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erzielen die Arbeitgeber dabei insgesamt höhere Gewinne, als
wenn sie die unpräzise Geschlechtsinformation nicht genutzt
hätten. Anders als bei präferenzbasierter Diskriminierung ent-
stehen den Arbeitgebern bei statistischer Diskriminierung keine
Kosten. Im Gegenteil, diskriminierende Unternehmen verschaf-
fen sich dadurch sogar einen Kostenvorteil, sodass statistische
Diskriminierung nicht von den Marktkräften eingeebnet wird,
sondern langfristig bestehen bleiben kann.
3. Gleiches gilt bei „monopsonistischer Diskriminierung“,
einem Erklärungsansatz, der erst seit Kurzem stärkere Be-
achtung findet (Details bei Hirsch/Schank/Schnabel, 2010).
Ausgangspunkt ist hier die gut belegte Annahme, dass Frauen
imDurchschnitt ihre Arbeitsplatzwahl weniger von der Entloh-
nung abhängig machen, sondern – nicht zuletzt wegen häus-
licher und familiärer Verpflichtungen – anderen Faktoren wie
dem Vorhandensein (betrieblicher) Kinderbetreuung, der Län-
ge des Arbeitswegs oder familienfreundlichen Arbeitszeiten
eine größere Bedeutung einräumen, als dies Männer tun. Dies
hat zur Folge, dass Unternehmen gegenüber Frauen eine hö-
here Marktmacht aufweisen, d. h. sie müssen bei ihrer Entgelt-
gestaltung auf diese weniger Rücksicht nehmen oder können
die geringere Verdienstempfindlichkeit der Mitarbeiterinnen
sogar gezielt ausnutzen, um ihren Gewinn zu erhöhen. Eine
detaillierte empirische Analyse von Hirsch/Schank/Schnabel
(2010) für Westdeutschland von 2000 bis 2002 deutet darauf
hin, dass sich Frauen weniger entgeltgetrieben verhalten als
Männer und dies von den Unternehmen ausgenutzt wird. Nach
dieser Untersuchung lässt sich mindestens ein Drittel des uner-
klärten Restes der Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern
auf Lohndiskriminierung durch monopsonistische Arbeitgeber
zurückführen. Im Gegensatz zu dem auf Unterschiede in den
produktiven Eigenschaften von Männern und Frauen zurückzu-
führenden Teil der Verdienstlücke und einem großen Teil der Ver-
dienstunterschiede infolge von horizontaler Segregation können
alle dargestellten Formen von Lohndiskriminierung eindeutig
als ungerechtfertigt betrachtet werden. Sie führen nämlich zu
einer geringeren Entlohnung von Frauen im gleichen Betrieb,
Beruf und Wirtschaftszweig bei gleicher Arbeitszeit und Produk-
tivität, die gesellschaftlich unerwünscht und inakzeptabel ist.
Besonders problematisch ist hierbei, dass statistische wie mo-
nopsonistische Diskriminierung gewinnsteigernde Strategien
sind. Dies lässt befürchten, dass sie gezielt eingesetzt werden
und am Markt bestehen bleiben, da nicht-diskriminierende Un-
ternehmen einen Kostennachteil hätten. Abschließend ist da-
rauf hinzuweisen, dass sich gesellschaftlich wie ökonomisch
unerwünschte Lohn- und Beschäftigungseffekte nicht nur in-
folge einer tatsächlich ausgeübten Diskriminierung ergeben.
Sie können auch auftreten, wenn Frauen eine Diskriminierung
antizipieren und deshalb z. B. ihre Berufswahl und Karrierepla-
nung entsprechend ändern, was wiederum zu horizontaler und
vertikaler Segregation führt.
Schlussfolgerungen
Unsere Analyse hat gezeigt, dass zwar ein erheblicher Teil des
relativ großen Verdienstunterschieds vonMännern und Frauen
in Deutschland auf Unterschiede in ihren Arbeitszeiten und
produktiven Eigenschaften sowie auf berufliche und sektorale
Segregation zurückgeführt werden kann. Allerdings verbleibt
als unerklärter Rest eine Verdienstlücke von rund 12 bzw. 9 %
in West- bzw. Ostdeutschland, die zumindest teilweise auf Dis-
kriminierung verschiedenster Art zurückzuführen sein dürfte.
Will man die geschlechtsspezifische Verdienstlücke insgesamt
sowie ihren unerklärten Rest verringern, so sollten einerseits
die Ursachen von gerechtfertigten Verdienstunterschieden an-
gegangen und andererseits Anreize zur Lohndiskriminierung
von Frauen bekämpft werden.
Ein wichtiger Ansatzpunkt besteht darin, die Erwerbsbiogra-
fien von Frauen dadurch zu verstetigen, dass die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf verbessert und deren Erwerbsunterbre-
chungen verringert werden.
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Zu denken ist hier etwa an ein
umfassenderes Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten,
familienfreundliche Arbeitszeiten sowie eine bessere Einbin-
dung der Väter bei der Kindererziehung und der Männer bei
der Pflege von Angehörigen. Durch geringere Erwerbsunter-
brechungen würden die auf unterschiedliche produktive Ei-
genschaften von Frauen und Männern zurückzuführenden
Verdienstunterschiede verringert, und Frauen und ihre Arbeit-
geber hätten stärkere Anreize zur betrieblichen Weiterbildung.
Die Verstetigung der Erwerbsbiografien könnte auch das Aus-
maß von Segregation verringern, das auf die Selbstselektion von
Frauen in Berufe und Positionen mit geringen Humankapital-
abschreibungen bei Erwerbsunterbrechungen zurückzuführen
ist. Wenn weibliche Arbeitnehmer stärker den Preissignalen
des Markts folgten und häufiger statt in überlaufene, schlecht
bezahlte „Frauenberufe“ in oftmals durch Fachkräftemangel
und hohe Verdienste gekennzeichnete „Männerberufe“ streb-
ten, ließe sich die Verdienstlücke infolge horizontaler Segrega-
tion deutlich abschwächen. Dies erfordert jedoch Änderungen
von traditionellen Einstellungen und Entscheidungen bei der
Ausbildungs- und Studienfachwahl junger Frauen, die trotz al-
ler sinnvollen Bemühungen von Politik und Wirtschaft (wie
„Girls’ Day“ und Schnupperpraktika) nur langsam vorankom-
men.
Noch schwieriger dürfte es sein, gegen diskriminierendes
Verhalten von Arbeitgebern vorzugehen – nicht zuletzt, weil
dieses gewinnsteigernd sein kann, sofern es nicht entdeckt
und finanziell spürbar sanktioniert wird. Trotz des gesetzlichen
Diskriminierungsverbots werden manche Unternehmen wei-
terhin Mittel und Wege finden, dieses zu umgehen. Dennoch
gibt es zumindest Ansatzmöglichkeiten, statistische und mo-
3 Erwerbsunterbrechungen können in der Tat mit erheblichen Lohnverlusten einhergehen. Einer Analyse
von Beblo/Bender/Wolf (2009) zufolge beträgt die Lohneinbuße einer Erwerbsunterbrechung infolge
der Geburt des ersten Kindes im Durchschnitt 19 %.