke
und Untergruppen innerhalb von Teams, Abteilungen und
ganzen Unternehmen bilden.
Mitarbeiter gleichen Alters fühlen sich stärker zueinander
hingezogen als Mitarbeiter unterschiedlichen Alters, da sie
sich in der gleichen Karrierephase (z. B. im mittleren Ma­
nagement auf dem Weg nach oben in der Karriereleiter) oder
Lebensphase (z. B. gerade zum ersten Mal Eltern geworden)
befinden. Mitarbeiter gleichen Alters gehen so zum Beispiel
häufiger miteinander Mittagessen, verabreden sich eher in
der Freizeit und teilen mehr arbeitsrelevante Informationen
miteinander. So kommt es leicht zu einer starken Abgrenzung
zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen in Un­
ternehmen, die schnell zur Bildung von wechselseitigen Vor­
urteilen und schließlich auch zu Diskriminierung aufgrund
des Alters, sowohl für alte als auch junge Mitarbeiter, führen.
Wenn die klassischen Karriereregeln verletzt werden
Als zweite mögliche Erklärung für eine steigende Altersdiskri­
minierung in altersdiversen Belegschaften können die Verlet­
Neue Forschung
_altersdiversität