personalquarterly 01/ 13
18
Schwerpunkt
_Frauen im management
Abstract
Forschungsfrage:
Der Beitrag geht im Rahmen der geschlechtertheoretisch angelegten
Karriereforschung der Frage nach, welches die Grundlagen des positionalen Erfolgs von
Frauen sind, die es tatsächlich in Spitzengremien der Wirtschaft geschafft haben.
Methodik:
Qualitativ-rekonstruktive Auswertung (berufs-)biografischer Interviews.
Idealtypenbildung durch Fallkontrastierung.
Praktische Implikationen:
Im Sinne einer differenzierteren Diskussion der Unterreprä-
sentanz von Frauen in Toppositionen der Wirtschaft plädiert der Autor dafür, stärker als
bisher die soziale Bedingtheit von Spitzenkarrieren zu berücksichtigen.
Die Auswahl der Fälle erfolgte gemäß dem Prinzip des theo-
retischen Samplings entlang der Unterscheidungslinien Ge
nerationslagerung und Geschlecht, soziales Herkunftsmilieu
und ökonomische Branche. Die Untersuchung zielte darauf
ab, ausgehend von der objektiv-hermeneutischen Auswertung
einzelner Interviews und über deren sukzessive Konfrontati-
on mit weiteren, kontrastiv dazu herangezogenen Fällen eine
materialgesättigte Typologie soziologisch unterscheidbarer
beruflicher Bewährungsstrategien zu erarbeiten.
2
Unter einer
„beruflichen Bewährungsstrategie“ wurden konzeptionell jene
biografisch erworbenen und also habitualisierten Denkstile
und Handlungsaffinitäten, jene in sozialer Interaktion verin-
nerlichten Hintergrundüberzeugungen und latenten Antriebs-
strukturen gefasst, die zusammengenommen den „Modus
Operandi“ der professionellen Praxis einer Person ausmachen.
Die zwei Grundtypen der Bewährungsstrategien
Bei den hier interessierenden Frauen in Toppositionen ließen
sich zwei Grundtypen von Bewährungsstrategien rekonstru-
ieren. Der erste Typus lässt sich mit der Formel „Spitzenpo-
sition durch präformierte Passung“ beschreiben, der zweite
begrifflich auf den Nenner „Karriere durch Herstellung von
Passfähigkeit“ bringen. Im ersten Schritt werden diese beiden
Bewährungsstrategien zunächst in ihrer Typik umrissen, das
heißt, ihre wesentlichen Eigenheiten werden – aus Platzgrün-
den nur holzschnittartig – verdichtet herausgestellt. Sodann
wird kurz auf den jeweiligen gesellschaftlichen Entstehungs-
kontext, also auf die sozialisatorischen Voraussetzungen der
Genese der beiden Bewährungsstrategien eingegangen. Der
Beitrag mündet schließlich in einige Schlussbemerkungen
zum Thema der Untervertretung von Frauen in Spitzenpositio
nen der Wirtschaft.
Spitzenposition durch präformierte Passung
Die Frauen unseres Samples, bei denen sich diese erste Be-
währungsstrategie rekonstruieren ließ, nehmen ihrem Selbst-
verständnis nach mit ihrer Spitzenposition denjenigen Platz
im Gefüge der Wirtschaftswelt ein, der ihnen gebührt. Sie sind
stark innengeleitete Personen, die über ein differenziertes Wis-
sen um die (auch ungeschriebenen) Gesetze und Verhaltens-
regeln ihres beruflichen Terrains sowie einen ausgeprägten
Orientierungssinn für dessen Topografie verfügen: Mit einem
„guten Riecher“ für die „Places to be“, aber auch für die „No-
go-Areas“ ausgestattet, finden sie im Zuge ihrer beruflichen
Entwicklung immer wieder intuitiv an jenen Ort innerhalb des
Felds und des Unternehmens, wo „die Musik spielt“. Dieses
feine Gespür für den richtigen Weg verbindet sich damit, dass
diese Frauen es blindlings verstehen, ihre habituellen Trümpfe
– also die sozialen, kulturellen und ökonomischen Kapitalien,
über die sie verfügen – im Sinne des eigenen Aufstiegs gewinn-
bringend einzusetzen. Zum Orientierungswissen gesellt sich
sozusagen ein raffinierter Investitionssinn.
Typischerweise gelingt diesen Frauen berufsbiografisch früh
ein größerer Coup, über den sie in ihremBewährungsfeld (meist
über das konkrete Unternehmen hinaus) hohe Anerkennung
und Bekanntheit erlangen. Von hier aus erscheint der Aufstieg
in die Spitzenposition dann quasi selbstläufig und folgt in al-
ler Regel auf dem Fuße binnen weniger Jahre. Dass sie eine
Topposition erlangen, verdanken sie denn auch wesentlich
einer präformierten Passung: Führungsfrauen dieses Bewäh
rungsstrategie-Typus zeichnen sich dadurch aus, dass sie – ge
tragen von einemHabitus der Selbstsicherheit und Gelassenheit
– berufliche Bewährungsproben cool angehen und spielerisch
bewältigen. Diese Bewährungsstrategie gilt denn auch insofern
nur als implizit „strategisch“, da sie keiner eigentlichen Reflexi-
on, keiner expliziten Zweck-Mittel-Rationalisierung bedarf, son-
dern gleichsam automatisch einer habituell tief sitzenden Logik
folgt. Mit anderen Worten, die Frauen, die diese (wie gesagt:
unausgesprochene) Strategie verfolgen, können weitestgehend
„sich selbst“ sein – dies gerade auch als Frauen: Etwaige Irrita-
tionen, die sie als Sonderfälle in der männerdominierten Welt
des Topmanagements verursachen könnten, werden durch die
Beherrschung entsprechender kultureller Codes und die große
Selbstverständlichkeit, mit der diese Frauen professionell kom-
munizieren und handeln, aufgefangen und neutralisiert.
2 Zur Methode der objektiv-hermeneutischen Rekonstruktion von Habitusformationen siehe Oever-
mann, 1993; Schallberger, 2003.