Seite 44 - PERSONALquarterly_2013_01

Basic HTML-Version

personalquarterly 01 / 13
44
Neue Forschung
_Gesundheitskultur
Mitarbeiter zu erreichen ist. Das Gesundheitskulturkonstrukt
kann als Anhaltspunkt für eine systematische Kulturarbeit die-
nen. Essenziell ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht die feste
Verbindung zwischen dem BGM und einer Leistungskultur.
Gesundheit darf nicht als „weiches Thema“ einen niedrigen
Stellenwert im betrieblichen Wertesystem erhalten. Nur durch
gesunde und einsatzfähige Beschäftigte lassen sich Wirt-
schaftlichkeitsziele erreichen. Wichtige Komponenten sind
eine Vertrauens-, Feedback- und Konfliktkultur. Belastungs-
faktoren im Arbeitsalltag sowie Verbesserungsvorschläge
müssen frei geäußert werden dürfen. Neben formellem Feed-
back (z. B. im Zuge von Mitarbeiter- respektive Zielverein-
barungsgesprächen) spielen informelle Rückmeldungen eine
zentrale Rolle. Bestehende Unstimmigkeiten sollten nicht
durch falsch verstandene Harmoniebedürftigkeit unterdrückt
werden. Im Leitbild des Unternehmens ist idealerweise bereits
ein Verhaltenskompass für eine gesundheitsbegünstigende
Kultur festzuhalten.
3
Zielsystem und strategische Aspekte:
Erforderlich ist ei-
ne praxistaugliche Definition von Gesundheit. Dadurch lässt
sich verhindern, dass sich unrealistische Erwartungen an
den Arbeitgeber aufbauen und die Eigenverantwortung für
die Gesunderhaltung vernachlässigt wird. Daher empfiehlt
sich eine Fokussierung der Ziele auf die Arbeitsplatzsituati-
on. Spannungsfelder zwischen Wirtschaftlichkeits- und Mit-
arbeiterzielen sind sorgfältig zu analysieren. Beispielsweise
können zu hohe Gewinn- und Kostensenkungsziele negative
Auswirkungen auf das Beschäftigtenwohl nach sich ziehen.
GesundheitssensibleUnternehmenwerden inder Strategieer­
arbeitung den internen Ressourcen den gleichen Stellenwert
einräumen wie der Marktperspektive. Für die Strategieumset-
zung bietet das Konzept der Balanced Scorecard (Kaplan/Nor-
ton, 1997) eine geeignete Hilfe. Innerhalb der vier klassischen
Handlungsfelder ist die Lern- und Entwicklungsperspektive ein
unmittelbarer Ansatzpunkt. Übliche Kennzahlen, wie Mitarbei-
tertreue, -zufriedenheit und -produktivität, können sinnvoll mit
der Gesundheit und demWohlbefinden des Personalkörpers in
Verbindung gebracht werden. Entsprechende Rückwirkungen
auf die drei anderen Handlungsfelder (Finanzen, Kunden, in-
terne Prozesse) sind ebenfalls aufzuzeigen.
3
Betriebliche Organisation:
Der Gesundheitsaspekt ist
auch in den betrieblichen Strukturen und Prozessen zu be-
rücksichtigen. Wenn der Profit-Center-Gedanke in Groß-
unternehmen zu rigide ausgelebt wird, behindert dies den
Informationsaustausch zwischen Organisationseinheiten so-
wie die Solidarität unter den Teilen des Gesamtsystems. Es
drohen Abschottungstendenzen. Aufbauorganisatorisch ist auf
klare Unterstellungsverhältnisse und eine Größe von Leitungs-
spannen zu achten, welche die Übernahme von Führungsver-
antwortung im Sinne einer wahrzunehmenden Fürsorgepflicht
überhaupt ermöglicht. Arbeitsprozesse sind transparent zu ge-
stalten. Sie sollten einen klaren Adressaten haben (interne/
externe Kunden). Im Idealfall überlassen Arbeitsabläufe den
Ausführenden eignungs- und neigungsgerechte Kontrollmög-
lichkeiten, d. h. genügend Handlungs- und Entscheidungsfrei-
heiten. Bei der organisatorischen Gestaltung ist die Anzahl
und Frequenz von Reorganisationsprozessen gewissenhaft
abzuwägen. Die betriebswirtschaftlichen und psychischen Re-
alisationskosten sind dem potenziellen Nutzen einer neuen
Organisationsform gegenüberzustellen.
Grundsätzlich ist in organisatorischen Gestaltungsprozes-
sen dem Effizienzkriterium „Förderung der sozialen Effizienz
und individuellen Lernfähigkeit“ (Thom/Wenger, 2010, S. 144)
gebührend Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Dazu gehö-
ren stellenbezogene Entwicklungsmöglichkeiten, eine wider-
spruchsfreie personelle Zuordnung sowie eine ganzheitliche
Aufgabenbearbeitung.
Gesundheitsaspekte in alle Personalfunktionen integrieren
Der Gesundheitsgedanke ist in alle Personalfunktionen zu
­integrieren (siehe Abb. 2). Dies wird ansatzweise an einigen
ausgewählten Funktionen verdeutlicht.
3
Personalgewinnung
: Im Rahmen der Personalgewinnung
sollte die Personalselektion darauf achten, dass gesundheits-
förderliche Werte bereits spürbar ausgeprägt sind. Im Einar-
beitungsprozess hat der Gesundheitsgedanke ebenfalls einen
gebührenden Platz zu erhalten. Eine reine Informationsver-
mittlung (z. B. alleinstehender Vermerk im Begrüßungsord-
ner) erreicht nicht die gewünschte Verhaltensebene.
3
Personaleinsatz:
Beim Personaleinsatz haben Betriebe
unter anderem gesetzliche Vorschriften einzuhalten, Chan-
cen und Risiken flexibler Arbeitszeitmodelle abzuwägen,
ergonomische Rahmenbedingungen zu optimieren sowie Vor-
kehrungen für die Reintegration von (länger) erkrankten Mit-
arbeitenden zu schaffen.
3
Personalbeurteilung:
In der Personalbeurteilung ist darauf
zu achten, die Förderungsverantwortung explizit in das Be-
urteilungssystem für Führungskräfte aufzunehmen. Vorsicht
gilt im Umgang mit Präsenzzielen für das unterstellte Perso­
nal, da Abwesenheiten nicht vollständig vonseiten des Be-
triebs beeinflussbar sind (z. B. Grippewelle) und Präsentismus
letztlich höhere Kosten als Absentismus verursachen kann.
3
Personalentwicklung:
In der Personalentwicklung geht es
mitunter um eine zielgruppengerechte Vermittlung fachlicher,
sozialer und unmittelbar gesundheitsbezogener Kompetenzen.
Weiterhin ist die Integration des BGM in die obligatorische
Führungskräfteentwicklung zu fordern. Schließlich bedarf es
einer Präzisierung des Anforderungsprofils für BGM-Fach-
kräfte sowie die Festlegung notwendiger Kompetenzen für
entsprechend zertifizierte Berufsabschlüsse.
3
Personalerhaltung
: Hinsichtlich der Personalerhaltung re-
gen die Autoren die gesundheitskulturgerechte Gestaltung des