01 / 13  personalquarterly
            
            
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              einen nennenswerten, verändernden Einfluss auf die herr-
            
            
              schende Unternehmenskultur haben könnten. Nach der vor-
            
            
              genannten Studie zur kritischen Masse müssten sie hierzu
            
            
              eine Durchdringung von 24 % aufweisen (Allmendinger,
            
            
              1995). Aber sie werden meist als Zielgruppenformate auf-
            
            
              und umgesetzt.
            
            
              Ein neuer Trend bindet die Vertreter der jeweils dominan-
            
            
              ten Kultur aktiv ein, wie z. B. Männer in Frauen- oder besser
            
            
              Gender-Netzwerke oder als Mentoren (m/w), die auch von
            
            
              Mentees (w/m) lernen.
            
            
              
                Kultur:
              
            
            
              Im Bereich „Kultur“ werden die etablierten und
            
            
              akzeptierten Verhaltensweisen, die geltenden Normen und
            
            
              Werte sowie die Grundannahmen (ungeschriebenen Gesetze)
            
            
              einer Organisation z. B. nach dem Ebenenmodell von Schein
            
            
              (1998) thematisiert. Schon Accenture (ebd. 2007, S. 6ff.) be-
            
            
              tonte die Bedeutung der Unternehmenskultur für die erfolg-
            
            
              reiche Karriereentwicklung von Frauen. In diesem Kontext
            
            
              sind die verbreiteten Trainings zu Gender & Diversity meist
            
            
              die einzigen Maßnahmen, die eine kulturverändernde Zielset-
            
            
              zung verfolgen. Als singulärer Ansatz sind sie freilich chan-
            
            
              cenlos, eine spürbare Entwicklung in Gang zu setzen – zumal
            
            
              viele Trainings einen Fokus auf der Bewusstmachung (Sensi-
            
            
              bilisierung), bestenfalls noch auf der Umsetzung im eigenen
            
            
              Führungsverhalten haben. Entscheidend für den spür- und
            
            
              messbaren Erfolg scheint es dagegen, das Phänomen der Un-
            
            
              ternehmenskultur in seiner Komplexität (und insoweit auf
            
            
              allen Ebenen) zu durchdringen (siehe Abb. 5) und mit entspre-
            
            
              chend umfassend angelegten Programmen zu adressieren;
            
            
              dieser Ansatz wird von einigen wenigen Großunternehmen
            
            
              konsequent verfolgt.
            
            
              
                Zum Diskussionsstand „Gender und Unternehmenskultur“
              
            
            
              Als neuesten Beitrag zu dieser Frage identifiziert das
            
            
              Fraunhofer-Institut (2012) vier Kulturmuster, die jeweils spe-
            
            
              zifische Aufstiegsbarrieren mit sich bringen:
            
            
              3
            
            
              Die „offene Hochleistungskultur“ ist gekennzeichnet durch
            
            
              Dynamik und Leistungsfähigkeit. Aufgrund der liberalen
            
            
              Strukturen und flachen Hierarchien wird „Vielfalt“ offiziell
            
            
              wertgeschätzt. Eltern- und Auszeiten sowie Teilzeitarbeit
            
            
              werden jedoch als Einschränkungen der Flexibilität angese-
            
            
              hen und stellen daher Aufstiegshindernisse dar.
            
            
              3
            
            
              In der „konformistischen Formalkultur“ sind formelle und
            
            
              informelle Anforderungen maßgeblich für den Aufstieg. Es
            
            
              herrschen klare Vorstellungen über Führungskräfte, Karrie-
            
            
              remuster und den „richtigen“ Führungsstil. Diese männlich
            
            
              geprägten Vorgaben sind Aufstiegsbarrieren für Frauen.
            
            
              3
            
            
              Ausschlaggebendes Merkmal der „konservativen Aus-
            
            
              schlusskultur“ ist die Aufrechterhaltung von traditionellen
            
            
              Werten und Geschlechterrollen. Das Management dieses
            
            
              Typus zeichnet sich durch eine Ablehnung von Frauen in
            
            
              Führungspositionen aus.
            
