Seite 9 - PERSONALquarterly_2013_01

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Krell:
Wenn ich als Forscherin in Sachen Diskriminierung mal
wieder fündig geworden bin, ist die Freude darüber immer
getrübt. Dass der Gender Pay Gap in Führungspositionen über-
durchschnittlich groß ist, zeigt, dass hier noch erheblicher For-
schungs- und Handlungsbedarf besteht.
Ganz besonders ärgerlich finde ich das sog. „Kronprinzenmo-
dell“: Eine ältere Führungskraft baut ihren männlichen Nach-
folger auf, und wenn dann eine ebenfalls geeignete Frau ihre
berechtigten Ansprüche anmeldet, wird sie als Querulantin
abgestempelt und im Extremfall sogar gemobbt.
Generell gilt: Wenn die Kriterien, Verfahren und Praktiken zur
Besetzung von Toppositionen intransparent sind, dann wirkt
sich das systematisch zum Nachteil von Frauen aus. Insofern
stellt sich die Frage, ob wir es hier nicht mit mittelbarer Be-
nachteiligung und damit mit einem Verstoß gegen geltendes
Recht zu tun haben. Daran arbeite ich gerade.
PERSONALquarterly:
Welchen Rat geben Sie jungen Frauen, um
sich im Management „durchzusetzen“?
Krell:
Viele Ratgeber oder Ratschläge werden den komplexen,
um nicht zu sagen vertrackten, Geschlechterverhältnissen in
Führungspositionen nicht gerecht.
Das Beispiel „mehr netzwerken!“ hatten wir schon. Ein anderes
ist „mehr Impressions-Management!“. Das blendet aus, dass
Frauen davon mehr brauchen, um erfolgreich zu sein, dann
aber die Gefahr besteht, dass das als „zu viel“, weil „unpassend
für eine Frau“ abgewertet wird. Dadurch wird Impressions-
Management für Frauen zu einem Drahtseilakt, wie Susanne
Funken und MitarbeiterInnen in ihrer Studie „Die Projektdar-
steller: Karriere als Inszenierung“ herausgearbeitet haben.
Insofern lautet mein Tipp: Bedenken Sie, dass Sie als Frau
anders wahrgenommen und bewertet werden als Ihre männ-
lichen Kollegen. Und was mir ganz besonders am Herzen liegt:
Keine Angst vor Quoten bzw. nicht dem Argument aufsitzen:
„Sie wollen aber doch bestimmt keine Quotenfrau sein, son-
dern durch Leistung überzeugen.“ Das ist Teil des Machtspiels.
PERSONALquarterly:
Was sind die drängendsten, offenen For­
schungsfragen der Zukunft?
Krell:
Wir müssen noch viel mehr darüber wissen, wie gleich-
stellungspolitische Konzepte und Maßnahmen so ausgestaltet
und umgesetzt werden können, dass sie wirksamer sind. Im
Einzelnen geht es darum, jeweils eine gute Mischung aus ver-
schiedenen Maßnahmen zu finden, Widerstände und Ängste
einerseits ernst zu nehmen, aber andererseits auch zu über-
winden und schließlich zu verhindern, dass auf der Vorder-
bühne „Chancengleichheit“ inszeniert wird, während auf der
Hinterbühne etwas ganz anderes abläuft.
Zu alledem kann Forschung zwar keine Patentrezepte liefern,
aber sie kann in Kooperation und zugleich kritischer Auseinan-
dersetzung mit der Praxis Probleme identifizieren und Reflexi-
ons- und Orientierungshilfen zu deren Bearbeitung generieren.
PERSONALquarterly:
Was hat die Diversity-Diskussion gebracht?
Laut neueren Informationen profitieren insbesondere Auslände­
rinnen vom Einzug in die Spitzengremien.
Krell:
Wir können in Sachen Geschlechtergleichstellung von Di-
versity viel profitieren. Diversity-Konzepte lenken den Blick
auch auf weitere für den Zugang zu Führungspositionen rele-
vante Faktoren, wie die nationale und auch die soziale Herkunft.
Diese und andere Dimensionen von Diversity sollten aber nicht
wie Perlen auf der Schnur betrachtet und behandelt werden,
sondern als miteinander verschränkt.
Wenn wir wirklich gemischte Führungsteams wollen, dann
brauchen wir dort Frauen und Männer mit und ohne Familien-
verantwortung, mit und ohne Migrationshintergrund, verschie-
denen Alters, verschiedener sozialer Herkunft, verschiedener
sexueller Orientierung usw. Aber was wir nicht brauchen ist,
dass Gender und andere Dimensionen von Diversity gegenei-
nander ausgespielt werden.
„Kriterien und Verfahren der Besetzung von (Top-)
Führungspositionen, inklusive Aufsichtsräten, müssen
transparenter werden.“
Prof. Dr. Gertraude Krell