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Fazit
Allein die Grundverschiedenheit der beiden typologisch zu­
gespitzten Bewährungsstrategien von Topführungsfrauen
macht deutlich, dass es, wenn von Frauen in Spitzenpositionen
die Rede sein soll, stets genauer hinzuschauen gilt. Wie bereits
eingangs erwähnt, kranken die gegenwärtigen Debatten um
die weibliche Unterrepräsentanz in den Führungsgremien der
Wirtschaft nicht zuletzt daran, dass in ihnen nicht sosehr die
gesellschaftliche Bedingtheit erfolgreicher Spitzenkarrieren
diskutiert wird, als vielmehr die abstrakte Frage nach dem
einen, möglichst omnipotenten Mittel zur Hebung des Anteils
weiblicher Topführungskräfte. Nicht, dass diese Frage obso-
let wäre. Unterschlägt man indes im Zuge ihrer Erörterung,
dass berufliche Bewährungsstrategien zuweilen fundamental
divergieren, so wird ein jeder technokratisch-vereinfachende
Versuch, die Geschlechterverhältnisse auf der Ebene des Top-
managements nachhaltig verändern zu wollen, an einem ganz
wesentlichen Problemkomplex vorbeizielen: Dass es nämlich,
um eine Spitzenposition einnehmen und erfolgreich ausfüllen
zu können, einer bestimmten, habituell bedingten Bewährungs-
strategie bedarf, die ihrerseits von ganz unterschiedlichen
primär- und sekundärsozialisatorischen Prozessen der Verin­
nerlichung von Denk- und Handlungsdispositionen sowie For-
men der biografischen Erfahrungsverarbeitung abhängen.
Vor dem Hintergrund der in unserer Studie gewonnenen
Einsichten möchte ich daher für eine Rückbesinnung auf die
eigentlich entscheidende Frage nach den sozialen Vorausset-
zungen von Topkarrieren plädieren. Unter ihrem Gesichts-
punkt stellt sich nicht zuletzt heraus, dass die konkrete Art
und Weise, wie der Weg an die Spitze bewältigt wird, auch oder
vielleicht gerade innerhalb der weiblichen Genusgruppe im
Einzelfall massiv davon abhängt, in welches gesellschaftliche
Milieu die betreffende Person hineingeboren wurde. Diesen
Umstand gilt es denn auch im Rahmen von Förderprogrammen
und der Organisation von Unterstützungsstrukturen stärker
als bislang in Rechnung zu stellen.
Dr. Denis Hänzi
Wissenschaftszentrum Berlin
für Sozialforschung (WZB)
e-mail:
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Summary
Research question:
From the angle of gender-sensitive career
research, the contribution retraces the social fundaments of top-lea-
dership women‘s positional success in the economic field.
Methodology:
Qualitative, reconstructive analysis of (work-)biogra-
phical interviews. Building of ideal types by means of contrasting
cases.
Practical implications:
In order to differentiate the discussions
about the lacking of women in leadership positions of the economic
fields, the author suggests to centrally taking into account the social
conditionality of top-careers.