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einer eher stabilen Industriegesellschaft hin zur globalisier-
ten Informationsgesellschaft fort. Entsprechend vertraut sind
Individuen dieser Generation mit neueren technischen Ent-
wicklungen. Der Begriff „ Generation X“ ist angelehnt an einen
entsprechenden Romantitel von Douglas Coupland. „Y“ ist der
nächste Buchstabe im Alphabet und leitet sich nicht unmittel-
bar aus den Charakteristika dieser Generation ab (englisch Y
spricht sich „Why“: „Die Generation, die nach Begründungen
fragt“).
Ursachenanalyse: Alter, Trends oder Generationeneffekte?
Niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass Personal-
arbeit heute anders aussehen muss, als dies vor 20 oder 30
Jahren der Fall war. Um passgenaue personalwirtschaftliche
Instrumente entwickeln zu können, müssen die Ursachen von
Veränderungen identifiziert werden. Langfristig sind neben
Generationeneffekten insbesondere Veränderungen der Rah-
menbedingungen und Trends (z. B. technologische oder gesell-
schaftliche) dafür verantwortlich. Die geringere Bedeutung von
Printmedien bei der Personalrekrutierung ist beispielsweise
wesentlich durch die technologischen Möglichkeiten des Inter-
nets und des E-Recruiting bedingt.
Methodisch problematischer ist jedoch die Trennung von
Alters- und Generationeneffekten. Direkte Befragungen von
Mitarbeitern unterschiedlichen Alters zeigen beispielsweise
eine geringere Bindung an den Arbeitgeber bei jüngeren Ar-
beitnehmern auf.
Die Schlussfolgerung, „die Generation Y ist weniger loyal“,
ist jedoch voreilig, da z. B. mit zunehmendem Alter die Wech-
selneigung leicht abnimmt. Diese Unterscheidung in Genera-
tionen- und Alterseffekte ist nicht nur theoretisch, sondern
auch praktisch hochrelevant: Sind zum Beispiel Alterseffekte
bedeutsamer als Generationeneffekte, sollte die Personalar-
beit lebensphasenorientiert und nicht generationenorientiert
ausgerichtet sein.
Unzureichend fundierte Behauptungen dominieren das Bild
In der Populärpresse finden sich regelmäßig einfache Assozia­
tionen, bei denen beispielsweise aus der Nutzung von Smart-
phones auf die Notwendigkeit einer neuen Führungskultur
geschlossen wird. Interessanter für Personalmanager ist die
Urteilsbildung aus der eigenen beruflichen Erfahrung, z. B.
aus Rekrutierungsgesprächen. Personalpraktiker suchen auf
ihren eigenen Erfahrungen aufbauend häufig den Kontakt zu
Kollegen. Beispielsweise werden im Rahmen von Workshops
zur Generation Y Meinungsbilder der Kollegen gesammelt, die
anschließend zu einem Gesamtbild aggregiert werden. Dieses
Vorgehen ist grundsätzlich legitim.
Bei Themen wie der Generation Y sind Bauchgefühl, Intuiti-
on und eigenes Erleben allerdings schlechte Ratgeber, da hier
nahezu jede Falle der Wahrnehmungsverzerrung zuschnappt,
die wir aus der psychologischen Forschung zur Personalaus-
wahl und -beurteilung kennen. Dies führt zu Stereotypisie-
rungen, die mit der Realität in der Regel wenig zu tun haben.
Scott W. Lester und Kollegen vergleichen die Einstellungen
von Beschäftigten unterschiedlicher Generationen in einem
Unternehmen mit den Einstellungszuschreibungen durch die
jeweils anderen Generationen, d. h., sie vergleichen tatsächliche
und wahrgenommene Generationenunterschiede (Lester et al.,
2012). Die tatsächlichen Einstellungsunterschiede sind durch-
gängig deutlich geringer als die durch die Befragten vermuteten.
Der Unterschied zwischen wahrgenommenen und tatsäch-
lichen Präferenzen thematisiert auch eine Studie von Kien-
Standardisierte Effektstärke:
Wann sind Unterschiede „bedeutsam“?
Im Text haben wir die Unterschiede in den Befragungs-
ergebnissen zwischen den Generationen X und Y als
­gering bezeichnet. Wann aber sind Unterschiede zwischen
Gruppen gering und wann sind diese bedeutsam? In der
­empirischen Forschung wird die betriebswirtschaftliche
Relevanz durch Effektgrößen angegeben. Ein übliches Maß
ist „d“, die sogenannte standardisierte Effektstärke bezüglich
des Unterschieds zwischen zwei Mittelwerten. Durch die
Standardisierung wird erreicht, dass Untersuchungen, die auf
unterschiedlichen Daten oder Skalen beruhen, vergleichbar
werden. Dabei gelten für das Maß „d“ Effektgrößen um 0,2
bis 0,3 als schwach, um 0,5 als „moderat“ und ab 0,8 als
„groß“. Auch in der zitierten Studie von Twenge und Kolle-
gen sind die Generationsunterschiede in dieser Effektstärke
angegeben (Twenge et al. 2010, S. 1132). Die maximale
Effektstärke im Vergleich zwischen Generation X und Y
besteht bezüglich der Freizeitorientierung mit d = 0,22, ein
insgesamt somit schwacher Effekt.
Im konkreten Beispiel können die Effektgrößen durch Ver-
gleich mit Abbildung 1 unmittelbar den jeweiligen Mittel-
wertunterschieden zugeordnet werden. Schwieriger ist eine
allgemeine anschauliche Beschreibung der Effektstärke.
Die mathematisch-statistisch korrekte Interpretation eines
Werts von d = 1 lautet, dass Mitglieder der zweiten Gruppe
im Durchschnitt eine Standardabweichung über den Werten
der ersten Gruppe liegen. Eine anschauliche inhaltliche Inter-
pretation liefern Adi Winteler und Peter Forster am Beispiel
der Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der
akademischen Lehre: „Wenn ein neues Programm eingeführt
und dessen Wirksamkeit auf das Lernergebnis überprüft
wird, dann bedeutet z. B. eine Effektstärke von 1.0, dass ein
durchschnittlicher Lernender, der daran teilgenommen hat,
danach bessere Leistungen erzielt als 84 % der Lernenden,
die an diesem Programm nicht teilgenommen haben. Dies
entspricht einer Verbesserung der Leistung um eine Stan-
dardabweichung der Normalverteilung“ (Winteler/Forster
2007, S. 104).