Seite 14 - PERSONALquarterly_2013_01

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Schwerpunkt
_Frauen im ManAgement
förderndes Netzwerk aufbauen und stark davon profitieren.
Frauen gelingt die Umwandlung ihres Bildungskapitals in be-
ruflichen Erfolg dagegen weniger.
3. Strukturbedingte Selektionsprozesse:
Die dritte
Kategorie enthält Studien, welche strukturbedingte Selek-
tionsprozesse in Bezug auf – hoffentlich unerwünschte – Be-
nachteiligungseffekte beschreiben. Als Standardwerk gilt die
Meta-Analyse von Eagly (1992), welche aufzeigt, dass weibliche
Führungskräfte generell – und besonders in männerdomi-
nierten Kontexten – schlechter beurteilt werden. Tondorf und
Jochmann-Döll (2005) fanden heraus, dass Teilzeitbeschäftigte
(und damit überproportional viele Frauen) gegenüber Vollzeit-
beschäftigten bei Beurteilungen benachteiligt werden, da ih-
nen unterstellt wird, sie seien eher familien- und freizeit- als
berufs- und karriere­orientiert und somit weniger motiviert,
engagiert, flexibel sowie einsatzbereit und –fähig. Diese und
ähnliche unerwünschte Schieflagen in etablierten, weitgehend
standardisierten Prozessen bilden eine eigenständige Katego-
rie von systemischen Biases, die über fundierte Auditierungen,
z. B. gemäß Stuber (2006), durch eine pro-aktiv positive Ausle-
gung des AGG adressiert werden können.
4. Besonderheiten vonOrganisationen und Führungskul-
turen:
Die vierte Gruppe von Ansätzen legt den Schwerpunkt
auf die vorherrschende Monokultur in Organisationen, ins-
besondere im Managementumfeld (sog. Führungskultur[en]).
Doppler (2005) zeigt, dass das heutige Management alle Krite-
rien eines Männerbundes erfüllt und damit die Karrierechan-
cen von Frauen reduziert. Gmür (2004) bestätigt – wie schon
Schein (1985) –, dass das Idealbild eines Managers von männ-
lichen Attributen geprägt ist und insofern den Aufstieg von
Frauen erschwert, da sowohl eine Erwartungshaltung in Bezug
auf männliche Verhaltensweisen an sie herangetragen wird
wie auch eine (widersprüchliche) Erwartung an geschlechter-
rollenkonformes Verhalten.
Unternehmenskulturelle Veränderung als Schlüsselfaktor
Die umfassende Analyse aller 25 Studien zeigt insgesamt, dass
effektive Gender-Diversity-Programme an einer größeren Zahl
verschiedener Punkte gleichzeitig ansetzen müssen: Bei der
menschlichen Tendenz, sich der Eigengruppe anzuschließen,
bei stereotypisch gefärbten Interpretationsmustern, bei uner-
wünschten Schieflagen (Bias) in Prozessen sowie an monokul-
turellen Aspekten der herrschenden Organisationskulturen,
insbesondere mit Blick auf unsichtbare Normen bzw. unge-
schriebene Gesetze. Insofern liegt eine deutlich komplexe Auf-
gabenstellung der Organisationsentwicklung vor, für die das
magische Dreieck der Organisation ein „gedankliches Hilfs-
mittel“ darstellt, insoweit es „den Zusammenhang zwischen
der Struktur (Aufbau- und Ablauforganisation = ‚Strukturen
und Prozesse’), der Strategie und der Kultur als wechselsei-
tiges Abhängigkeitsverhältnis“ beschreibt und damit die ent-
scheidenden Stellhebel für die Veränderung einer Organisation
Handlungsfelder und Maßnahmen – basierend auf der lang-
jährigen Erfahrung des Autors – wie folgt in diesem Kontext.
Strategie:
Unter „Strategie“ fallen Zielvorgaben und -verein-
barungen sowie sinnstiftende Botschaften der Organisations-
führung wie auch deren Vorbildverhalten. Die Unterstützung
durch das Topmanagement ist in unzähligen Beiträgen vor
allem der „grauen“ Literatur als wesentlicher Erfolgsfaktor be-
nannt, wenn auch nicht häufig konsistent umgesetzt worden.
Denn über kurze Statements zu Prozessbeginn hinaus sollten
mehrere Mitglieder der Unternehmensführung dauerhaft in
die Umsetzung des Themas Gender Diversity eingebunden
sein, um einen umfassenden Veränderungsprozess nicht nur
zu begleiten, sondern auch zu betreiben. Hierzu haben sich in
der jüngeren Vergangenheit verschiedene Formen sogenann-
ter Diversity-Councils oder Lenkungsausschüsse etabliert und
bewährt.
Struktur:
Im Bereich „Struktur“ findet sich der Großteil der
traditionellen Maßnahmen und Handlungsfelder der Frauen-
förderung wieder: Mentoring-Programme, Weiterbildungs­
möglichkeiten und Netzwerke für Frauen sind mittlerweile
weitverbreitete Instrumente. Auch bieten Unternehmen eine
Vielzahl von Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und
Privatleben an, um den stark gestiegenen Erwartungen von
Männern und Frauen in dieser Hinsicht nachzukommen:
Flexible Arbeitszeit- und -platzgestaltung, betriebliche Kin-
derbetreuung (und gesonderte Angebote während der Schul-
ferien), Sabbaticals, Eldercare, Wiedereinstiegsprogramme
und vieles mehr wurde innerhalb weniger Jahre zu neuen
Standards der Personalpolitik. Nur wenige dieser Programme
sind indes so ausgerichtet oder so intensiv genutzt, dass sie
Abb. 5:
Magisches Dreieck mit Drei-Ebenen-Modell
von Schein
Ebenen der
Unternehmenskultur
Strategie
Struktur
Ungeschriebene Gesetze
Unternehmenswerte
Verhalten
Kultur
1
1
Quelle: Ungleich Besser Diversity Consulting