Seite 8 - PERSONALquarterly_2013_01

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Schwerpunkt
_Interview
zeit verbunden. Programme und Maßnahmen zur Führung in
Teilzeit zeigen, dass das ein Mythos ist, und sie sind deshalb
ein Schritt in die richtige Richtung – aber bitte immer auch für
Männer. Das gilt im Übrigen für alle Maßnahmen zur Verbes-
serung der Work-Life-Balance in Führungspositionen.
PERSONALquarterly:
Wahrscheinlich ist es schwierig bis unmög­
lich, ein uniformes Erfolgsrezept darzustellen. Aber kennen Sie
trotzdem beeindruckende Beispiele, wo es Frauen dennoch „ge­
schafft“ haben? Mir fällt zum Beispiel die derzeitige Vorstands­
vorsitzende der Berliner Verkehrsgesellschaft ein, die neulich
ihr viertes Kind bekommen hat, von zwei prominenten Ministe­
rinnen im Bund oder in Brandenburg ganz zu schweigen.
Krell:
Solche Beispiele finde ich ambivalent. Einerseits signa-
lisieren sie: „Es geht doch“; für mich als Nachwuchswissen-
schaftlerin war es schon wichtig, dass es Professorinnen mit
Kindern gab. Andererseits ist statistisch belegt, dass weibliche
Führungskräfte im Durchschnitt noch immer deutlich weniger
Kinder haben als männliche. Und die Frauen mit oder ohne
Kinder, deren Karrieren nicht oder weniger erfolgreich verlau-
fen sind, müssen sich angesichts solcher „Vorzeigefrauen“ ja
auch fragen, was sie persönlich falsch gemacht haben – und
damit werden strukturelle Probleme individualisiert.
PERSONALquarterly:
Welche Stereotype, Vorurteile und Mythen
fallen Ihnen zum Thema Frauen und Männer im Management
ein?
Krell:
Zuallererst das noch immer mächtige Stereotyp „Think
manager, think male“. Dadurch, dass der Prototyp einer ­guten
Führungskraft eine Person mit als männlich geltenden Ei-
genschaften oder ein Mann ist, werden Frauen benachteiligt.
Den Mythos, Führen erfordere überlange Arbeits- bzw. An-
wesenheitszeiten, habe ich schon angesprochen. Der Mythos,
dass Frauen sich nicht trauen, um Aufstieg oder mehr Gehalt
nachzufragen, wurde durch eine Studie meiner Frankfurter
­Kolleginnen Andrea Ruppert und Martina Voigt widerlegt. Da-
bei kam übrigens auch heraus, dass Männer öfter als Frauen
gar nicht nachfragen mussten, sondern gefragt wurden.
PERSONALquarterly:
Ist es auch ein Vorurteil, dass Männer die
besseren Netzwerker sind?
Krell:
Hier besteht das Problem eher darin, dass Frauen wie
Männer dazu neigen, Netzwerke mit ihresgleichen zu bilden.
Frauen, die aufsteigen wollen, müssen aber, wie Nicoline Schei-
degger und ihre Doktormutter Margit Osterloh aus Zürich
gezeigt haben, gerade intensiv mit höhergestellten Männern
netzwerken. Frauen müssen also doppelt netzwerken oder auf
die Unterstützung durch Frauennetzwerke verzichten. Und:
Es liegt nicht in erster Linie an den Frauen selbst, wenn sie in
Männernetzwerken nicht mit offenen Armen empfangen und
in gemischten Netzwerken eher marginalisiert werden.
PERSONALquarterly:
Sind Frauen denn die besseren Manage­
rinnen? Gibt es hierzu gesicherte Erkenntnisse? Was halten
Sie hierbei von Meta-Analysen und anderen Effizienzbetrach­
tungen?
Krell:
Die empirischen Befunde der geschlechtervergleichenden
Forschung zu Führungseigenschaften, -verhalten und -erfolg
sind höchst widersprüchlich. Es gibt „Belege“ für „Frauen füh-
ren anders = schlechter“, für „Frauen führen anders = besser“
und auch und vor allem für „keine Unterschiede“. Das liegt
daran, dass hier nicht Unterschiede gemessen, sondern durch
Selbst- und Fremdbeschreibungen Unterscheidungen fabri-
ziert werden. Und da helfen auch keine Meta-Analysen. Auch
Studien, die „beweisen“, dass sich mehr Frauen in Führungspo-
sitionen positiv (oder auch negativ) auf den ökonomischen Er-
folg auswirken, halte ich methodisch für höchst problematisch.
Da wird eine Kausalität suggeriert, die so nicht gegeben ist,
weil zahlreiche intervenierende Variablen und Zurechnungs-
probleme existieren. Der Diversity-Forschung zufolge ist ein
ganz wichtiger Faktor, wie mit Vielfalt umgegangen wird, d. h.
hier: Unter welchen Bedingungen diese Frauen arbeiten und
leisten können.
„Frauen führen besser“ halte ich für ein gleichstellungspoli-
tisches Danaergeschenk. Die Aufwertung von „Weiblichkeit“
erfolgt um den Preis der Stereotypisierung. Für die Personal-
politik bedeutet das eine Aufforderung zu statistischer Dis-
kriminierung. Zudem werden Erwartungen geweckt, die für
weibliche Führungskräfte zu einer weiteren Zusatzanforde-
rung und -belastung werden. Und diejenigen Frauen, die nicht
dem Klischee entsprechen, werden als „unweiblich“ stigmati-
siert oder gar ausgegrenzt.
PERSONALquarterly:
Welche Unternehmen fallen Ihnen besonders
als „Best-Practice-Beispiele“ ein? Was wird dort besonders gut
gemacht?
Krell:
Hier möchte ich zunächst die Unternehmen nennen, die
Zielgrößen für die Erhöhung der Frauenanteile in Führungspo-
sitionen festschreiben. Das wohl prominenteste Beispiel dafür
ist die Einführung der Quote bei der Telekom. Aber auch andere
Unternehmen, wie bspw. Daimler oder die Bahn, arbeiten mit
Zielvorgaben, die dort nur nicht als Quoten bezeichnet wer-
den. Als Beispiel für ein Diversity-Training für Führungskräfte
(„Managing Unconscious Bias“) möchte ich die Deutsche Bank
nennen, als eines für eine diversity-orientierte Beurteilung
Motorola. Diese und weitere Beispiele finden sich, wenn Sie
den kleinen Werbeblock gestatten, in der 2011 erschienenen
sechsten Auflage des von mir mit herausgegebenen Buchs
„Chancengleichheit durch Personalpolitik“.
PERSONALquarterly:
Welche Formen von Diskriminierung sehen
Sie nach wie vor als ärgerlich an? Wie steht es hier z. B. bei der
Personalauswahl, der Beförderung oder der Vergütung?