            
              3
            
            
              Typisch für die „veränderungsorientierte Bewahrungskul-
            
            
              tur“ ist ihr ambivalenter Charakter. Einerseits ist sie stark
            
            
              von Innovation und Wandel geprägt und unterstützt die
            
            
              Förderung von Frauen in Spitzenpositionen. Andererseits
            
            
              herrschen starre, althergebrachte Strukturen, die besonders
            
            
              im mittleren und unteren Management aufstiegshemmend
            
            
              wirken.
            
            
              Die gefundenen Muster korrespondieren einerseits latent mit
            
            
              den zuvor beschriebenen Barrieren-Clustern (bezogen auf unter-
            
            
              nehmenskulturelle Aspekte). Sie sind allerdings direkt konsis
            
            
              tent mit den Typologien, die Wippermann (2010) beschreibt.
            
            
              3
            
            
              Sein Mentalitätsmuster „konservative Exklusion“ weist
            
            
              große Übereinstimmungen mit der „konformistischen For-
            
            
              malkultur“ und der „konservativen Ausschlusskultur“ auf.
            
            
              3
            
            
              Sein Typus „Emanzipierte Grundhaltung“ kongruiert mit der
            
            
              „veränderungsorientierten Bewahrungskultur“.
            
            
              3
            
            
              Der Cluster „radikaler Individualismus“ liegt nahe an der
            
            
              „offenen Hochleistungskultur“.
            
            
              
                Vergleich mit Praxiserfahrungen
              
            
            
              Auch die unterschiedlichen Umsetzungsempfehlungen von
            
            
              Fraunhofer (2012) korrespondieren mit bewährten Überle-
            
            
              gungen zur Kulturveränderung, insbesondere zur unterschied-
            
            
              lichen Positionierung von (Gender) Diversity.
            
            
              Drei der dort genannten Handlungsansätze
            
            
              3
            
            
              Betonung des ökonomischen Nutzens
            
            
              3
            
            
              Wertschätzung von Ressourcen
            
            
              3
            
            
              Erweiterung von Mitwirkungsmöglichkeiten
            
            
              entsprechen dem in der Praxis häufig angewandten Dreiklang
            
            
              von „Head, Heart and Hand“ (Ratio, Emotio, Actio), der im
            
            
              Grundsatz auch dem magischen Dreieck entspricht. Der An-
            
            
              satz geht davon aus, dass Veränderungen über gezielte, neue
            
            
              Sachinformationen, über emotionale Erkenntnisprozesse oder
            
            
              über neue Handlungsoptionen (oder -anweisungen) initiiert
            
            
              und vorangetrieben werden können.
            
            
              Je nach Situation und Zielsetzung ist der Einsatz verschie-
            
            
              dener Kombinationen der unterschiedlichen Hebel angebracht
            
            
              (Stuber, 2008, S. 251ff.).
            
            
              Der umfassende Blick auf den Forschungsstand untermauert
            
            
              insgesamt sowohl die zentrale Bedeutung unternehmenskul-
            
            
              tureller Barrieren wie auch den deutlich negativen Einfluss
            
            
              von Geschlechterstereotypen. Unter dieser Prämisse sollten
            
            
              bestehende Gender-Diversity-Programme überprüft werden.
            
            
              Vor allem ist ein genauerer Blick auf die tiefe unternehmens-
            
            
              kulturelle Ebene der Grundannahmen erforderlich, die über
            
            
              ungeschriebene Gesetze einen starken Bewahrungscharakter
            
            
              ausübt. Aus zahlreichen Beratungsprojekten sind hier u. a. zu
            
            
              nennen:
            
            
              3
            
            
               Präsenzkulturen – vor allem in leitenden Positionen
            
            
              3
            
            
              Männlich geprägte Idealvorstellungen von Führungskräften
            
            
              3
            
            
              Starre Karrierewege (hierarchischer Aufstieg nur in Vollzeit)