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Gymnasialempfehlung, wohingegen dieser Anteil in der Grup-
pe der Kinder mit Migrationshintergrund lediglich bei einem
Drittel liegt. Umgekehrt erhalten knapp 26 % der Kinder mit
Migrationshintergrund eine Empfehlung für den Besuch einer
Hauptschule. Dieser Anteil fällt damit um ungefähr 9 Prozent-
punkte deutlich höher aus als der entsprechende Anteil in der
Gruppe einheimischer Kinder. Grundschülern mit Migrations-
hintergrund wird zudem häufiger ein Besuch der Realschule
empfohlen.
Diese grundsätzliche Verteilung bleibt im weiteren Schul-
verlauf bestehen, jedoch verändern sich die Ausmaße der Un-
terschiede. So ist etwa auffällig, dass beim ersten Übergang
auf die weiterführende Schule mehr Kinder die Hauptschule
besuchen als Empfehlungen für diese ausgesprochen wur-
den. Diese Beobachtung unterscheidet sich jedoch nicht nach
dem Migrationsstatus. Da wir dieselbe Gruppe von Kindern
über die Zeit beobachten, können wir Kohorteneffekte aus-
schließen. Solche Effekte entstehen beispielsweise aufgrund
von Unterschieden in der qualitativen Zusammensetzung
verschiedener Jahrgänge und stellen somit keine Verände-
rungen im Schulverlauf derselben Kinder dar. Insbesondere
beim Schulbesuch mit 17 Jahren ist auffällig, dass sich der
Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund an den Gym-
nasien erhöht und an den Hauptschulen verringert hat, was
auf ein gewisses Maß an Aufwärtsmobilität schließen lässt.
Jedoch besuchen Kinder mit Migrationshintergrund weiterhin
im Vergleich mit einheimischen Kindern weniger häufig ein
Gymnasium und häufiger eine Real- oder Hauptschule. Die
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen sind für alle drei
Ergebnisvariablen statistisch signifikant.
Wissenschaftlicher Hintergrund der aktuellen Studie
Innerhalb der (ökonomischen) Forschungsliteratur ist jedoch
umstritten, auf welche Einflussfaktoren die oben beschriebene
Bildungslücke im Sekundarbereich zurückzuführen ist. Die
Ursache kann in der unterschiedlichen Zusammensetzung
beider Gruppen hinsichtlich ihres sozio-ökonomischen Fami-
lienhintergrunds liegen (z. B. Entorf/Tatsi, 2009; Lüdemann/
Schwerdt, 2012). Außerdem können auch migrationsspezi-
fische Faktoren, wie etwa mangelnde Sprachkenntnisse oder
Diskriminierung, ursächlich sein (z. B. OECD, 2006).
In Deutschland unterscheiden sich Familien mit und ohne
Migrationshintergrund hinsichtlich ihres sozio-ökonomischen
Status in der Tat deutlich voneinander. In Abbildung 2 sind
deskriptive Befunde bezüglich der hier betrachteten Stichprobe
zusammengefasst. Betrachtet man die Unterschiede zwischen
Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, so weisen die
Gruppen statistisch signifikante Unterschiede hinsichtlich al-
ler hier betrachteten Merkmale der sozialen Herkunft auf. Kin-
der ohne Migrationshintergrund stammen aus Familien mit
einem höheren sozio-ökonomischen Status. Im Durchschnitt
verfügen ihre Eltern über einen höheren Bildungsabschluss,
einen höheren beruflichen Status sowie ein höheres Haushalts-
einkommen. Werden diese Unterschiede der sozialen Herkunft
beider Gruppen nicht adäquat berücksichtigt, besteht also die
Gefahr, „Äpfel mit Birnen“ zu vergleichen.
Im Folgenden werden deshalb Ergebnisse dargestellt, die
über einen reinen Mittelwertvergleich hinausgehen. In un-
serer Studie werden die Unterschiede zwischen Kindern mit
und ohne Migrationshintergrund beim Bildungsübergang
in die weiterführenden Schulen wie folgt zerlegt: Einerseits
in einen „erklärten“ Teil, der auf Unterschiede in der sozio-
ökonomischen Zusammensetzung zurückzuführen ist, und
andererseits in einen Teil, der „unerklärt“ bleibt und auf mi-
grationsspezifische oder andere Faktoren zurückzuführen ist.
Diese Zerlegung erfolgt empirisch mittels eines sogenannten
Matching-Verfahrens. Ein solches Verfahren ermöglicht es,
den sprichwörtlichen Vergleich von „Äpfeln und Birnen“ zu
umgehen, indem es jedemKind mit Migrationshintergrund ein
„statistisches Zwillingskind“ ohne Migrationshintergrund, je-
doch mit ähnlichen sozio-ökonomischen Merkmalen zuordnet
2
.
Somit kann belastbar untersucht werden, ob Bildungsunter-
Abb. 2:
Sozio-ökonomischer Status der Herkunfts­
familie nach Migrationsstatus
Quelle: Sozio-ökonomisches Panel (SOEP), eigene Berechnungen
Ohne Migrationshintergrund (N=540)
0 10 20 30 40 50 60 70
Mit Migrationshintergrund (N=230)
Angaben in Prozent
Ausbildungsdauer Eltern*
< 10 Jahre
Monatl. Netto-Haushalts-
eink.* < 2.744,82 €
Mutter berufstätig
Vater nicht berufstätig/
arbeitslos
Vater Arbeiter
Vater selbstständig
Vater Angestellter
Vater Beamter
8
28
64
3
31
13
42
10
43
50
42
13
57
7
22
1
* Die Ausbildungsdauer der Eltern wird als Durchschnitt beider Elternteile berechnet. Ein monatliches
Netto-Einkommen von 2744,82 € entspricht dem Median der Haushalte mit Migrationshintergrund.