Seite 12 - PERSONALquarterly_2013_03

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Schwerpunkt
_chancengleichheit
oder produktive Eigenschaften von Männern und Frauen noch
auf berufliche oder sektorale Segregation zurückgeführt werden
kann. Es liegt nahe, diesen unerklärten Rest der Verdienstlücke
von 12 bzw. 9 % als ein Indiz für Lohndiskriminierung zu in-
terpretieren. Da Diskriminierung – nicht erst seit Inkrafttreten
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 2006 – in
Deutschland verboten ist, werden Arbeitgeber sie kaum unmit-
telbar und offen praktizieren. Allerdings können diskriminie-
rende Praktiken bei der Stellenbesetzung, Eingruppierung und
beruflichen Weiterentwicklung (allokative Diskriminierung) so-
wie unterschiedliche Bewertungen der Leistungen von Männern
und Frauen (evaluative Diskriminierung) zu einer mittelbaren
Verdienstdiskriminierung führen, die eine Ursache der oben
beschriebenen vertikalen Segregation darstellen dürfte.
Im Folgenden werden drei wichtige Erklärungsansätze zur
Diskriminierung diskutiert, nämlich die präferenzbasierte, die
statistische und die monopsonistische Diskriminierung.
1. Von „präferenzbasierter Diskriminierung“ spricht man,
wenn diese das Ergebnis bestimmter Vorlieben bzw. Abnei-
gungen von Arbeitgebern, Kolleg(inn)en oder Kunden ist (Be-
cker, 1971). Diskriminierende Arbeitgeber ziehen nach diesem
Ansatz einen negativen Nutzen aus der Beschäftigung weib-
licher Mitarbeiter, schätzen daher deren Produktivität gerin-
ger ein und nehmen einen entsprechenden Verdienstabschlag
für Frauen vor. Das Ausleben ihrer diskriminatorischen Präfe-
renzen ist für die Arbeitgeber allerdings nicht kostenlos, da sich
nicht-diskriminierende Konkurrenten durch Abwerbung von
Frauen zu Löhnen unterhalb ihrer tatsächlichen Produktivität
einen Kostenvorteil verschaffen können. Dies deutet auf eine
gravierende Schwäche der Theorie präferenzbasierter Diskri-
minierung hin: Da diskriminierende Arbeitgeber niedrigere
Gewinne erzielen, sollten diese langfristig aus hinreichend
wettbewerblichen Märkten verdrängt werden und mit ihnen
auch die Lohndiskriminierung verschwinden. Diskriminierung
ist demnach insbesondere bei unzureichendemWettbewerb auf
Gütermärkten möglich, und dafür gibt es auch empirische Hin-
weise. Hirsch/Oberfichtner/Schnabel (2012) finden mit Daten
des LIAB für Westdeutschland (aber nicht für Ostdeutschland),
dass die unerklärte Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern
um mehrere Prozentpunkte geringer ausfällt, wenn sich die
Betriebe einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt sehen.
2. Bei „statistischer Diskriminierung“ dient das Geschlecht
unvollkommen informierten Arbeitgebern als ein Hilfsindikator,
der imGegensatz zu Informationen über die tatsächliche Produk-
tivität von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen kostenlos zur
Verfügung steht (Phelps, 1972). Erwarten oder beobachten Ar-
beitgeber bei Frauen z. B. imDurchschnitt höhere Fehlzeiten und
häufigere Erwerbsunterbrechungen mit entsprechenden Produk-
tivitätseinbußen, so werden sie jeder Frau unabhängig von ihrem
Einzelfall pauschal eine geringere Produktivität unterstellen und
weiblichen Mitarbeitern daher als Gruppe niedrigere Verdienste
zahlen, ihre Karrieren weniger fördern etc. Interessanterweise
Abb. 2:
Unbereinigter und bereinigter Verdienstabstand im Jahr 2008
(in Prozent des Männerverdienstes)
Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage des LIAB
Westdeutschland
Ostdeutschland
unbereinigt
-20
-10
-5
0
-15
-25
-22
-18
gleiches
Humankapital
-12
gleiches
Humankapital,
gleicher Beruf,
gleiche Branche,
gleicher Betrieb
unbereinigt
-14
-16
gleiches
Humankapital
-9
gleiches
Humankapital,
gleicher Beruf,
gleiche Branche,
gleicher Betrieb