Seite 50 - PERSONALquarterly_2013_01

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G
uter Lohn und ein hohes Maß an Kontrolle gelten
– zumindest der Theorie nach – als die besten Ins­
trumente, Mitarbeiter zu motivieren und vom Fau­
lenzen abzuhalten. Die neueste Forschung hat aber
auch gezeigt, dass nicht-monetäre Anreize einen positiven Ef­
fekt auf die Arbeitsleistung haben können. Außerdem wurde
herausgefunden, dass sich das übermäßige Kontrollieren der
Mitarbeiter negativ auf den Unternehmenserfolg auswirken
kann.
Wissenschaftler aus den USA und Spanien haben in ihrem
aktuellen Forschungspapier einen alternativen Ansatz der
Mitarbeitermotivation untersucht. Inspiriert wurden sie da­
bei vom erfolgreichen Maschinenbauer Semco aus Brasilien.
Dieser lässt seine Mitarbeiter selbst über die eigene Lohnhöhe
und die zu leistenden Arbeitsstunden entscheiden. Kern der
Unternehmensphilosophie ist somit ein hohes Maß an Eigen­
verantwortlichkeit und Vertrauen.
Um die Wirkungsmechanismen des Semco-Prinzips besser
zu verstehen, haben es die Forscher in ein Laborexperiment
übertragen. In der Untersuchungsanordnung bildeten immer
zwei Versuchsteilnehmer in den Rollen eines Arbeitgebers
und eines Arbeitnehmers ein fiktives Unternehmen. Durch die
Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wurde der Unternehmens­
profit generiert, von dem der Arbeitgeber den Lohn seines
Arbeitnehmers bezahlte. Den restlichen Gewinn behielt der Ar­
beitgeber für sich. Je mehr sich der Arbeitnehmer anstrengte,
desto höher war der Gewinn des Unternehmens.
Der Arbeitgeber konnte selbst über die Lohnhöhe bestimmen
oder diese Entscheidung an den Arbeitnehmer delegieren. Der
Arbeitnehmer musste dann sein Arbeitsanstrengungsniveau
wählen. Zusätzlich – im Falle der Delegation – musste er auch
seine Lohnhöhe selbst festsetzen. Die Interaktion beider Par­
teien fand über mehrere Runden statt, sodass ein strategisches
Element zwischen beiden vorhanden war: Würde sich ein Ar­
beitnehmer übermäßig viel Lohn zuteilen, könnte der Arbeit­
geber die delegierte Lohnentscheidung zu sich zurücknehmen.
Die Versuchsergebnisse zeigten, dass sich die Arbeitnehmer
mehr anstrengten, wenn sie ihre Lohnhöhe selbst bestimmten.
Durch die gestiegene Arbeitsleistung stieg auch der Unterneh­
mensprofit, was letztlich dazu führte, dass Arbeitgeber und
Motivation: Mitarbeiter
bestimmen ihre Löhne
Gary Charness
(University of California),
Ramón Cobo-Reyes
,
Natalia Jiménez
,
Juan A. Lacomba
&
Francisco Lagos
(Univer-
sity of Granada): „The Hidden Advantage of Delegation:
Pareto Improvements in a Gift Exchange Game.“
American Economic Review, (2012), 102(5), 2358-2379.
I
ndividuelle Leistungsbeurteilungen bzw. Feedback-Ge­
spräche werden in der Personalpraxis verstärkt zur Mit­
arbeiterentwicklung und Motivation eingesetzt. Dabei ist
der leistungssteigernde Effekt grundsätzlich fragwürdig.
In der wissenschaftlichen Debatte herrscht weitgehend Einig­
keit darüber, dass eine gute Leistungsbeurteilung das Selbst­
wertgefühl des Mitarbeiters stärkt und so die Arbeitsleistung
steigern kann. Eine sehr schlechte Leistungsbeurteilung hinge­
gen z. B. könnte einen negativen Einfluss auf die Selbstachtung
des Angestellten entfalten und so zu einem Leistungsabfall
führen. Ob dies der Fall ist und welchen Effekt Feedback wirk­
lich auf die Leistung hat, wurde von den Forschern in einem
Laborexperiment untersucht. Genauer gesagt untersuchen die
Forscher in dieser Studie, welche Auswirkung ein Ranking der
Mitarbeiter hat. Im Experiment lassen die Forscher Studenten
für einen fixen Lohn Multiplikationsaufgaben lösen. Die An­
zahl der gelösten Rechenaufgaben dient den Forschern dabei
als Anhaltspunkt für die individuelle Leistungsfähigkeit. Bevor
sich die Studenten diesen Aufgaben widmen können, erfährt
eine Gruppe, dass sie nach den Aufgaben Informationen über
Mehr Leistung durch maß­
geschneidertes Feedback
Camelia M. Kuhnen
(Kellog School of Management) &
Agnieszka Tymula
(New York University):
„Feedback, Self-Esteem, and Performance in Organizations.“
Management Science, Vol. 58, No. 1 (January 2012), 94-113.
Arbeitnehmer mehr verdienten. In einer Kontrollanordnung
zeigte sich außerdem, dass sich Arbeitnehmer bei gleichem
Lohn mehr anstrengten, wenn dieser Lohn selbst bestimmt
war.
Die Delegation der Lohnhöhenfestlegung impliziert also mo­
tivierende Wirkung. Laut den Autoren der Studie geht mit ihr
ein größeres Verantwortungsgefühl, stärker empfundene Au­
tonomie und geringere Wahrnehmung von Kontrolle einher.
Honoriert wird die Delegation dann mit pro-sozialerem und
loyalerem Verhalten und letztlich mit höherer Arbeitsleistung.
Die Delegation der Lohnhöhenfestsetzung an den Arbeitneh­
mer könnte somit ein geeigneter alternativer Weg sein, Mitar­
beiter zu motivieren.
Besprochen von
Julian Conrads
, Seminar für ABWL, Unterneh-
mensentwicklung und Wirtschaftsethik, Universität zu Köln