Seite 17 - PERSONALquarterly_2013_01

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n jüngerer Zeit wird viel darüber diskutiert, was zu tun
sei, um merkbar mehr Frauen in die Toppositionen der
Wirtschaft zu bringen. Zumeist drehen sich die Debatten
um die Frage nach dem probaten Mittel (staatlich verord-
nete Quoten oder aber Selbstverpflichtung seitens der Unter-
nehmen?) nicht aber um die interessierenden Akteurinnen
selbst. In der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung
wiederum galt die Aufmerksamkeit zunächst primär der Frage,
warum so viele Frauen auf dem beruflichen Weg nach „oben“
ausgebremst werden, auf halber Strecke stecken bleiben oder
gänzlich aussteigen. Solche Untersuchungen fokussieren
auf institutionell und kulturell bedingte Schwierigkeiten der
Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit (exempla-
risch: Beck-Gernsheim, 1997; Blair-Loy, 2003; Gerhard, 2003;
Cornelißen, et al., 2011), auf organisational verfestigte Karrie­
reschranken, mit denen sich aufstiegsorientierte Frauen kon-
frontiert sehen (Lind, 2004; Matthies, et al. 2001), sowie auf den
­Problemkomplex der symbolischen und interaktiven Repro-
duktion androzentrisch strukturierter Berufsfelder (Beaufaÿs,
2003; Hänzi, 2009; Schumacher, 2004). Noch vergleichsweise
wenig ist dagegen zu Frauen geforscht worden, die es – allen
äußeren oder auch inneren Widerständen zum Trotz – an die
Spitzen beruflicher Felder geschafft haben. Und so wissen wir
denn auch kaum etwas über die konkreten Werdegänge und
Handlungsmuster jener Akteurinnen, die sich auf oberster Ma-
nagementebene beweisen konnten und längerfristig bewähren
(vgl. Ross-Smith/Huppatz, 2010, S. 548).
Angesichts dieser Forschungslücke bietet es sich an, auf
die elitesoziologischen Studien von Michael Hartmann zu-
rückzugreifen (exemplarisch: Hartmann, 2002, 2010): Seine
einem quantifizierenden Paradigma verpflichteten Arbeiten
zu den Mechanismen der Rekrutierung von Spitzenkräften
in verschiedenen beruflichen Domänen Deutschlands fördern
zutage, dass dem spezifischen Habitus, das heißt den soziali-
satorisch verinnerlichten Deutungs- und Handlungsdispositio­
nen von Individuen, bei der Reproduktion gesellschaftlicher
Eliten eine zentrale Bedeutung zukommt. In seinen Erörte-
rungen zum Zusammenspiel von „Promotion, Habitus und Kar-
rieren in der Wirtschaft“ (Hartmann, 2002, S. 117 ff.) kommt
Hartmann zum Schluss, die Besetzung von Spitzenpositionen
Bewährungsstrategien von Topmanagerinnen
– Was nicht passt, wird passend gemacht
Von
Dr. Denis Hänzi
(Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
im ökonomischen Feld erfolge letzten Endes „anhand einiger
weniger Persönlichkeitsmerkmale“ (ebd., S. 122), zu denen
etwa die „Vertrautheit mit den in den Vorstandsetagen gül-
tigen Dress- und Verhaltenscodes“ oder eine ausgeprägte „per-
sönliche Souveränität und Selbstsicherheit“ (ebd.) zu zählen
seien. Diese allgemein einleuchtende Diagnose lässt jedoch
eine Reihe von Fragen offen: Gilt dieser Befund, der allem
voran mit Blick auf männliche Spitzenkräfte der Wirtschaft
generiert wurde, ebenso für Frauen in entsprechenden Positio­
nen? Wie werden diese „Persönlichkeitsmerkmale“, die einer
erfolgreichen Bewährung im ökonomischen Feld so förderlich
zu sein scheinen, biografisch herausgebildet? Mit anderen
Worten: Wenn es stimmt, dass der jeweilige soziale Habitus
einer Person (Bourdieu, 1993) hinsichtlich der Einnahme einer
beruflichen Topposition von so entscheidender Bedeutung ist –
welche familiären und gesellschaftlichen Bedingungen, welche
primär- und sekundärsozialisatorischen Erfahrungen sind es
dann, die ihrerseits der Entwicklung eines entsprechenden
Habitus förderlich sind?
Diesen Fragen wurde im Rahmen eines in der Forschungs-
gruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung WZB angesiedelten Forschungs-
projekts nachgegangen, auf dem der vorliegende Beitrag be-
ruht.
1
Für die Studie wurden qualitative (berufs-)biografische
Interviews mit 30 Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzen-
wissenschaftlern sowie 30 Topführungskräften der Deutschen
Wirtschaft geführt (jeweils 15 Frauen und 15 Männer). Bei
den 30 Spitzenkräften aus dem Feld der Wirtschaft, die für
die am WZB durchgeführte Studie „Exzellenz und Geschlecht“
vornehmlich im Winter 2010/2011 interviewt wurden, handelt
es sich um:
3
Vorstandsvorsitzende und Vorstandsmitglieder von DAX-
notierten Unternehmen
3
Geschäftsführende international agierender Konzerne
3
Partner/innen in global tätigen Beratungsfirmen
3
Unternehmensgründer/innen.
1 Das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF sowie des Europäischen
Sozialfonds der Europäischen Union geförderte Projekt „Exzellenz und Geschlecht in Führungspositionen
der Wissenschaft und Wirtschaft“ (Dezember 2008 – April 2012) stand unter der Leitung von Hildegard
Matthies. Zum Projektteam gehörten außerdem Stefan Fuchs, Elke Hagemann, Christoph Rogge und
Dagmar Simon.
Schwerpunkt
_FRauen im management