Seite 51 - PERSONALquarterly_2013_01

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ährend immer mehr Organisationen und zuneh­
mend auch die aktuelle Forschung feststellen,
dass Mütter mit Kindern die Belegschaft verlas­
sen, sind die Gründe für dieses Verhalten noch
wenig erforscht. Die Entscheidung, die Organisation zu verlas­
sen, entsteht oft direkt nach der Zeit des Mutterschutzes, da in
dieser Zeit Mütter vor der Herausforderung stehen, die weithin
bekannte „Balance“ zwischen Arbeit und Familie bzw. Mut­
terschaft herzustellen. Um die Frage zu beantworten, warum
insbesondere Frauen nach der Geburt des ersten Kindes die
Organisation verlassen, bedienen sich die Autoren der Theorie
des „psychologischen Vertrags“ und einer Stichprobe von 181
Frauen in den USA, die zum ersten Mal ein Kind bekamen. Als
psychologischer Vertrag werden die nicht-schriftlichen, implizi­
ten Vorstellungen und Erwartungen zwischen Arbeitnehmern
und Arbeitgebern bezeichnet, die beide Parteien an eine ge­
meinsame Arbeitsbeziehung knüpfen. Die Autoren gehen da­
von aus, dass Vorgesetzte durch einen Bruch dieses Vertrags
Mütter im Unternehmen
halten durch Fairness
Whitney Botsford Morgan
(University of Housten-­Downtwon)
&
Eden B. King
(George Mason University). „Mother’s
­Psychological Contracts: Does Supervisor Breach Explain
­Intention to Leave the Organization?“ Human Resource
Manage­ment, (2012), Vol. 51, No. 5, 629-650.
ihren Platz in einer Rangliste von neun weiteren Teilnehmern
des Experiments erhalten werden. Eine andere Gruppe erhält
gar keine Informationen über die Leistung der anderen Teil­
nehmer.
Ein Hauptresultat der Untersuchung ist, dass allein die
Ankündigung von Ranglisten-Feedback die Anzahl der bear­
beiteten Aufgaben signifikant erhöht, verglichen mit der Un­
tersuchungsgruppe, in der kein Feedback gegeben wird. Mittels
einer vorher durchgeführten Befragung haben die Forscher er­
mittelt, welchen Rangplatz die einzelnen Teilnehmer der Studie
erwarten. Dabei fanden die Forscher einen interessanten Ef­
fekt: Der positive Einfluss von Feedback auf die Arbeitsleistung
wird maßgeblich von Teilnehmern getragen, die sich selbst als
besonders gut einschätzen. Für Teilnehmer, die glauben, dass
sie schlecht abschneiden, hat Feedback keinen positiven Effekt.
Neben dem Effekt der Ankündigung von Ranglisten-Feed­
back untersuchen die Wissenschaftler auch den Effekt auf die
Leistung über mehrere Runden. Die Ergebnisse zeigen, dass
die Entscheidung von Müttern, in der Organisation zu bleiben,
negativ beeinflussen. Der Vertrag umfasst in dieser Studie zwei
unterschiedliche Facetten: 1. den Bruch des psychologischen
Vertrags bezogen auf die Arbeit (z. B. Bezahlung, Karriere­
entwicklung) und 2. den Bruch des Vertrags bezogen auf die
Familie (z. B. Unterstützung des Familienlebens, flexible Ar­
beitszeitmodelle).
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass beide Arten des Ver­
tragsbruchs die Intention, eine Organisation zu verlassen,
erhöhen. Es zeigt sich aber, dass Vorgesetzte diese Intention
senken können, wenn sie Müttern in wichtigen Entscheidungs­
prozessen Fairness und Respekt entgegenbringen. Somit haben
Vorgesetzte auf diese Weise eine Möglichkeit, den negativen
Auswirkungen eines Bruchs des psychologischen Vertrags ent­
gegenzuwirken. Aus praktischer Sicht sind diese Ergebnisse
besonders interessant, denn bisher wurde davon ausgegan­
gen, dass Vorgesetzte aktiv nur wenig gegen die Entscheidung
unternehmen können, eine Organisation zu verlassen. Diese
Studie zeigt jedoch, dass eine faire Behandlung und eine beson­
dere Berücksichtigung des psychologischen Vertrags durch die
Vorgesetzten dazu beitragen können, Mütter nach demMutter­
schutz in der Organisation zu halten. Jedoch bedarf es dafür
einer besonderen Schulung der Vorgesetzten und einer klar
fixierten Personalpolitik, um Müttern nach der Rückkehr in
den Beruf das Gefühl zu vermitteln, dass mit ihnen und ihrer
neuen Situation fair und respektvoll umgegangen wird.
Besprochen von
Marius Wehner
, Personalmanagement, Mittel-
stand und Entrepreneurship, Justus-Liebig-Universität Gießen
Top-Performer über die Zeit ihre Leistung steigern und ein
Wettbewerb um die guten Rangplätze entsteht. Der leistungs­
steigernde Wettbewerb nimmt bei den eher schlechten Mitar­
beitern allerdings drastisch ab.
Für die betriebliche Praxis könnten die Resultate bedeuten,
dass ein einheitliches Feedback-System imDurchschnitt mögli­
cherweise nicht die von der Firmenleitung gewünschten Erfolge
erzielt. Im Lichte dieser Ergebnisse scheint es sinnvoll zu sein,
unterschiedlichen Mitarbeitern maßgeschneiderte Feedback-
Formen zur Verfügung zu stellen. Regelmäßige Leistungsbe­
urteilungen bei besonders guten Mitarbeitern können positive
Wirkungen entfalten. Für Mitarbeiter, die die Leistungsziele
verfehlen, sind unter Umständen andere Instrumente zur Leis­
tungsverbesserung notwendig.
Besprochen von
Rainer Michael Rilke
, Seminar für ABWL,
Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik, Universität zu
Köln